Man kommt nur noch sehr schwer hinterher. Drohte der Wahnsinn noch vor einigen Jahren zu marschieren, ist er neuerdings vom Laufschritt in den Galopp gefallen. Eine Art Quadratquatsch, dem zu folgen wegen der exponentiellen Geschwindigkeitssteigerung schon demnächst Raketenschub erfordern wird. Wenigstens derzeit aber hilft die aufmerksame Anmerkung, die von fleißigen Medienarbeitern tagtäglich neugeschaffene Wirklichkeit des Fantastischen nicht aus dem Auge zu verlieren. Denn die Gefahr ist groß und das Rettende naht schon lange nicht mehr selbstverständlich wie damals im Luis-de-Funes-Film.
Verständlicherweise rüttelt das den Jugendschutz auf. Jugendschutz.net, ein Fürsorge-Angebot, das von der Bundesregierung mit fürsorglich eingesammelten Steuergroschen finanziert wird, hat jetzt enthüllt, wie ausländische Länder noch immer ohne jedes Unrechtsbewusstsein gegen den strengen deutschen Jugendschutz verstoßen. Laut dpa, einer vielgelesenen staatlichen Nachrichtenagentur, konnten Jugendschützer im vergangenen noch mehr problematische Internetinhalte registrieren als im Vorjahr. Vor allem im Ausland und den so genannten sozialen Netzwerken stieg "die Zahl der Verstöße im Vergleich zu 2009 insgesamt um sieben Prozent auf 2582 beanstandete Angebote", heißt es im Bericht der Netzaufsicht, die in enger Zusammenarbeit mit dem Bundesblogampelamt entstand. Verglichen mit dem Jahr 1966, als es weder Internet noch 68er, aber auch keinen Afghanistan-Einsatz und keine wachsende Unsicherheit über den Ehec-Keim gab, sei das Ausmaß von Jugendschutzvergehen sogar um bis zu 77000 Prozent angestiegen.
In 2.582 jugendschutznetfeindlichen Internetseiten sieht auch Die Anmerkung "eine gigantisch große Zahl, wenn man das mit den bescheiden kleinen Internetangeboten im Ausland vergleicht". Da im Moment nur "läppische 324.697.205 Webseiten gebe, erfülle schon jede 1 257. den Tatbestand der Jugendfeindlichkeit innerhalb der der deutschen Staatsgrenzen. Zahlenmäßig bleibe Pornografie das größte Jugendschutzproblem, allerdings mit rückläufiger Tendenz. Etliche junge Leute interessierten sich nach Abschluss des Kachelmann-Verfahrens offenbar nicht mehr für Sex.
Dagegen gebe es bei Magersucht verherrlichenden Angeboten einen deutlichen Anstieg um 27 Prozent. Hier müsse nachgedacht werden, ob Fernsehsendungen wie "Fetter Loser" oder "Mit Heidi an der Modellrampe" nicht junge, arglose Menschen animierten, ein Leben nach falschen Vorbildern zu führen, was nach deutschem Recht verboten sei. Noch neuer als das auch durch die sich immer weiter verstärkende Armut verbreitete Hungern in Teenagerkreisen seien "Saufforen" und Online-Videos, die Würgespiele zeigten. In den zum Nachahmen animierenden Filmchen strangulierten sich die Akteure bis zur Ohnmacht, teilte jugendschutz.net allen mit, die noch nichts von dem Phänomen gehört hatten. In diesem Zusammenhang kritisierte die Organisation auch die Presse, deren Berichte häufig detaillierte Beschreibungen von Würgespielen enthielten und dem Zeitvertreib eine große Publizität verschafften. Bilder und Videos von Saufgelagen, Anleitungen zu Trinkspielen oder zum Bau von "Saufmaschinen" betonten den angeblichen Spaßfaktor exzessiven Alkoholkonsums und führten zur Verharmlosung, Hinweise von Jugendschutz.net hingegen führten in der Regel dazu, das junge Menschen, die sie läsen, mit dem Bau ihrer Saufmaschinen aufhörten, von Gelagen Abstand nähmen und Trinkspiele ablehnten.
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