Das Nadar Ensemble unter Daan Janssens (c) Philippe Stirnweiss
Das 30. Konzert des Festival Musica fügte sich nahtlos an die Nr. 28 an, in welchem einen Tag zuvor schon ausschließlich die Jugend zu ihrem Recht kam. Das „Internationale Musikinstitut Darmstadt“ präsentierte mit dem blutjungen „Nadar Ensemble“ unter der Leitung von Daan Janssens, der auch als Komponist vertreten war, drei Komponisten und – endlich – auch eine Komponistin mit Werken aus jüngster Zeit. Es ist nach wie vor kaum zu glauben, dass unter den zeitgenössischen Komponisten Frauen nach wie vor eine Ausnahmeerscheinung darstellen. Beim Festivals Musica, das hier als durchaus repräsentativ herangezogen werden und mit den anderen europäischen Festival verglichen werden kann und bei dem insgesamt Werke von 65 Komponisten gespielt wurden, fand sich eine einzige Frau, nämlich Malin Bång. Dass Komponisten in der Historie die Vormachtstellung hatten braucht nicht weiter ausgeführt zu werden, dass es aber auch heute offenkundig den Frauen nicht gelingt, zahlenmäßig auch nur annäherungsweise an die Phalanx der Männer heranzutreten, ist schwer erklärbar.
Daan Janssens „en paysage de nuit“ präsentierte sich gleich zu Beginn als sehr stimmiges und schönes Stück, das mit ganz wenigem, aber umso gezielterem Toneinsatz auskommt. Eine Viola d´amore fügt sich mit ihrem weichen Ton herrlich in die übrige Klangkulisse, in welcher Instrument für Instrument seinen Einsatz nahtlos vom anderen davor übernimmt. Selten schwebt die zeitgenössische Musik in so herrlichem, klaren Zaubergewande daher wie in diesem leisen, beschaulichen Werk, das man gerne öfter hören möchte. Meisterlich vom Komponisten selbst dirigiert, hätte der Schluss auch als Auftakt aufgefasst werden können – dem nichts als eine schöne, lange Stille folgte.
Malin Bång, die 1974 geborene Schwedin, zeigte im Gegensatz zum Belgier Janssens eine völlig andere Herangehensweise. Ihr „turbid motion“ war im wahrsten Sinne des Wortes ein turbogeladenes Werk. Neben einigen Streichern und Bläsern waren auch zwei Percussionisten zugange, die mit Lautsprechern ausgestattet, wechselweise ihre meist lautstarken Parts in diese performten. Die Saiten des Klavieres wurden gestreichelt, jene der Stimmen und der Instrumente elektronisch verfremdet und zwischen schwelender Unruhe und angstvoller Hetze entwickelte sich ein Klangbild, dem man am besten mit geschlossenen Augen lauschte. Denn da war in keiner Weise mehr klar, welches Instrument und welche Stimme welchen Klang erzeugte. Eine großstädtische Geräuschimpression, deren Stärke in der Neuartigkeit der erzeugten Klangkombinationen lag.
Das 22minütige Werk „in hyper intervals“ des Deutschen Johannes Kreidler war nicht nur anspruchsvoll, was den kompositorischen Aufbau betraf. Ganz kurze, klangliche Fragmente aus dem Pop-Segment, elektronisch eingespielt, wurden von Liveinstrumenten überlagert, aber auch wiederum freigegeben. 22 Minuten lang standen musikalisches Experiment und musikalischer Kommerz in einer sich ergänzenden Kakophonie gegenüber. Der Zufall schien oftmals Regie zu führen und dennoch war der Dirigent am Pult vollauf damit beschäftigt, exakte Einsätze für das Ensemble vorzugeben. Ein interessantes Phänomen, dass die Frage nach dem Metrum auch in Werken wie diesem an oberster Stelle stehen. Kreidler, der auch Philosophie studierte, beschäftigt sich gerade auch in diesem Werk mit Metafragen, wie der Copyrightproblematik und jener der Freiheit in der Kunst. Vielleicht kommt Kreidler bei einer Überarbeitung zum Schluss, dass es nicht die Längen sind, die das Werk tatsächlich spannend machen.
Zum Abschluss des Konzertes erklang „Fremdkörper“ von Stefan Prins. Das Schlagwerk, die Gitarre, das Cello und die Flöte waren alle samt und sonders an einzelne Lautsprecher angedockt, zusätzlich wurde mit Elektronik der Klang weiter verfremdet. Es entstand dadurch ein derart dichter Klangnebel, dass man die einzelnen Stimmen nicht mehr voneinander unterscheiden konnte. Wie ein vielfältiges Grundrauschen strömten die Töne durch den Raum und bestimmten die Komposition.