Kiel
Warum Odette? Wieso verfällt Swann, der Charmeur und Eroberer ausgerechnet einer Frau die er zu Beginn nicht einmal besonders attraktiv fand? Das Verlangen, das Besitzen wollen ergriff ihn in dem Moment, in dem er sie einmal nicht im Salon der Verdurins vorfand. Sie, die immer verfügbar war, in Form von Präsenz, war bereits gegangen.
Swann, in fiebernder Leidenschaft jagt durch die Stadt und durchkämmt gemeinsam mit dem Kutscher alle Cafes, “ als suche er unter den Schatten des Totenreiches nach Eurydike. Er will sie finden, er wird sie finden und noch in der Kutsche wird es zu ersten Berührungen kommen. Er gibt vor die Cattleyablüten in ihrem Ausschnitt ordnen zu wollen. Und so werden sie wie die Sonate von Vinteuil, ebenfalls zum Inventar dieser Beziehung. Man spielt Cattleya.
Proust, beschreibt im Prinzip, die Bereitschaft zum Verlieben zu Leidenschaft, die uns manchmal erfasst, die Bereitschaft zum „Sturm einer großen Erregung.“ Dann fällt das Los unweigerlich auf die Person, mit der wir im Augenblick gerade gern zusammen sind, und auf einmal lieben wir sie.“
Für Swann war die „unzerstörbare Spur der Dürre seines Lebens“ unerträglich geworden, durch die Liebe zu Odette fühlt er sich verwandelt, zum Leben erweckt. Er fühlt wieder die „Inspiriertheit seiner Jugend“, damals glaubte er Künstler zu sein, nur ist es jetzt an eine Person gebunden. Bisher ist es das was Proust für mich so zeitlos macht oder auch warum er trotz dieser dekadenten Salongeschichten nicht langweilig wird. Er geht in die Tiefe der menschlichen Psyche, ebenso genau als wenn er „einen Regentropfen beim Fallen zusieht“.
Kühlerer Tag, wolkenverhangen, ereignislos.
Schaut auf jeden Fall mal in Jochen Schmidts Buch: Schmidt liest Proust rein. Seine Zusammenfassungen der täglich gelesenen zwanzig Seiten, sind umfassend und witzig und klug.
