Dem Verlag Bastei Lübbe kommt das unbedingt zu erwähnende Verdienst zu, mit der Publikation einer deutschen Übersetzung dieses Buches weit über den bundesdeutschen, europäischen oder US-amerikanischen Tellerrand zu blicken. Und dadurch sogenannte weiße Flecken mit Inhalt und Leben zu füllen. Wohltuend ist nicht zuletzt, daß in diesem Buch nicht pauschal von Afrika und Afrikanern die Rede ist - wie hierzulande leider meist noch allgemein üblich, sondern von konkreten Nationalstaaten, Ethnien und Menschen mit eigener Individualität. Ja, man muß dem englischen Autor auch dies bescheinigen: Seine Geschichte und seine Figuren atmen Authentizität, verweigern sich neokolonialen Klischees und eurozentrischer Weltsicht.
Wohltuend ist nicht zuletzt dies: Morde am laufenden Band kommen hier nicht vor - ganz im Gegensatz zu den "Fließband-Krimis von Stange" aus bundesdeutscher Feder, egal ob gedruckt oder als "TV-Format"... Sondern es handelt sich Fälle aus dem ganz alltäglichen Leben unterschiedlichster sozialer Gruppen.
Und schon der erste Absatz ist Spitze, wie hier in prägnanten Formulierungen die Heldin, ihr "Business" und ihr Milieu beschrieben werden. Allein schon diese Zeilen machen neugierig, laden zum Weiterlesen ein und künden vom Talent von Autor und Übersetzerin.
Mma Ramotswe betrieb in Afrika eine Privatdetektei, am Fuße des Kgale Hill. Das Inventar bestand aus: einem kleinen weißen Lieferwagen, zwei Schreibtischen, zwei Stühlen, einem Telefon und einer alten Schreibmaschine. Dann gab es einen Teekessel, in der Mma Ramotswe - die einzige Privatdetektivin in Botswana - Rotbuschtee zubereitete. Und drei Tassen - eine für sie selbst, eine für ihre Sekretärin und eine für ihre Kundschaft. Was brauchte eine Privatdetektei mehr? Privatdetekteien leben von menschlicher Intution und Intelligenz, über die Mma Ramotswe reichlich verfügte. Natürlich tauchten diese Eigenschaften auf keiner Inventarliste auf. (S. 7)
Es folgt ein Blick aus der Tür auf die Umgebung, wie er poetischer und zutreffender nicht beschrieben werden kann. Auf S. 9 heißt es über die Protagonistin und ihr Heimatland:
Alles, so dachte Mma Ramotswe, war irgendwann etwas anderes gewesen. Hier bin ich die einzige Privatdetektivin in ganz Botswana, und sitze vor meiner eigenen Privatdetektei. Aber es ist nur wenige Jahre her, da gab es noch keine Privatdetektei, und davor gab es hier noch nicht einmal irgendwelche Gebäude, hier standen nur Akazien, und ein Stück entfernt war das Flußbett und dahinter die Kalahari, und alles ganz nahe. Damals gab es noch nicht einmal ein Botswana, nur das [britische; SRK] Protektorat Betschwanaland. (...) Aber sieh es dir jetzt mal an: eine Privatdetektei, hier in Gaborone, und ich, die dicke Detektivin, sitze draußen davor. (...) Mma Ramotswe gründete die 'No. 1 Ladies' Detective Agency' mit dem Einnahmen aus dem Verkauf der Rinder ihres Vaters...
Die das Erbe der einzigen Tochter des früheren Grubenarbeiters bildeten.
Es folgt eine Lebensbeschreibung der Mittdreißigerin und ihrer Familie - verbunden mit etwas Unterricht über die britische Kolonialherrschaft und die neuerrungene staatliche Unabhängigkeit im Süden Afrikas - und wie es zu ihrer doch recht ungewöhnlichen Berufswahl gekommen ist. Tja, und da sitzt nun in den 1990er Jahre die erste Detektivin Botswanas und wartet voller Optimismus und Idealismus auf Klienten. Doch die wollen sich lange, lange nicht einstellen und alles deutet auf ein baldiges Ende des Unternehmens hin.
Aber kurz vor ultimo gibt es dann doch endlich erste Kundschaft; eine Frau, die auf der Suche nach ihrem verschollenen Mann ist. Mma kann den Fall rechts schnell und dazu erfolgreich lösen. Der Mann ist nicht etwa mit einer jüngeren Geliebten durchgebrannt, sondern wurde schlicht und ergreifend das Opfer eines Krokodils. Es ist köstlich zu lesen, wie Mma Ramotswe zu des Rätsels Lösung vorstößt und wie sie das Krokodil stellt, es erschießt, aufschlitzt und in dessen Magen noch unverdaute metallische Habseligkeiten des Mannes findet. Dieser erste Fall macht Mma Ramotswe bekannt und gibt dem Buch auch seinen Titel.
Nun strömt zwar die Kundschaft immer noch nicht in Massen in diese Detektei, doch es kommen genügend Aufträge herein, um Mma Ramotswe und ihre Sekretärin gerade so über Wasser zu erhalten.
In den weiteren Fällen geht es um grenzüberschreitenden Betrug zwei Kenianer; die Zwillingsbrüder praktizieren sich wochenweise abwechselnd in Botswana und Südafrika als Arzt, wobei der eine gar kein Mediziner ist. Dann gibt es noch den Versicherungsbetrug eines arbeitsscheuen Mechanikers oder die Überwachung der Tochter eines reichen indischen Unternehmers. Dieser sittenstrenge Mann vermutet, daß sein Töchterchen sich nach der Schule mit einem Jungen trifft. Und schließlich geht es noch um schwarze Magie und einen verschwundenen elfjährigen Jungen.
Immer ist Mma Ramotswe mit ihrem kleinen und altersschwachen weißen Lieferwagen unterwegs. Dabei erlebt sie etliche Abenteuer der besonderen Art, wie etwa die Begegnung mit einer Giftschlange in ihrem Auto. Natürlich kann sie alle Aufträge erfolgreich lösen; was besonders für das Wiederauffinden und die Rettung des Elfjährigen gilt.
Sie begegnet vielen Menschen unterschiedlichster Herkunft und sozialer Stellung. Diese vielen Nebenfiguren werden vom Autor - ebenso wie seine Protagonistin - mit subtiler Menschenkenntnis gezeichnet. Natürlich kommen in der Erzählweise auch ein gutes Stück Witz und viel Humor vor. Und nicht zuletzt müssen hier auch die wunderschönen, poetischen - aber keinesfalls idyllisierenden - Landschaftsbeschreibungen erwähnt werden, die zusammen mit der Handlung diese Detektivgeschichte zu einem wirklichen Lesevergnügen machen.
Ach ja, und da ist auch noch die rührende Beziehung-Nichtbeziehung zwischen Mma Ramotswe und Mr. J.L.B. Matekoni, dem Besitzer von 'Tlokweng Road Speedy Motors', einer (kleinen) Autoreparaturwerkstatt. Der zehn Jahre ältere Witwer und langjährige Freund der Familie himmelt Mma an, und unterstützt sie voller Hilfsbereitschaft jederzeit (was angesichts des berühmten weißen Liederwagens von ganz besonderer Wichtigkeit ist) und macht Mma fortwährend Heiratsanträge. Wird die resolute (und ehegeschädigte) Mma aber darauf eingehen?
Leider ist dieses wundervolle Buch, der Auftakt zu einer ganzen Reihe über Mma Ramotswe, dem Rezensenten erst durch Zufall und mehr als zehn Jahre nach Veröffentlichung in die Hände gefallen. Spät zwar, aber keinesfalls zu spät.
Siegfried R. KrebsAlexander McCall Smith: Ein Krokodil für Mma Ramotswe. Kriminalroman. 3. Aufl. A.d.Engl.v. Gerda Bean. 274. S. Paperback. Bastei Lübbe. Bergisch Gladbach 2004. 7,90 Euro. ISBN 3-404-14918-1
Erstveröffentlichung Freigeist Weimar
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