Vor ein paar Tagen kam Henry Ngairo, der fleißige Leiter der Schusterei, zu uns und bat mit ziemlich traurigem Gesicht um einen Kredit von 600.000 Schilling (300 Euro). Sein Kind leide an einem Herzfehler und da sei die Behandlung nur in Dar es-Salaam möglich. Zurückzahlen will er den Kredit im Laufe eines Jahres in Monatsraten von 50.000 Schilling – keine leichte Sache bei einem Monatseinkommen von 120.000. Br.Petro beruhigt mich: “Er baut auch Mais an, und wenn er den gut verkaufen kann, ist der Kredit schnell zurückgezahlt.” Das Kind – sein drittes – ist drei Jahre alt und heißt nach dem Vater Henry. Ich bin überrascht und froh, dass der Vater anscheinend alles für die Gesundheit des Kindes tun will, denn bisher dachte ich, dass Kinder in der hiesigen Kultur nicht viel zählen. Altabt Lambert mit seinen über 50 Jahren Erfahrung im Land meint zu mir: “Wenn es eine Chance gibt, das Kind zu retten, dann nehmen die Eltern sehr viel auf sich. Früher war es so, dass es keine Krankenhäuser gab, und so nahm man es eben schicksalsergeben hin, wenn ein Kind krank wurde oder starb.” Morgen jedenfalls fährt die Mutter mit dem Kind nach Dar ins Krankenhaus, Petro und ich denken schon über eine Lohnerhöhung nach, um dem Vater bei der Finanzierung der Behandlung zu helfen.
Eine andere Antwort auf die gräßliche Frage, “Was ist das Leben eines Kindes wert ?” erhielt ich vor drei Wochen, auf der Rückfahrt von Dar es-Salaam, von Fahrer Romuald Mbawala: „Hier war es. Das Kind kam von links.“ Er meint natürlich den Unfall, als er Martin zum Flughafen bringen sollte, siehe den entsprechenden Artikel vom Februar. Ich sage: „Martin hat mir sofort gesagt, dass du keine Schuld hattest.“ Er: „Das hat sogar der Vater des Kindes gesagt; die Schuld lag beim Kind. Ich bin hinter einem Lastwagen hergefahren, deshalb konnte ich es nicht sehen, als es plötzlich auf die Straße lief.“ Dem Vater hatte er 250.000 Shilling als „Entschuldigung“ gegeben. Und dann war er wegen „Careless driving“ zu einer Geldstrafe von 600.000 Shilling verurteilt worden. „Rücksichtslose Fahrweise“ – ausgerechnet Romuald, dessen Fahrweise alle als das genaue Gegenteil von rücksichtslos kennen ! Der ehrliche Mann hat sich angesichts des ungerechten Urteils so geschämt, dass er lieber seine Kuh verkauft hat (der Preis dürfte ebenfalls bei gut 600.000 Schilling liegen), als die Abtei zu bitten, die Strafe zu bezahlen. Mal wieder typisch: Die Großen (Staatsanwalt und Richter) urteilen ungerecht, womöglich unterschlagen sie sogar einen Teil der Strafe, die Kleinen halten’s Maul. Immerhin: Inzwischen hat er sein Geld zurückbekommen.
Die Bilder oben zeigen ein Kind, das ich bei der Fronleichnamsprozession aufgenommen habe, und einen Unfall, den wir im Mai gesehen haben.
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Autor des Artikels : rsk6400
Zum Original-ArtikelErlebnisse eines deutschen Mönchs im Alltag auf Kuba.