Wir wird ganz gern öfter mal in Kleinwagen übel – sofern ich es tatsächlich wage, mich in ein Fahrzeug zu setzen, in dem Fahrer und Beifahrer sich und damit den ständigen Körperkontakt mögen müssen. Gestern aber ließ ich mich freiwillig darauf ein, sogar voller Erwartung auf das, was da kommen möge. So saß ich nun, irgendwo auf Randsteinhöhe, neben einem Fahrer, dessen Berufsbezeichnung Testingenieur lautet. Das Auto war eines der Einsteigermodelle eines italienischen Herstellers, hatte aber dennoch die doppelte Zylinderzahl sowie dreifache nominale Leistung im Vergleich mit mein ebenfalls italienischem, auch nicht gerade schwachbrüstigen, biturbodieselndem Gebrauchsgroßfahrzeug. Die Preise zu vergleichen erspare ich mir, ich müsste dafür eher mein Einfamilienhaus als mein Auto in die Waagschale werfen.
Nun wird von mir sicher auch eine Beschreibung meines Eindrucks erwartet, den das springende Ross auf mich gemacht hat. Der Einstieg gelingt gut, man muss sich einfach nur in den Schalensitz gleiten lassen, der einen aufnimmt wie ein Ei das Küken. Passt und ist erstaunlich bequem. Türe zu, Dach auf und „Engine start“ gedrückt. Das Tier erwacht und schnaubt. Einen U-Turn später wird mir klar, warum Menschen so gern Achterbahn fahren: Weil sie sich keinen Ferrari leisten können! Wir cruisen durch den Ort (mein Pilot fährt hier tagtäglich mehrfach und will sich nicht noch unbeliebter bei der Bevölkerung mit Ausnahme des Tankwarts machen), am Ortsschild aber wird das Gaspedal kurz angetippt. 3.000 Umdrehungen, gut 100 km/h, ein Wimpernschlag. Kurven? Ja, jede Menge! Mit meinem Auto sind sie alle mit, sagen wir mutig, 80 km/h zu packen, das Tier wieselt ungerührt doppelt su schnell durch. Problemlos. Locker.
Ich bin erstaunlich entspannt, der Golf GTI hinter uns weniger. Er klebt dran, allerdings beide Hände am Lenkrad, während mein Testfahrer plaudernd den Arm aus dem Fenster hängen lässt und gleichzeitig das Infotainmentcenter bedient. Das testet der Fachmann nämlich unter allen denk- und undenkbaren Bedingungen und deshalb fährt er auch dieses Auto. Natürlich nicht aus Spaß, versteht sich! Eine Kurve später vor uns einige Fahrzeuge, ein LKW. Mein Pilot lässt die Keramikbremsen kurz kontakten, der GTI-Held hinter uns wird sehr hektisch und hält von nun an weit mehr als den vorgeschriebenen Abstand ein.
Ein Vorurteil lege ich auf dieser rund einstündigen Ausfahrt ab: Ferrarifahrer rasen mit 8.000 Umdrehungen durch die Gegend. Tun sie nicht. Es hört sich wirklich nur so an! Tritt mein Fahrer aufs Gas, kommt es auf die gewählte Abstimmung an, ob das Tier brüllt, faucht oder säuselt. Wählt man die Brülleinstellung, darf man sich auch an diesem typischen Spotzen erfreuen, das bei jedem Schaltvorgang dem Hintermann via Auspuff die Getriebeteile anzubieten scheint. Ja, meint mein Nebenmann, Getriebeschäden seien in der Tag Alltag bei Autos dieser Klasse. Scheinbar sind die Anschaffungs-, Versicherungs-, Tank- und Reifenkosten für das Pferdchen nur die halbe Rechnung.
Ein Tunnel muss natürlich sein, um den Ferrarifahrer zum Grinsen und alle Mittunnelisten zum Lauschen zu bringen. Abstand halten, Gas geben, vom Gas gehen… Ja, das macht Spaß, ich muss es zugeben, auch wenn dieses Auto alles andere als politisch korrekt ist (trotz grüner Plakette). auch der Ausflug auf die Autobahn ist lustig, vor allem die Gesichter der anderen Verkehrsteilnehmer. Sie können und wollen einfach nicht glauben, dass wir eben nicht drängeln, nicht rechts überholen, nicht Zweihundertirgendwas fahren – immerhin sind laut eindeutiger Beschilderung 120 angesagt! Was den Passatfahrer nicht abhält, seinen Tiger im Tank vorzuführen. Wir grinsen und lassen ihn ziehen. Sein Erfolgserlebnis hat er, aber ob er es so wollte? Es beginnt zu tröpfeln, das Dach muss zu wegen der offen im Fahrzeug liegenden Elektronik. Es ist nun einmal ein Testwagen, kein Spielzeug. Zurück auf dem Firmenparkplatz werfe ich einen Blick in den Kofferraum. Erträglich groß ist er, allerdings unerträglich beheizt. Man sollte keine Einkäufe darin transportieren. Aber dafür gibt es ja auch Lastesel wie meinen Van. Dieses Pferdchen will nur eines: Toben.
Ach ja, manchmal liebe ich meinen Job!