Porträt eines Weltreisenden, dessen Sehnsucht sein Kompass ist

Warum ich den Reiseschriftsteller Andreas Altmann schätze, wir die gleiche Sehnsucht teilen & was ich von ihm gelernt habe

Andreas-Altmanncc*Der folgende Text ist mein eigener Beitrag zu meiner ausgerufenen Blog-Geburtstags-Party zum Thema “Reisende, die prägen”, die am 26.5. gestartet ist.*

Ich bin ein Schisser. Nicht immer. Aber oft. Noch zu oft. Deshalb interessiert mich nichts mehr, als Geschichten von Menschen, die ihre Ängste überwunden haben und aus miesen Bedingungen Gold gegraben haben. Als Motivation, als Push für mich, meinen Ängsten schrittchenweise mehr ins Auge zu schauen. „Wenn der das schafft, dann schaff ich das auch.“

Und einer ist darin besonders gut, und ich habe ihn studiert, seine Bücher aufgesogen, seinen Auftritten bei Lesungen gelauscht – und ihn vor ein paar Jahren sogar einmal für ein Interview ans Mikrofon bekommen: Andreas Altmann.

Der aus dem bayerischen Altötting stammende und in Paris lebende Altmann ist einer der erfolgreichsten Reiseschriftsteller Deutschlands. Ein Weltreisender, ein Weitgereister. Einer, der viel gesehen hat, viel erlebt hat – und etwas zu erzählen hat. Seine Autobiographie über seine „beschissene“ Kindheit in Altötting war ein richtiger Bestseller. Ein schockierendes wie anrührendes Buch über jemanden, der für seine Träume kämpfen musste und es geschafft hat. Davongekommen, sagt er selbst dazu.

Bei Lesungen wirft er ohne lange zu fackeln gleich die ersten Sätze in den Raum, unterstrichen von einer lebhaften Gestik. Erkenntnisse, die er auf seinen jahrzehntelangen Reisen durch über 100 Länder gesammelt und erfahren hat, und nun an das Publikum gibt.

Es geht im Leben darum, 11 mal auf die Schnauze zu fallen und 12 mal wieder aufzustehen.“

„Es geht im Leben darum, 11 mal auf die Schnauze zu fallen und 12 mal wieder aufzustehen.“ Jeder andere könnte mir diesen Satz vielleicht auch sagen. Aus seinem Mund aber klingt er überzeugend für mich. Wer sich mit dem Leben und der Person Altmann beschäftigt hat, weiß, wie hart sein Weg war. Ich bin aufmerksam, mitgerissen, spitze die Ohren. Hier erzählt einer vom Leben. Packend, nahegehend, authentisch. Von größtem Leid einerseits und den größten Abenteuern und Wundern dieser Welt andererseits. „Dies beschissen schöne Leben“, heißt ein anderes seiner Bücher passenderweise. Ja, Andreas Altmann kennt beides. Er selbst sagte mir dazu: „Hätte ich nicht diese Kindheit gehabt, ich hätte vielleicht nie die Welt umrundet.“

DSC03258Eine der größten Leistungen Altmann ist es, seine eigene Geschichte aufgeschrieben zu haben, ohne dabei in irgendeine Form von Selbstmitleid oder Schuldzuweisung zu verfallen – dabei hätte man es ihm nicht mal übel nehmen können. Vom Vater, der selbst durch den Krieg innerlich zerstört war, wurde er geschlagen und gedemütigt. Von der Mutter bei der Geburt beinahe erstickt, weil sie „nicht noch einen Schwanz“, nicht noch einen Mann ertragen konnte und sich ein Mädchen gewünscht hatte.

Andreas Altmann hat lange gerungen mit sich und der Welt. Jahrelang war er auf der Suche, hat etliche Jobs angefangen und wieder aufgehört, ist viel gereist, ehe er irgendwann, wie ein kleines Wunder, seinen Platz in der Welt gefunden hat. In einem Moment kam es im plötzlich gestochen scharf in den Sinn, seine Aufgabe, seine Passion: „Die Welt bereisen und darüber schreiben“.

Es ist berührend und beeindruckend, dieses Leben Altmanns in seiner Autobiografie nachverfolgen zu können. All die Irrwege, Sackgassen, Niederlagen, und doch hat sich dieser Mann nie aufgegeben. Selten habe ich ein so offenes Buch über das Leben gelesen, so ehrlich, so nah, so beschissen schön, so schön beschissen.

Es ist ein Mutmacher für mich, für jeden Suchenden, dranzubleiben, nicht aufzugeben. Zu verstehen, dass auf die Schnauze fallen dazugehört. Zu verstehen, dass wir uns oftmals viel zu wichtig nehmen und gleichzeitig manchmal nicht wichtig genug. Immer wieder dafür zu kämpfen, dass dieses Leben lebenswert wird. Dass es bei allem Leid auch „Swing“ hat, wie Altmann es nennt. Pepp, Intensität, Nähe, Fülle. Und diesen Swing sucht und findet Altmann vor allem in den Erdbewohnern, die er auf seinen Reisen aufsucht und denen er begegnet. Wie er ihnen ihre Geschichten entlockt und sie aufschreibt und beobachtet, ist meisterhaft. „Was interessiert den Mensch mehr als der Mensch?“, hat er einmal gesagt. Recht hat er, denke ich oft.

Was interessiert den Mensch mehr als der Mensch?“

Nicht, dass ich die Natur nicht schätzen würde. Besonders auf dem Küstenweg, der ein Bilderbuch an Natureindrücken ist. Gewaltig, beeindruckend, mitunter fast zu gut, um wahr zu sein. Nein, ich brauche sie sogar, die Natur. Ihre angenehme Stille und Wachheit, ihre nicht-bewertende Art und Präsenz. Doch genauso brauche ich den Austausch mit einem Mitmenschen zuweilen. Wie etwas zu essen, wie Luft, so ist es mir tiefes Bedürfnis, Grundbedürfnis, zuweilen ein Stück Menschlichkeit zu erfahren. Einen Moment der Verbindung, um zu merken, erinnert zu werden: Ja, du bist nicht allein. Den anderen geht es ähnlich. Du gehörst dazu.

Und immer wieder waren es die persönlichen Begegnungen auf dem Jakobsweg, die mich erfüllt, überrascht, fasziniert und geprägt haben. In dieser Hinsicht bietet dieser alte Pilgerweg ein Potenzial, das seinesgleichen sucht. Manche sprechen auch von Magie.

Einen lieben Dank, lieber Andreas, an dieser Stelle, für deine Geschichten. Deine Offenheit, dein Mut, deine Sehnsucht, deine Wut und dein Lebenswille haben mich ein ums andere Mal inspiriert, ermuntert, wachgerüttelt, provoziert, bewegt, erheitert und gestärkt.

AAundIcheditedagainIch will nicht sagen, dass ich ohne diesen Mann nicht die Liebe zum Reisen entdeckt hätte. Aber er war sicher eine Antriebsfeder, meine eigenen Ängste zu überwinden und mich zu trauen, alleine raus in die Welt zu gehen.  Wir teilen wohl die gleiche Sehnsucht. Daher habe ich auch das Interview, das ich vor ein paar Jahren mit ihm in Düsseldorf machen durfte – und wovon unser gemeinsames Foto stammt, was du da siehst – als eine sehr schöne Erinnerung abgespeichert. Damals war ich selbst noch weit, weit davon entfernt, einmal alleine zu reisen. Hättest du mir da gesagt, was bis heute alles passieren würde, hätte ich vermutlich ungläubig gelacht. Die Sehnsucht aber war schon damals da.

Doch zurück zum Interview: Natürlich war ich aufgeregt gewesen wie früher vor Weihnachten. Als wir uns nach Interview, Lesung und gemeinsamer Rückfahrt mit dem Taxi zum Bahnhof dort voneinander verabschiedeten, passierte dies mit einer spontanen Umarmung. Das macht auch nicht jeder. Doch es passte. Als hätte er gespürt, was dies für mich bedeutete.

Neben seinem nachklingenden „Triffst du Buddha, töte ihn!“-Buch (über ein 10-tägiges Meditationsretreat), kann ich besonders seine Autobiographie „Das Scheißleben meines Vaters, das Scheißleben meiner Mutter und meine eigene Scheißjugend“ wärmstens empfehlen. Warum? Weil ich erstens wie gesagt selten jemanden erlebt habe, der derart offen und aufgeräumt über solch eine „Scheißzeit“, wie Altmann sie lange hatte, schreibt und redet. Und weil ich zweitens wenige Menschen kenne, die aus solch miesen Anfangsbedingungen ein derart reiches, intensives Leben aufgebaut haben. Eines der besten Bücher über Persönlichkeitsentwicklung, das ich kenne. Allerdings nichts für Zartbesaitete, denn Altmanns Geschichte ist keine Gute-Nacht-Geschichte. Eher eine Wach-Auf-Geschichte.

Auf dem Jakobsweg war Altmann übrigens noch nicht unterwegs. Was er aber gemacht hat, war eine 34 tägige Pilger-Fußreise von Paris nach Berlin zu unternehmen. Ohne Geld, denn das wäre ihm sonst wohl etwas zu langweilig geworden. Manch einer braucht es halt was extremer.

Und nun du!

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Foto oben: Andreas Altmann unter creative commons CC-BY-SA-4.0.


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