Österreichs Polizei hat ein Rassismus-Problem. Zu diesem Schluss kommt der aktuelle Rassismus-Report des Wiener Antirassismusvereins ZARA. Der Report dokumentiert dutzende Fälle, in denen die Polizei Rassismus-Opfer nicht schützte oder Beamte selbst rassistische Handlungen wie “ethnic profiling” setzten.
15 Jahre und kein Grund zu feiern. Unter diesen Titel könnte man die “Jubiläumsausgabe” des jährlichen Rassismusberichts der Wiener Organisation ZARA setzen. 731 einschlägige Vorfälle haben die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für das Jahr 2013 dokumentiert. Das macht im Schnitt zwei Vorfälle pro Tag. Von der Beschimpfung über Hasstiraden auf Seiten von FPÖ-Bezirksorganisationen bis hin zur körperlichen Gewalt.
Besonderes Augenmerk legt ZARA diesmal auf die Polizei. Acht Prozent der dokumentierten Vorfälle betreffen die Exekutive, sagt ZARA-Sprecherin Claudia Schäfer. Macht um die 60 Fälle, die die gesamte Bandbreite zwischen Überforderung und eigenen Vorurteilen von Polizistinnen und Polizisten abdecken.
Afrikanerinnen unschuldig stundenlang festgehalten
Das zeigt ein Beispiel aus Wien deutlich: Die Polizei nimmt zwei afrikanischsstämmige Frauen vor den Augen ihrer Kinder fest. Ein Unbekannter hatte die beiden wegen Diebstahls angezeigt. Diebesgut wurde bei den Betroffenen keines gefunden. Für die Polizei kein Grund, sie nicht zu fotografieren, ihre Fingerabdrücke zu nehmen und sie sieben Stunden auf der Polizeistation festzuhalten.
“Es besteht der begründete Verdacht, dass Frau D.s und Frau E.s Herkunft, Sprache und ‘ausländisches’ Aussehen das Vorgehen der BeamtInnen negativ beeinflusst haben und in ähnlichen Situationen anders und dem Einsatzgrund angemessener vorgegangen worden wäre”, kommentiert ZARA den Fall. Ethnic profiling nennt man das in der Fachsprache. In Österreich ist das nicht zulässig. Eine Beschwerde ist eingebracht worden.
Ausweiskontrolle nur bei Migranten
In einem anderen Fall kontrollieren Polizisten am Wiener Westbahnhof von allen Passagieren, die einen Zug verlassen, ausschließlich einen Pakistani. Ein Vorgehen, das keinesfalls vereinzelt vorkommt. Ähnlich geht es einem Senegalesen mitten in einer stark frequentierten Fußgängerzone in Wien. Als er bei den Polizisten nachfragt, was los sei, bekommt er zu hören, man sei hier nicht in Afrika. Und bekommt Wochen noch eine Verwaltungssprache wegen Lärmerregung aufgebrummt.
Polizist hat “nur seine Pflicht erfüllt”
Dass dieses Ereignisse eher nicht als isoliert zu sehen sind, zeigt ein Vorfall aus Oberösterreich. In ihrem Kalender warnt die ÖVP-Teilorganisation Seniorenbund vor dem so genannten Enkel/Neffen-Trick, einer beliebten Betrugsmasche. In dem Text, den ein Polizist verfasst hat, wird behauptet, die Betrüger seien fast ausschließlich Roma und dass “diese Volksgruppe sehr skrupellos handelt und ihre Opfer oft bis zur wirtschaftlichen Vernichtung ihrer Existenz ausbeutet.”
Nach einem öffentlichen Aufschrei entschuldigen sich Seniorenbund und die oberösterreichische Landespolizeidirektion. Für den Autor des Texts bleibt der Vorfall ohne Konsequenzen. Die Staatsanwaltschaft stellt Ermittlungen wegen Verhetzungen ein. Der Polizist habe nur “seine Erfahrungen aus der Praxis” in den Text einfließen lassen und seine Pflicht, die Bevölkerung zu warnen, erfüllt, heißt es in der Begründung.
Ebenso keine Konsequenzen muss ein Polizist fürchten, der im Dienst einen Mauretanier auf offener Straße rassistisch beschimpft. Seine Kollegen auf der nächsten Polizeistation weigern sich, die Anzeige aufzunehmen.
ZARA sieht Gefahr für den Rechtsstaat
“Wenn derartig vorurteilsgeladene Begründungen von den Institutionen ausgehen, die eigentlich dazu da sein sollten, für Gerechtigkeit zu sorgen und Ungleichbehandlungen entgegenzuwirken, wundern wir uns nicht, wenn zum einen solche Vorurteile weit verbreitet sind und sich zum anderen ein begründetes Misstrauen gegenüber diesen Organen und Institutionen aufbaut”, formuliert ZARA-Sprecherin Claudia Schäfer.
Ähnlich sieht es Dina Malandi, Opferberaterin des Vereins: “Viele Menschen haben dadurch auch den Eindruck, dass es keinen Sinn macht bzw. zu keinen Veränderungen führt, wenn sie versuchen, sich gegen diskriminierendes Handeln zu wehren. Es bestehen oft auch Befürchtungen, rechtliche Schritte oder Beschwerden könnten zu weiteren Nachteilen für die Betroffenen führen. Es ist seitens der zuständigen Behörden und Einrichtungen unbedingt erforderlich, sich endlich ehrlich, umfassend und effektiv mit struktureller Diskriminierung auseinandersetzen und entsprechende Maßnahmen zu setzen.”
Auf U-Bahn-Gleise gestoßen: Bewährung
Auch das heimische Justizsystem scheint zumindest nicht ausreichend sensibilisiert zu sein. Ein Mann, der eine Afrikanerin nach einem Streit inklusive rassistischer Beschimpfungen vor die U-Bahn-Gleise stößt, erhält lediglich eine bedingte Haftstrafe von zwölf Monaten. Die rassistischen Motive, die strafverschärfend gewirkt hätten, kommen beim Prozess gar nicht erst zur Sprache.
Immer wieder die FPÖ
All diese Vorfälle finden nicht in einem politischen Vakuum statt. Rassistische Beschimpfungen und Hetzreden bis hin zu Gewaltaufrufen sind auf österreichischen Internetseiten nahezu Alltag. Immer wieder tun sich FPÖ-Funktionäre oder der Partei nahe stehende Seiten besonders bei der Verbreitung von Stereotypen hervor.
Zara dokumentiert etwa diesen Fall, der im Bericht unter der Einzfallnummer 29 läuft: “Mitte Oktober findet eine Diskussion auf dem online Kurznachrichtendienst Twitter zum Thema der rassistischen Bezeichnung ‘Mohr im Hemd’ statt. Der Journalist und Geschaftsführer der Initiative M-MEDIA (Verein zur Forderung interkultureller Medienarbeit), Simon Inou, verfasst folgende Textzeile: ‘Othello im Hemd ist sicher nicht, was anzustreben ist.’ Als sich der Leiter der FPÖ-Pressestelle im Parlament, Martin Glier, in die Unterredung einschaltet, beginnt das Gesprächsklima zu kippen. Er schreibt Simon Inou, es ‘stehe ihm frei, in seine Heimat zurückzukehren’, wenn es ihm nicht passe ‘wie wir unsere Süßspeisen nennen’, und ergänzt: ‘…und sich dort um wesentliche Probleme zu kümmern. Ich finde Ihre Aussagen übrigens anmaßend und unverschämt.’ Dieser rassistische Kommentar verursacht bei zahlreichen anderen Twitter-UserInnen einige Empörung. Auch in den Medien wird darüber berichtet.”
Rassismus bis heute salonfähig
Glier ist bis heute im Amt und hat seitdem Simon Inou mehrfach auf Twitter attackiert.
Ein Polizist, der auch Mitglied der FPÖ-Polizeigewerkschaftsfraktion AUF ist, veröffentlicht auf seiner Facebook-Seite eine umgedichtete Version der Bundeshymne, teilweise auch in Anlehnung an Thilo Sarrazin: “Land der Museln, Eurozone – Moschee und Minarett statt Dome, Land der Sozialbetrüger – wir werdn blöder, anstatt klüger – Land der linken Demonstranten, Räuber, Diebe Asylanten – mutig in die neuen Zeiten, Richtung Abgrund wir stolz schreiten, – vielgeprelltes Österreich.”
Der Beamte wird lediglich ein paar Monate lang suspendiert und ist weiter im Dienst.
Auch nach 15 Jahren Aufklärungs- und Dokumentationsarbeit von ZARA scheint noch einiges zu tun. Rassismus ist nach wie vor salonfähig in Österreich.
Christoph Baumgarten
[Erstveröffentlichung: hpd]
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