Polizei: Hemmschwelle vor Gewalteinsatz sinkt

Polizei: Hemmschwelle vor Gewalteinsatz sinktEs ist langsam Zeit, danach zu fragen, weshalb die Hemmschwelle einiger Polizeibeamter, Gewalt einzusetzen, immer weiter sinkt.

Als es Mitte April am Rande einer NPD-Demo dazu kam, dass der Chef der Berliner Versammlungsbehörde, Joachim Haß, Bekanntschaft mit Pfefferspray machen musste, weil ein Kollege ihn für einen “Autonomen” hielt, erheiterte noch.
Obwohl die Frage unbeantwortet blieb, weshalb es denn inzwischen zur Begründung für den Einsatz dieses Reizgases zu genügen scheint, wie ein “Autonomer” auszusehen. Fraglich, ob zum Beispiel der Tagesspiegel auch dann so berichtet hätte:

Als es auf der Lipschitzallee kurzzeitig zu Auseinandersetzungen mit Gegendemonstranten kam, sprühte ein Bereitschaftspolizist unvermittelt einem vermeintlichen Autonomen Pfefferspray ins Gesicht und wollte ihn festnehmen. … Wegen der Pfefferspray-Attacke musste er von Sanitätern behandelt werden.

Nicht mehr erheitern jedoch die Vorkommnisse am 1. Mai in Kreuzberg; selbst dann nicht, wenn es wieder einmal Kollegen “erwischte”:  

Der heftige Einsatz von Pfefferspray am 1. Mai durch die Polizei bekommt ein überraschendes Nachspiel. Denn unter den zahlreichen Menschen, die durch das Reizgas verletzt worden sind, haben sich offenbar auch acht Polizeibeamte befunden.

Auch hier stellt sich die Frage, was Polizisten auszeichnet, dass über Angriffe auf sie gesondert berichtet wird. Die “kollateralen Opfer” der Gas-Attacken sind kaum der Erwähnung wert.

Die Anzahl der Geschädigten war so groß, dass Sanitäter in ihrer unter der Hochbahn eingerichteten Erste-Hilfe-Station mit der Versorgung kaum hinterherkamen. Weit über 100 Menschen seien rund um Mitternacht behandelt worden.

schreibt die TAZ. Und weiter:

Auf der Pressekonferenz am Montag rechtfertigten Körting und Glietsch den Einsatz des Pfeffersprays mit gezielten Angriffen auf Polizisten. Nur dann sei es verwendet worden, sagte der Polizeipräsident. Grundloses Besprühen würde den Tatbestand der Körperverletzung im Amt erfüllen. Ihm sei keine Strafanzeige von Betroffenen bekannt.

Da sollten sich der Innensenator und sein Polizeipräsident wohl doch besser informieren, ehe sie pressekonferenzen…

Worum es mir geht ist jedoch einen ganz andere Frage: Woher kommt es, dass die Hemmschwelle, Gewalt anzuwenden – und zwar ganz offensichtlich ohne überhaupt hinzuschauen, gegen wen und warum, immer weiter sinkt? Was macht Polizisten so verdammt aggressiv?

Es scheint beabsichtigt zu sein und gewollt. Und es ist kriminell:

Wir hatten bereits … ausgeführt, dass sich Teile der eingesetzten Polizeikräfte wie organisierte Banden verhielten. Dieser Fall ist ein – wirklich bloß ein – Beispiel für diese äußerst unangenehme wertende Beschreibung. PolizeibeamtInnen als Bande? Nein, noch schlimmer, denn im Grunde handelt es sich um organisierte Kriminalität (OK) im Sinne der etwas diffusen offiziellen Beschreibungsformel für OK: Hier handelten mehr als zwei Personen dauerhaft mit kriminellen Mitteln, um Einfluss auf Politik, Verwaltung und auch die Öffentlichkeit zu nehmen…

Wer der oben zitierten TAZ nicht trauen mag: dieses Zitat ist aus einem Dokument der Bundesarbeitsgemeinschaft Kritischer Polizistinnen und Polizisten – also von denen, die es wissen müssen, weil sie die Befehle und Taktiken kennen.

Das Dokument setzt sich sehr kritisch mit den Vorgängen um Stuttgart 21 auseinander – vor allem mit dem Verschwindenlassen von Dokumenten und Beweisen. Ein Schlüsselsatz daraus:

Typisch für dieses Fallbeispiel ist auch, dass – ähnlich wie bei der Demo „Freiheit statt Angst“ im September 2009 in Berlin – BürgerInnen ermitteln und Beweise sichern bzw. diese liefern müssen. Die dazu berufenen staatlichen Personen weigern sich ihrer Pflicht nachzukommen.

Stuttgart 21 ist – selbst im Nachgang gesehen – ein Fanal und ein Wendepunkt im Verhältnis zwischen Staat=Polizei und Bürger. Dass es am ersten Mai seit langem zu einer Art “Volkssport” wurde, sich Straßenschlachten mit der Polizei zu liefern ist das Eine 1 – das Andere ist, dass die PolizistInnen dadurch, dass sie nun nicht mehr den Knüppel in die Hand nehmen müssen und gezielt gegen Menschen Gewalt ausüben müssen, sondern mittels Pfefferspray relativ anonym gegen Menschen Gewalt ausüben können, kaum noch begreifen, dass auch das eine Waffe ist. Jede Dose Pfefferspray ist eine Waffe!

Hier ist es meiner Meinung nach bitter notwendig, den Beamten klipp und klar zu machen, dass sie nicht mit einem ungefährlichen Stoff hantieren, sondern dass auch Pfefferspray beim Ge/Betroffenen dauerhafte Folgeschäden hervorrufen kann.

Allerdings bin ich realistisch genug um zu wissen: die Damen und Herren, die diesen Job machen – freiwillig machen – legen auf solcher Art Belehrung keinen Wert.

Nic

  1. mir gefällt das überhaupt nicht, sollen die, die meinen, sich “austoben” zu müssen, sich mit den ebenfalls gewaltbereiten Polizisten auf irgendeinem Acker treffen und aufeinander ein prügeln – wenn’s gefällt. Aber sie sollen endlich die in Ruhe lassen, die einfach nur feiern wollen.

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