Perfektionismus – Loslassen und weiterkommen

Urs Naegeli liked this post

Perfektionismus – Loslassen und weiterkommen

Ich habe unglaubliche Schwierigkeiten damit Geschichten fertig zu stellen. Warum? Der Text steht. Ich habe mein Bestes getan die Rechtschreibfehler auszubügeln und sogar eine Deutschlehrerin kontrollieren lassen. Ich bin eigentlich fertig, aber – meine innere Stimme findet noch etwas zum meckern. „Warum“, fragt sie, „fängst du nicht noch einmal ganz von vorne an? Schreibst den kompletten Text neu?“ Gute Idee, denke ich und setze mich wieder an den Schreibtisch.

Ich habe mehr Geschichten geschrieben und verworfen, als ich mich traue öffentlich zuzugeben. Allein jetzt zähle ich drei fertige Kurzgeschichten, die in meiner Dropbox schlummern und nie das Licht der Welt erblicken werden, weil sie für mich mangelhaft sind. Ich fühle mich wie ein Elternpaar in der Zukunft, in der die Präimplantationsdiagnostik völlig aus dem Ruder gelaufen ist und Kinder wegen Kleinigkeiten mit einem Schulterzucken abgetrieben werden. Ich grausamer, kaltherziger Bastard.

Die Wahrheit ist, dass ich an Perfektionismus leide. Das Kritisieren habe ich mit der Muttermilch aufgesogen. Ich finde, wenn ich will, in jedem Text Fehler – ganz besonders bei mir selbst und das hindert mich daran jemals mit einer Geschichte fertig zu werden. An „die Kathedrale des Verschwendeten Fleisches“ habe ich knapp zwei Monate gesessen und das Ergebnis gefällt mir, ist aber nicht überragend. Zuletzt wollte ich die Geschichte tatsächlich von Anfang an noch einmal neu schreiben, ohne etwas an Plot, Charakteren, oder irgendwas geändert zu haben – nur wegen der Sprache, dem Textfluss, etc. Eine gute Freundin hat mir dann den Tritt gegeben und mich überzeugt, dass irgendwann mal Schluss sein muss.

Wahrscheinlich könnte ich mich jahrelang mit einer Geschichte befassen. Das Bild des Autors, der über Jahre an seinem Meisterwerk poliert, bis alles funkelt und glänzt, ist mir gar nicht so fremd. So einen Roman zu schreiben würde mir da vermutlich auch ganz gut stehen, nicht? Das Problem daran ist, dass ich dabei nichts lerne. Wenn ich monatelang unter der Hebebühne liege und an einem Text schraube, bis das Schätzchen schnurrt wie ein Kätzchen, dann komme ich nicht wirklich weiter. In der Zeit könnte ich schon längst eine neue Geschichte geschrieben haben, in der ich mich an Dialogen ausprobiere, oder lerne wie man die Handlung schön schnittig gestaltet.

Ich muss deshalb dringend lernen mit Texten abzuschließen. „Scheiß drauf“, lautet die Devise. Ab einem bestimmten Punkt hört eine Geschichte auf spannend für einen selbst zu sein und man verrennt sich in den Details. Jede hat ihre großen und kleinen Fehler – ich kenne zumindest keine ohne – und wird niemals perfekt sein. Wenn Eltern ihre Kinder lieben können, auch wenn sie sich zu undankbaren Arschlöchern und Bankern entwickeln, dann kann auch ich meine kreativen Erzeugnisse hinaus in die Welt entlassen und mich mit einer Träne im Auge neuen Projekten widmen.

 


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