Die Kathedrale des Verschwendeten Fleisches: Kapitel 2

Florian Taucher liked this post

Kapitel 2

Der Anblick jagte Derek den Ekel durch den Leib. Unwillkürlich krampfte sein Bauch zusammen, Säure schoss durch seine Speiseröhre nach oben. Er musste kotzen, aber sein Magen war leer. Röchelnd würgte er einen dünnen Speichelfaden vor, der von seiner Unterlippe in den Staub tropfte.

„Schluck es runter“, sagte eine Stimme hinter ihm. Derek wischte mit dem Handrücken seinen Mund ab und schaute über die Schulter. Der Mann sah aus wie ein schwitzender Klumpen Haut. Die Sonne hatte sein Fett geschmolzen und eine eingefallene Form zurückgelassen. Unter den hängenden Wangen wirkte er wie vierzig, aber in seinen Augen glitzerte ein eingeschnapptes Kind.

„Die Hunde lauern auf das schwächste Glied“, sagte er. Bei jedem dritten Wort pfiff seine Kehle, als bereite ihm das Atmen Schwierigkeiten; die Hitze setzte ihm zu, Schweiß rann in dicken Tropfen von seiner Stirn.

„Wenn sie denken du machst schlapp“, fuhr er fort, „dann holen sie dich. Glaub nicht, dass ich dir dann helfe.“

Derek murmelte etwas wie „Danke für den Tipp“ und drehte sich leicht schwankend wieder nach vorne. Der Ekel klebte weiter wie ein stinkender Schwamm in seinem Bauch. Er schloss die Augen und versuchte sich zu konzentrieren. Hinter seiner Stirn klebte weiter diese kalte Leere, die keinen klaren Gedanken zuließ. Er musste Ordnung in sein Hirn bringen. Er fing bei Eins an und zählte so weit er konnte. Dauernd verlor er den Faden und musste neu beginnen. Aber Stück für Stück wurde sein Verstand schärfer; seine lähmende Trance bröckelte wie eine Lehmhaut von ihm ab. Darunter kamen Fragen zum Vorschein, die Antworten suchten.

„Wo sind wir hier?“ fragte er plötzlich über die Schulter nach hinten. „Was machen wir hier?“ Dereks Hintermann sah ihn an und schüttelte leicht den Kopf.

„Keine Ahnung.“

„Aber wohin gehen wir?“ wollte Derek wissen. Er reckte den Hals, sah suchend über die Köpfe hinweg.

„Wohin führt die Schlange?“

„Keine Ahnung“, wiederholte er genervt.

„Ich bin genauso schlau wie du. Alles was ich weiß, ist, dass wir seit Tagen in die selbe Richtung gehen. Wir laufen auf etwas zu.“ Derek drehte sich um und sah ihn an.

„Und worauf laufen wir zu?“ Der Mann antwortete mit einem grimmigen Ausdruck.

„Auf etwas Böses.“

Ohne Vorwarnung setzte sich der Zug plötzlich in Bewegung. Ein kahler Kopf nach dem anderen fing wie im Domino an zu laufen. Die ersten zögerlichen Schritte entwickelten sich zu einem steten langsamen Marsch durch die Wüste. Dereks Beine krampften taub vom ständigen Stehen. Er humpelte wie ein Verletzter, bevor sich seine Muskeln wieder ans Gehen gewöhnten. In der Entfernung, auf halbem Weg zum Horizont, sah er drei schwarze Flecken, die sie begleiteten. Sie spielten mit etwas, doch er konnte nicht erkennen was. Er wollte es auch nicht wissen.

„Wie heißt du?“ fragte der Hintermann unvermittelt. Derek schwieg einen Moment. Dann sagte er seinen Namen.

„Aha“, antwortete der Mann, wobei seine Stimme pfiff wie ein kaputter Kessel. „Mein Name ist Liam. Und weiter?“

„Wie weiter?“ Liam rollte mit den Augen.

„Wie ist dein Nachname?“ Derek wollte ihm antworten, aber seine Zunge blieb stecken. Die Sonne brannte mit einem Mal viel heller als zuvor.

„Ich heiße Derek Ri…“ Ihm wurde schwindelig. „Derek Ri…“ Es klappte nicht. „Mein Name ist Derek Ri…“ Ein weißer Blitz schoss durch seine Stirn. Der Schmerz loderte so sengend heiß, dass er dachte seine Nerven würden schmelzen. Eine unsichtbare Hand zog an den Nähten seiner Synapsen. Vor seinem inneren Auge tanzten Schnipsel aus tausend bunten Bildern. Seine Erinnerungen lagen vor ihm wie ein zerschlagener Spiegel. Derek sah sich selbst, wie er nach den Splittern griff um sie zu retten, bevor sie den Abfluss hinunter gespült wurden. Aber wenn er sie anfasste schnitten sie ihm in die Finger.

„Ich heiße Derek Ri…“ Vor lauter Schmerz hielt er sich die Schläfen fest. Seine Zunge wollte sprechen, aber sein Verstand kannte die passenden Worte nicht.

„Ich kann mich nicht erinnern.“ Liam nickte.

„Das habe ich mir gedacht“. Er streckte seinen linken Arm aus und zeigte ihn Derek. Auf der Innenseite, knapp über der Beuge, standen ein paar Zahlen eintätowiert.

„66421“, las Liam vor. Derek überprüfte seinen eigenen Arm. Da standen ebenfalls Zahlen.

„5432 – Was hat das zu bedeuten?“

„Wir brauchen keine Namen“, sagte Liam finster.

„Wir haben Nummern.“


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