Perfektionismus

Liebe Joanna!
Ich sage selten etwas zu Deinen Artikeln, lese meist nur Still mit…

Dieser Brief von Dir ist wunderbar und stimmt. Und meine Antwort ein offener Brief an meine Leidensgenossinen jenseits der 46/48. Es ist auch ein Seelenstriptease. Aber warum nicht…

Ich schreibe Dir nun aus der Sicht der “Anderen Seite” … Die Dicke, die versucht sich zu lieben ;-)
 
Denn es kann ja jemand der so Rank und schlank ist wie die Joanna leicht sagen, was man machen soll, 
AAAABER: Die kann ja leicht reden und hat eine gute Veranlagung und bestimmt macht sie doch heimlich Diät. Mit DER Figur ;-) Und überhaupt ist bei ihr immer alles nur leicht und schön. Das kann doch nicht echt sein ;-)

Was ist wenn es bei einfach nicht geht? Wenn ich es nicht kann, wenn ich mich weigere mich zu lieben?

Dann liegt der Grund eigentlich doch ganz woanders als man denkt. Du isst, weil es Dir schlecht geht. Und du tröstest Dich einfach nur mit Schokolade. Und Du hast einfach keine Lust, jetzt aufzustehen und was tolles zu schnippeln. SCHLIESSLICH BIST DU GERADE DAS OPFER. 
Ich kenne das, und ich mache es jetzt so ähnlich wie Du liebe Joanna… Auch wenn ich gern Schokolade esse. Aber auch das darf ich geniessen, wenn ich mich selber liebe.

Ich habe mit gut 100 kg bei 162 cm angefangen, nach vielen Diäten, Weightwatchers, Schlank im Schlaf und wie sie alle heissen…  Fitnessprogrammen (eine von denen die Fitness-Clubs sponsort und nie hingeht), habe immer wieder ab- und auch wieder zugenommen, hoch und runter. Mit unendlich viel Disziplin und Quälerei…  und wenn ich Kummer hatte, das ist bei mir nämlich ein großer Faktor, habe ich wieder gegessen und gegessen…. 
 
Und da ich auch einfach für mein Leben gern esse, ist es alles eine furchtbare Quälerei. Und man hat IMMER ein schlechtes Gewissen, IMMER. Egal WAS man ist und wie viel. Der Kopf rechnet immer mit, wenn man so Diätversaut ist… Es ist nicht leicht, aus dieser Spirale wieder heraus zu kommen. Es ist in Deinem Kopf und Du hast es da selbst rein gemacht.

Letzten Sommer habe ich als erstes beschlossen keine Diät mehr zu machen und ich habe alle “ich heb es auf falls ich mal wieder rein passe”-Kleider in die Altkleider-Sammlung gegeben. Mein Mann liebt mich wie ich bin, warum sollte ich es denn nicht auch können?
Perfektionismus
Das war ein großer Schritt für mich. Und der zweite Schritt: Ich zeige mich so wie ich bin. Auch auf dem Blog. Auch wenn ich “früher” immer schlank war. Wenn ich früher versucht habe, dass man nicht sieht, dass ich zugenommen habe. Auch wenn manche ehemalige Freunde mich nicht mehr erkennen. Ich bin nun mal jetzt so.
Das meiste habe ich zugenommen, weil ich Rheuma bekommen habe. Durch ein Leben das ich gelebt habe, das nicht meines war. Eines das jemand anderes für mich wollte.

Und dann kam ich wieder in eine Spirale von Dingen die mir nicht gutgetan haben. Ein Job der mich krank gemacht hat und Menschen in unserer Umgebung, die uns einfach nicht verstanden haben und verstehen wollten. 
Ich habe mein Leben geändert und alles zurückgelassen, was mich verletzt hat.
Der Körper hat sich erholt, die Seele auch. Die Kilos sind geblieben.

Wenn Du UNGLÜCKLICH in Deinem Leben bist, ÄNDERE etwas. Wenn Du Abends unglücklich bist und Chips in Dich hineinstopfst, weil dein Job Dich krank macht, fange etwas neues an. Überlege Dir ob Du überhaupt an der Richtigen Stelle bist. Manchmal erfordert es viel Mut. In meinem Leben gibt es keine Gewohnheit und keine Sicherheit mehr, aber ich bin glücklich.

Lass die Leichtigkeit zurück in dein Leben.

Ich habe mir eingestanden das Essen doch eigentlich mein Hobby ist. Ich liebe es gut zu kochen, mit feinen und gesunden Zutaten. Ich liebe Salat und frisches Gemüse. Ich liebe auch Sahnesoße, aber der beste Tip, ist, einfach aufzuhören, wenn das Satt-Gefühl da ist.
Perfektionismus

Ich zelebriere das Kochen, das zubereiten, das Essen. Ich decke den Tisch auch schön, wenn mein Mann und ich “nur” allein sind. Ich habe immer eine schöne Tischdecke, schöne Gläser und abends eine Kerze an. Wir essen nicht vor dem Fernseher. Ich esse auch sehr langsam und geniesse jeden Bissen. Ich koche jeden Tag nur mein Lieblingsessen. Ich trinke gern ein Glas guten Wein. Das sind alles Faktoren die glücklich machen.

Für das Ewige “Ich hab nichts zum Anziehen und ich fühle mich so dick”-Gefühl habe ich zwei Massnahmen: Erstens: ich habe angefangen meine Kleidung selbst zu nähen. 
ich war es so satt überall nur Skinny-Jeans zu sehen, Hängerchen in denen man ab Gr. 42 aussieht wie im 8. Monat und Blusen bei denen die Abnäher quer über dem Busen verlaufen…
Ich habe einen Nähkurs belegt und mir meine Kleider selbst genäht. Z.B. eine Marlene-Hose, die mir soooo gut steht, aber die man im Moment nirgends kaufen kann, weil es gerade out ist… PerfektionismusIch habe Blusen genäht, die genau an meinem großen Busen passen usw. usw.
Oft fühlt man sich als Dicke nicht wohl weil die Kleidung einfach nicht passt.

Und wenn ich etwas im Laden kaufe, kaufe ich eine Nr. größer als ich denke dass ich habe, auch wenn es eine 50 ist. Weil sie eh alle unterschiedlich ausfallen.
Wen interessiert nachher noch die Nummer in Deinem Rücken? Schlimmer ist es, wenn man verzweifelt eine Nummer kleiner kauft, weil “ein paar Kilo und ich passe da hinein”. Und dann liegt die tolle Jeans im Schrank. Und liegt und liegt… und Du hast wieder nichts zum anziehen. Also kauf doch eine die einfach nur passt. Die am Bauch nicht kneift und schön über den Hintern geht. Es gibt doch kaum etwas schlimmeres, als wenn man den Leuten beim Bücken ständig den Allerwertesten zeigt.
Schneide doch das “böse Schild” einfach heraus und freue Dich dass die Hose schön aussieht und passt. (Mehr zum Thema hier ->  How to get in Style)

Auch das gibt Dir ein gutes Körpergefühl. Weil alles da ist wo es hingehört. Nichts kneift und man allein dadurch schon ein gutes Gefühl bekommt.

Und je entspannter Du damit umgehst, desto besser geht es Dir. Erstmal wird nichts passieren. Vielleicht nimmst Du auch etwas zu. 
Dann tu die Waage weg.

Ich habe die Leichtigkeit zurück in mein Leben gelassen. Und zwar die Innere. Ich geniesse den Tag, die Sonne, den Regen, Bewegung mit dem Hund statt ein schlechtes Gewissen gegenüber dem Fitness-Trainer. Gutes Essen. Ich nasche immer noch. Aber weniger. Chips esse ich nach dem Abendessen, wenn ich eh statt bin, gar nicht mehr. 
Den Heißhunger auf etwas Herzhaftes habe ich vorher gestillt. Mit Rosmarin-Kartoffeln aus dem Ofen oder einem schönen Stück Bio-Fleisch.

PerfektionismusSchokolade lieeebe ich. In jeder Form. Das ist halt so, aber dann zelebriere ich es eben auch. Mit einer schönen Tasse Kaffee dazu. Als kleines Ritual. Oder als selbstgemachte Praline, Kuchen oder Muffins. Immer mit dem Gedanken: Was ich heute nicht esse, erfreut mich eben morgen ;-)

Und was soll ich sagen? Ich nehme in einer Woche rund 1 kg ab, manchmal auch weniger. Ich freue mich dann auch. Aber es ist nicht mehr Lebenswichtig. Es hängt nichts mehr davon ab…

Natürlich ist das dieses mal sehr persönlich, ich weiß…und es ist auch noch nicht alles im Leben so wie es soll, und perfekt schon gar nicht. Aber wir arbeiten kontinuierlich daran und geniessen den Rest :-)

 Alles Liebe, Daniela


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