Der 28. Juni steht im Rahmenkalender der kuriosen Feiertage nicht nur für den Internationalen Tag des Body Piercing (engl. International Body Piercing Day), sondern ehrt bei unseren US-amerikanischen Nachbarn mit dem Paul Bunyan-Tag (engl. National Paul Bunyan Day) zugleich auch eine fiktive Holzfällerfigur, die seit dem 19. Jahrhundert auf dem nordamerikanischen Kontinent bekannt ist. Grund genug, die Geschichte von Paul Bunyan und seinem Ehrentag mit dem vorliegenden Beitrag zu erzählen. Um was geht es also dabei?
Wer hat den National Paul Bunyan Day erfunden?
Auch wenn es inzwischen eine recht umfassende Forschung rund um die Figur und Geschichten des Paul Bunyan gibt, ist leider völlig unklar, von wem der heutige National Paul Bunyan Day ins Leben gerufen wurde, seit wann er gefeiert wird und warum sich sein(e) Erfinder ausgerechnet für das Datum des 28. Juni entschieden haben. Zumindest konnte ich im Zuge der Recherchen nichts dazu herausfinden und insofern bleibt eigentlich nur der Verweis auf die vorhandenen Fakten bzw. den Umstand, dass dieser kuriose Feiertag von einigen Portalen und Quellen für dieses Datum gelistet wird.
Wer ist Paul Bunyan? Fakten über eine sagenhafte Holzfällerfigur
Die Figur des Paul Bunyan gilt inzwischen als fester Bestandteil der nordamerikanischen Folklore und geht in vielen Teilen wohl auf Geschichten zurück, die man sich in den Holzfällercamps des 19. Jahrhunderts erzählte. Einige Forscher sehen hier allerdings auch direkte Bezüge zu den Figuren des Bon Jean oder Tit Jean, die in der franko-kanadischen Folklore eine große Rolle spielen.
In diesen sogenannten Tall Tales wird dieser als sieben Fuß großer und dementsprechend starker Holzfäller beschrieben, dessen ständiger Begleiter ein ebenso riesenhafter blauer Ochse namens Babe (engl. Babe the Blue Ox) war. Um die Ausmaße ihrer Größe zu verstehen, reicht ein Blick auf die in den Tall Tales kolportierten Dimensionen.
- Schon bei der Geburt soll Bunyan so groß gewesen sein, dass fünf Störche den Säugling tragen mussten. Warum er diese titanenhafte Größe erreichte, bleibt im Zuge der Geschichten allerdings völlig ungeklärt. Nur die mit seinen Dimensionen einhergehenden Probleme werden beschrieben, denn schon das Händeklatschen und Lachen des kleinen Paul ließen die Fenster seines Elternhauses zu Bruch gehen.
- Ähnliche Dimensionen werden Bunyans Begleiter, dem blauen Ochsen Babe, zugeschrieben: Babe soll insgesamt 47 Axtgriffe gemessen haben und wurde von Paul während des Winters des blauen Schnees gefunden.
Woher stammt der Name Paul Bunyan?
Auch wenn die genaue Herkunft heute nicht mehr geklärt werden kann, geht man davon aus, dass die etymologischen Wurzeln im franko-kanadischen Sprachraum liegen. Phonetisch ist Bunyan sehr nahe an dem im Quebecer Französisch (fr. le français québécois) gebrauchten bon yenne, einem Ausdruck der Überraschung bzw. des Erstaunens. Dies würde sich auf jeden Fall mit dem Inhalt und den Erklärungen in diesen Geschichten decken.
Eine andere Lesart ergibt sich aus der sprachlichen Verwandtschaft zwischen dem englischen Nachnamen Bunyan und dem Begriff bunion (dt. Ballenzehe bzw. Großzehe), der sich vom alt-französischen bugne (dt. Schwellung oder Beule) ableitet und somit ebenfalls auf die abnorme Größe abzuzielen scheint.
Was wird in den Paul Bunyan-Geschichten erzählt?
Ähnlich vielen anderen Mythen und Sagen versuchen auch die Paul Bunyan-Geschichten physikalische Phänomene durch eine Geschichte zu erklären. Im Falle der Holzfällerfigur und seinem Begleiter spielen dann natürlich deren Größe und Kraft eine entscheidende Rolle, die als Grundlage für die Entstehung einer ganzen Reihe von nordamerikanischen Landmarken herangezogen werden. Auch hier einige Beispiele:
- Bunyan soll u.a. für die Entstehung Grand Canyon verantwortlich gewesen sein, indem er seine riesige Axt hinter sich herzog.
- Auch Mount Hood in Portland im US-Bundesstaat Oregon soll sein Werk gewesen sein. Der 3425 Meter hohe Berg entstand der Legende nach dadurch, dass Bunyan riesige Steine auf sein Lagerfeuer legte, um dieses zu löschen.
- Auf ihrer Wanderung über den nordamerikanischen Kontinent entstanden durch ihre Fußabdrücke u.a. auch die zehntausend Seen Minnesotas. Als Referenz wird hier vor allem der Lake Bemidjii genannt, der aus der Vogelperspektive betrachtet tatsächlich an einen riesigen menschlichen Fußabdruck erinnert.
Eine kurze Publikationsgeschichte des Paul Bunyan Mythos
Waren die Paul Bunyan-Geschichten zunächst noch Teil einer mündlichen Überlieferung der nordamerikanischen Holzfäller, so lässt sich die schriftliche Verbreitung relativ genau bestimmen. Hier sind vor allem zwei Namen zu nennen: James MacGillivray und William B. Laughead. Aber der Reihe nach:
- Die frühste schriftliche Überlieferung bzw. Erwähnung des Paul Bunyan-Mythos geht auf den US-amerikanischen Journalisten James MacGillivray zurück, der 1906 einen Artikel über die Holzfällerfigur bei Oscoda Press publizierte und diesen noch im selben Jahr in einer erweiterten Fassung auch in den Detroit News veröffentlichte. Am 24. Juli 1910 erschien dann The Round River Drive, eine Geschichte über einen Wettkampf zwischen Bunyan und Dutch Jake, die wesentlich zur Verbreitung der Tall Tales beitrug. MacGillivary hatte sich hier allerdings die künstlerische Freiheit herausgenommen, sich selbst als Teilnehmer an diesem Wettkampf um das Abholzen des größten Baumes im Wald hinzuzudichten.
- Landesweit bekannt wurde die Figur des Paul Bunyan allerdings erst durch die Werbebroschüren der Red River Lumber Company, die unter dem Titel Introducing Mr. Paul Bunyan of Westwood, California von William B. Laughead veröffentlicht wurde. Laughead verband in diesen Geschichten eigene Erfahrungen und Geschichten, die er in einem Holzfällerlager in Minnesota gehört hatte und erweiterte sie um viele Aspekte und Figuren, die heute als typisch für den Paul Bunyan-Mythos angesehen werden. So gehen auf ihn u.a. auch der blaue Ochse Babe und die Figur des Johnny Inkslinger zurück.
Insofern müssen wir an dieser Stelle festhalten, dass es den klassischen Paul Bunyan im Sinne eines Mythos eigentlich nicht gibt, sondern die Figur in ihrer heute bekannten Form ein Produkt von Journalisten und Werbetextern darstellt. Aber dies scheint ihrer Popularität in den USA keinen Abbruch zu tun bzw. auch zu erklären, weshalb viele Städte und Gemeinden in den nördlichen Bundesstaaten der Vereinigten Staaten sich um den Titel Official Home of Paul Bunyan streiten. Insofern vermute ich fast, dass eine dieser Gemeinden bzw. ihr Tourismusbüro auch hinter der Erfindung dieses Paul Bunyan-Tags steckt.
In diesem Sinne: Happy Paul Bunyan Day.
Weitere Informationen zum Paul Bunyan-Tag in den USA
- Die Geschichte von Paul Bunyan auf paulbunyantrail.com (englisch)
- Eine Liste der bekanntesten nordamerikanischen Tall Tales auf dem Webportal americanfolklore.net (englisch)
- Benjamin Smith: 6 Towns That Claim Paul Bunyan as Their Own (and What They Should Be Bragging About Instead) – am 19. Januar 2012 auf dem Portal mentalfloss.com (englisch)