Patrik Svensson. Das Evangelium der Aale

Patrik Svensson. Das Evangelium der AaleVor wenigen Tagen erzählte ich einer guten Freundin begeistert von meiner Entdeckung des Buches Das Evangelium der Aale. Lange Zeit lauschte sie meinen Worten, dann erwiderte sie, dass sie das Buch unbedingt haben und lesen müsse. Ihr Großvater hätte damals auch Aale geangelt. An der Möckernbrücke! Regelmäßig sei er zum Landwehrkanal gegangen, um am Tempelhofer Ufer Aale zu fangen.
Ganz sicher gibt es im Landwehrkanal heute keine Aale mehr. Ich kann es mir jedenfalls nicht vorstellen. Denn weltweit ist der Aal vom Aussterben bedroht.

Der schwedische Autor Patrik Svensson hat als kleiner Junge mit seinem Vater ebenfalls Aale gefischt. Geredet haben beide nie viel. Was bleibt, sind wundervolle Erinnerungen an die gemeinsam verbrachte Zeit. Die Gedanken daran verbinden sich immer auch mit dem Aal. Svensson spürt in seinem Buch diesem rätselhaften Wesen nach. Er erzählt von der Sargassosee im Atlantik, wo die Aale laichen und schließlich sterben. Ihr Laich sieht aus wie ein Weidenblatt. Winzige durchsichtige Weidenblätter verlassen schließlich die Sargassosee und schwimmen Tausende Kilometer bis zu den europäischen Küsten. Auf dieser Reise durchlaufen sie ihre erste Metamorphose und wandeln sich in Glasaale. In einer weiteren Verwandlung werden sie zu Gelbaalen, sie passen sich ans Süßwasser an. Als Gelbaale leben sie jahrzehntelang in heimischen Tümpeln, Seen, Flüssen …

Ihre einzige Bestimmung scheint aber zu sein, sich irgendwann fortzupflanzen. Niemand weiß, wann und warum der Aal sich schließlich auf die Reise zurück macht. Zurück in die Sargassosee. Er wandelt sich zum Blankaal und schwimmt bis zu fünfzig Kilometer am Tag.

Es ist eine Reise, über die der Mensch immer noch sehr wenig weiß. Vielleicht dauert sie ein halbes Jahr, vielleicht unterbricht der Aal sie aber auch und überwintert unterwegs. Man hat herausgefunden, dass ein Blankaal in Gefangenschaft vier Jahre ohne Nahrungsaufnahme überleben kann.
Es ist jedenfalls eine lange und asketische Reise, und die existenzielle Zielstrebigkeit, mit der der Aal navigiert, lässt sich durch nichts erklären. Endlich in der Sargassosee angelangt, hat der Aal ein zweites Mal nach Hause gefunden. Unter wogenden Teppichen von Seegras und Tang werden die Eier befruchtet. Dann ist der Aal fertig, seine Geschichte ist vollendet und er stirbt (Seite 14).

Und was macht der Mensch? Auch davon erzählt Svensson. Denn von Aristoteles über Sigmund Freud bis zu heutigen Meeresbiologen und Zoologen forscht man nach dem Mysterium des Aales. Der Aal aber bleibt verrätselt, märchenhaft und geheimnisvoll. Dafür liebe ich ihn! Doch meine Liebe ist gepaart mit Wut. Wut darüber, dass wir den Aal nicht einfach Aal sein lassen können. Warum ihn weiterhin jagen, töten, essen?! Ist nicht gerade das Geheimnis voller Zauber? Und ist es nicht völlig egal, ob er sich in der Sargassosee fortpflanzt oder sonstwo? Da bin ich ganz beim Autor, der auf Seite 175 sagt: Das Geheimnisvolle hat seine eigene Anziehungskraft. Auch wenn es noch so schwer fällt, das zu akzeptieren – menschliches Wissen hat einfach seine Grenzen.
Und so ist dieses Buch ganz besonders ein leidenschaftliches Plädoyer für das Geheimnis der Vielfalt und für den Schutz der Arten. Es ist philosophisch tiefgründig, wissenschaftlich unterhaltend und außerdem voll mit literarischen Inspirationen von Günther Grass bis zu Rachel Carson. Ein kleines Meisterwerk.

Patrik Svensson. Das Evangelium der Aale. Aus dem Schwedischen von Hanna Granz. Carl Hanser Verlag. München 2020. 247 Seiten. 22,- €. Auch als eBook, ePub und MP3 Hörbuch (DAV, gesprochen von Johann von Bülow)


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