Patchwork ist ein Arschloch - Weihnachten vor 12 Monaten

Die Unzertrennlichen? Jedenfalls sind Tapeten im Trend 

Die Unzertrennlichen? Jedenfalls sind Tapeten im Trend 

Englische Tapeten von Farrows & Burke, sündhaft teuer – was hatte ich mir nur wieder dabei gedacht? Kleine, fein gezeichnete Papageien tummelten sich auf zarten Zweigen, der Grundton ein vornehmer Cappuccino-Ton. Vielleicht sind es auch Unzertrennliche, jedenfalls wollte ich noch vor Weihnachten meine Küche streichen und eine Wand tapezieren. Wir hatten Oktober. Das Friesenblau der Wand und die Raufaser stammten aus der Zeit mit meinem Mann, als wir noch eine Familie waren. Die Patina war längst nicht mehr shabby-chic, vielmehr sah es aus wie in einer schlecht gepflegten Frittenbude. Das Projekt begann mit meinem Spontanimpuls, nur ein winziges Stück der Raufaser abzutragen – kritzekratze – und die Renovierungs-Episode nahm ihren laienhaften Lauf. Wenn sich nach dem zweiten Advent nicht mein Nachbar, studierter Physiker und Universalgenie, meiner erbarmt hätte, wären die Papageien noch immer eingerollt.

Am 24. Dezember 2016 um 15 Uhr fand ich mich also auf den Knien wieder, mit einem Feudel in der Hand, die von Baustaub überzogenen Dielen meiner Küche wischend, mit übertrieben viel Grüner Seife, der Geruch beruhigt mich; ich wische grundsätzlich mit Grüner Seife. Ich habe meine Prinzipien, auch wenn ich als Hausfrau einen eher unorganisierten Eindruck mache. Kniend überlegte ich, ob sich ein Heulanfall lohnen würde. In zwei Stunden wollten wir zu Siebt zum Krippenspiel aufbrechen. Das Singspiel lieferte seit zwölf Jahren zuverlässig meine Weihnachts-Hits von „Maria durch den Dornwald ging“, „Ihr Kinderlein kommet“ bis „Macht hoch die Tür die Tor macht weit“. Ich war textsicher bei den ersten zwei Strophen der meisten Lieder, den Rest brummelte ich mit und war nach der zweiten Strophe ohnehin zu gerührt, um die Notenblätter durch meinen Tränenschleier zu entziffern. Marias Dornenwald beherrschte ich perfekt, meine zweite Tochter forderte es fünf Jahre lang ganzjährig als Gute-Nacht-Lied.

Unsere heilige seit nunmehr 5 Jahren getrennte Familie hatte an diesem Weihnachtsfest Zuwachs bekommen. Ebenso risikofreudig wie bei der Renovierung hatte ich vorgeschlagen, mit der neuen Familie meines Ex-Mannes Heilig Abend zu verleben, in der frisch gestrichenen und tapezierten Küche, in der ich nun wie Maria kniete. In Anbetracht des Timings war ans Heulen oder an eine Stunde Instandsetzung für mich selbst nicht zu denken. Das Geschirr für das Abendessen war noch von einem Wand-Putz-Film bedeckt, Schränke für das Porzellan gab es derzeit nicht, die hatte ich von den Wänden gerissen und zerhackt, schließlich galt es eine gesunde Wut in meinem Leben zu etablieren und Altes loszulassen. Die Patchwork-Erweiterung bestand aus der relativ neuen, bemerkenswert jungen Lebensgefährtin meines Ex-Mannes und ihrer zwei Kleinkinder. Wie niedlich, dachte ich. Es half unserer Anbahnung nicht wirklich weiter, dass mich das Mädchen ausdauernd fragend betrachtete und sie von ihrer Mutter in pädagogisch wertvollem Tonfall geduldig und nachhaltig informiert wurde, dass ich „auch eine Mama sei“. Ich vermute, das Mädchen sortierte mich in ihrem hübschen Köpfchen in der Kategorie Großmutter ein (vom Jahrgang kam das wahrscheinlich sogar hin). Tatsächlich war die grauhaarige Frau (moi!) in der  Küche mit den Papageien die Mutter der Tochter ihres neuen Ziehvaters – aber eben auch der Ziehvater meiner ältesten Tochter, deren leiblicher Vater wiederum mit seiner zweiten Ehefrau Weihnachten feierte.

Das frisch verliebte Paar in meiner frisch renovierten Küche hatte den Einkauf für unseren couragierten wie modernen Patchwork-Abend erledigt, weil ich mit der Renovierung, dem Weihnachtsbaum, den Geschenken, den gemeinsamen Töchtern, den zahlreichen Haustieren und mit laufenden Aufträgen über-beschäftigt war. Das war so nett von den beiden, auch weil ich ihre ehrgeizigen Anforderungen an ihre gesunde Ernährung vermutlich nicht hätte erfüllen können. Die Zucker- und Weizen-Wampen-Phobie hatte die beiden Sport-Freaks fest im Griff. Nach dem Salat mit Granatapfelkernen und einem nach Geheimformel zubereiteten Dressing (ich vermute Weizengras), mussten wir allerdings hungern. Denn der vegetarische Auflauf meines Ex dauerte Stunden. In irgendeinem Buch hatte ich mal den Ratschlag gelesen, neue Rezepte nicht an Festtagen auszuprobieren. Wenigstens verschmähten meine Gäste nicht den Rotwein, den ich besorgt hatte und die Stimmung war, sagen wir, heiter.

Zur Bescherung war ich beschwipst und folgte gelassen dem Ganzen wie einer gewagten Neuinszenierung des Krippenspiels. Selbstverständlich simulierte mein Ex die Ankunft des scheuen Christkinds genauso selbstverliebt und liebevoll wie gewohnt, nur das ihm nun zwei neue Kleinkinder die Schummelei glaubten. Klingeling, das Glöckchen und dann die Geschenke, bloß nicht zu viele, damit die Kleinen ja nicht überschnappen – auch wegen der Konsumgesellschaft und so. Das Paar überreichte mir mit großer Geste ein Paket Konfekt von „arko“ und ich fühlte mich schon wieder wie Großmütterchen auf meinem eigenen Sofa. Das Konfekt spendierte ich später dem Hund.

Als es nach 23 Uhr den Nachtisch gab, waren die kleinen Kinder so überdreht, dass ich am liebsten ins Bett gegangen wäre. Weit nach Mitternacht betrachtete ich den mannshohen Weihnachtsbaum, die Kerzen flackerten und dufteten nach Honig, ich hielt Zwiesprache mit meinen Ahnen: Meiner verstorbenen Mutter versprach ich, im kommenden Jahr zu Weihnachten zu verreisen. Meine Töchter glauben schließlich nicht mehr an das Christkind.

Am zweiten Weihnachtstag dann war ich zum Abendessen bei den Eltern meines neuen Lebensgefährten eingeladen - wir waren seit zwei Jahren ein unzertrennliches Paar in getrennten Wohnungen. Auch hier durfte ich mich an den lieb gewonnenen Ritualen einer eingespielten Weihnachts-Familie, vielmehr eines Ensembles, wärmen: Wann werden die Lichter am Baum angezündet? Die Bescherung vor oder nach dem Essen? Alle gleichzeitig auspacken oder nacheinander? Sticheleien, hübsch verpackt mit wortgewandten Schleifen. Meine Rettung war großzügig ausgeschenkter Portwein und ein Kaminfeuer, das ich solcher Pracht noch nicht gesehen hatte. Tralalala, das Fest der Liebe, nein, keine Gans, danke sehr, ich esse vegetarisch. „Wirklich? Interessant, ist ja jetzt modern.“ „Ja, ich bin seit 30 Jahren Vegetarierin. Aber der Rotkohl ist vorzüglich, wirklich.“ Beim Abwasch in der Wohnküche in den Ausmaßen einer Scheune raunte mir leise die erwachsene Tochter meines Lebensabschnitts-Liebsten zu (ein umwerfend attraktives wie selbstbewusstes Einzelkind) : „Ich bin gespannt, wer von uns den Kampf um die Gunst meines Daddys gewinnt!“ Mir klingelten die Ohren. Patchwork ist ein Arschloch.

ODEEH Patches Tasche bald bei uns im Shop:)

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