Passt (nicht)

Stellt euch mal vor, man würde euch zum Dessert Schokoladenpudding mit Zwiebelsauce servieren. Oder jemand würde in Fischerstiefeln und der neuesten Robe von irgend einem Spitzendesigner über den roten Teppich gehen. Oder Frau Professor würde aus ihrer Pixi-Bibliothek vorlesen. Passt perfekt? So perfekt wie die Faust aufs Auge.

Noch eine absurde Vorstellung gefällig? Wie wär’s mit Mama Venditti am Jovanotti-Konzert im St. Jakob-Stadion in Basel? Wie, das könnt ihr euch nicht vorstellen? Nun, falls ihr gestern zufällig bei Jovanotti wart und ganz hinten in der Menschenmenge eine zu kurz geratene Frau gesehen habt, die nicht so recht wusste, ob sie sich nun auf die Zehenspitzen stellen sollte, um etwas zu sehen oder ob sie sich vielleicht an den Rand des Geschehens verkrümeln sollte, damit sie den Tanzenden nicht im Weg herum steht, eine Frau, die sich nie so richtig entscheiden konnte, ob sie die Ohrenstöpsel drin lassen oder rausnehmen sollte und die auch dann, als wirklich der letzte aller verklemmten Schweizer zu tanzen angefangen hatte, noch bocksteif dastand, – falls ihr so jemanden gesehen habt, dann könnt ihr sicher sein, dass ich das war.

Mama Venditti und Jovanotti, das passt irgendwie nicht, obschon ich den Mann ganz sympathisch finde, seine politischen Ansichten im Grossen und Ganzen teile und gar das eine oder andere Lied ziemlich nett finde. Aber hemmungslos tanzen, mich völlig vergessen und von der Musik mitreissen lassen, nach einer Zugabe schreien? Passt nicht zu mir. Dazu bin ich weder cool genug, noch entspannt genug. Bei solchen Gelegenheiten bleibe ich die stille Beobachterin am Rande, die sich daran freut, dass ihre Begleitpersonen einen netten Abend haben.

Wer nun glaubt, der gestrige Abend müsse ganz furchtbar gewesen sein für mich, der irrt. Ich habe mich so köstlich amüsiert wie schon lange nicht mehr. Denn auch wenn ich selber nicht ins Geschehen passe, Spass macht es mir dennoch, mal einen Besuch in einer mir vollkommen fremden Welt abzustatten. Auch wenn ich selber nicht kreische vor Freude, so finde ich es dennoch äusserst interessant, anderen dabei zuzusehen, wie sie sich mitreissen lassen. Auch wenn ich selber so zurückhaltend bleibe wie eh und je, mir gefällt es trotzdem, wenn andere aus sich herauskommen und sich vollkommen vergessen. Hin und wieder kann es ganz unterhaltsam sein, anderen dabei zuzusehen, wie sie sich amüsieren. Und deswegen habe ich den gestrigen Abend genossen, auch wenn ich nicht so richtig ins Bild gepasst habe.
Passt (nicht)



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