Berufswunsch: Kind

„Nur mal schnell zur Post und danach noch ein paar Joghurts einkaufen.“ Was so einfach tönt, wird mit dem Zoowärter und dem Prinzchen zu einem neunzigminütigen Abenteuerspaziergang mit Balancieren auf hohen Mauern, mit Schrecksekunden am Fussgängerstreifen, mit Diskussionen über die Frage, weshalb Rosen und Brombeerranken überhaupt Dornen haben und natürlich mit unzähligen „Nun kommt doch endlich! Der Papa wartet zu Hause“ und „Nein, Jungs, wir müssen hier durch und passt bitte auf, da vorne ist ein Auto.“ Stress pur also, aber wenn sich dabei der folgende Dialog über des Zoowärters berufliche Zukunft entspinnt, hat sich der Aufwand mehr als gelohnt:

Der Zoowärter findet am Wegrand einen Stecken. Anfangs ist es ein ganz gewöhnlicher Stecken, dann ein Wanderstab und schliesslich wird er zum Hirtenstab. „Den brauche ich dann später einmal, wenn ich für meine Schafe sorgen will“, erklärt mir der Zoowärter. „Dann willst du also später einmal Schafhirte werden?“, frage ich meinen Zweitjüngsten. Der Kleine bejaht, erinnert sich dann aber wieder an seinen Polizisten-Pyjama, den er heute bekommen hat- oder „übergschänkt“, wie das Prinzchen sagen würde. „Nein, ich will nicht Schafhirte werden“, sagt er nachdenklich. „Ich werde Polizist und dann kann ich den Stecken ja auch gebrauchen.“ Vor meinem inneren Auge ziehen Schreckensbilder auf  von Polizisten, die auf Demonstranten einknüppeln. Nicht, dass ich grundsätzlich etwas gegen Polizisten hätte, aber woran soll ich denn sonst denken, wenn mein Sohn mir erklärt, dass er als Polizist einmal seinen massiven Holzknüppel gebrauchen will? Während ich mir noch überlege, ob ich dem Zoowärter das mit der Karriere bei der Polizei ausreden soll, sagt er entschlossen: „Nein, ich glaube, ich will doch nicht Polizist werden. Ich will lieber für immer ein Kind bleiben.“

Hach, was bin ich stolz auf meinen Sohn! Lässt einfach so, an einem heissen Mittwochnachmittag mitten im Verkehrslärm und ohne gross zu überlegen einen Spruch raus, der das Herz einer jeden erwachsenen Romantikerin wärmt. Ein Satz für’s Bilderbuch, findet ihr nicht auch?

Und stellt euch nur vor, wie ich mich mit ihm dereinst im Altersheim werde brüsten können, wenn meine Freundinnen mit der glanzvollen Karriere ihrer Kinder prahlen. „Meine Tochter, die Bundesrätin, ist ja so unglaublich beschäftigt. Aber sie nimmt sich immer Zeit, mir eine Postkarte zu schicken, wenn sie sich mit dem Präsidenten der USA trifft“, wird die eine mit gespielter Bescheidenheit erzählen. „Tja, mein Sohn hat ja auch so schrecklich wenig Zeit für mich, seitdem er den Nobelpreis für Literatur verliehen bekommen hat. Seither hetzt er von einer Lesung zur anderen. Dafür wird er mir seinen nächsten Bestseller widmen“, wird eine andere erzählen. Ich werde schweigend daneben sitzen und gelassen zuhören, wie die Frauen sich gegenseitig zu übertrumpfen suchen. Irgendwann wird mich jemand fragen, was denn überhaupt aus meinem Zweitjüngsten geworden sei und dann werde ich voller Stolz verkünden können: „Mein Zweitjüngster, der hat schon als Vierjähriger gewusst, worauf es im Leben wirklich ankommt und deshalb hat er alles daran gesetzt, immer ein Kind zu bleiben.“

Und dann wird all den alten Damen die Spucke wegbleiben, weil mein Sohn schon so früh die Weichen für die wichtigste Karriere der Welt gestellt hat. Jetzt muss ich nur noch herausfinden, wie ich dafür sorgen kann, dass der Junge ob all der Versuchungen, viel Geld zu machen, sein Karriereziel nicht aus den Augen verliert.

Berufswunsch: Kind



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