Wer heute noch von Krawatten spricht, geschweige denn sie regelmäßig oder gar freiwillig trägt, gehört heute bereits zu einer echten männlichen Randgruppe – Krawatten gelten als gestrig, als überkommen. Ich selbst vertrete seit einigen Jahren die Überzeugung, dass die Krawatte in Zukunft gerade nicht den Weg gehen wird, den ihr die Modebranche seit einer gefühlten Ewigkeit voraussagt: den Weg in die Irrelevanz. Krawatten wird es auch in Zukunft geben, sie werden nicht aussterben. Was dem Produkt Krawatte aber bevorsteht, ist ein radikaler Bedeutungswandel, wie ihn in der jüngeren Vergangenheit bereits andere Accessoires durchgemacht haben. Was wir heute als alltägliches Produkt in zahlreichen Preisklassen kennen, wird, um zu überleben, seinen Weg in die Nische eines Luxusartikels finden müssen. Wie das geht, machen Füllfederhalter und mechanische Uhren seit Jahren vor. Brauchen tut man sie längst nicht mehr, es gibt schließlich schnellere, einfachere, günstigere, präzisere Alternativen. Was aber weder ein Kugelschreiber noch eine digitale Quarzuhr vermitteln können, ist das Bewusstsein einer geschmacklichen Verfeinerung, mithin eines Lebensgefühls. Wer heute noch mit einem Füllfederhalter schreibt, tut das in aller Regel bewusst und zeigt damit mehr oder weniger absichtlich seine Affinität zu den schönen Dingen des Lebens. Auch die Krawatte wird diesen Weg einschlagen und damit qualitative Dimensionen erreichen, die ihr bislang verwehrt bleiben mussten – dies wird sich unvermeidlicherweise auch auf ihre Preisgestaltung auswirken.
Italien führt
Diese Entwicklung haben italienische Cravatiers bislang entweder besser verstanden oder konsequenter umgesetzt als ihre englischen Konkurrenten und so kommt die Crème de la crème der Krawattenkunst mittlerweile aus Mittel- und Süditalien. Eines dieser aufstrebenden Unternehmen ist Passaggio Cravatte. Gianni Cerrutti, der das Label gegründet hat, produziert ausschließlich handgefaltete Krawatten und verarbeitete bevorzugt alte Stoffe. Um die Schönheit eines alten Seidendrucks nicht durch unnötigen Zierrat zu verstellen, wird so wenig Einlage- und Futtermaterial wie möglich verwendet. Die Kanten der Krawatten sind häufig handrolliert. Die Krawatte, die ich vor kurzem per Post entgegennehmen durfte, ist siebenfach gefaltet und lediglich leicht gefüttert. Sie ist aus nur zwei Stücken Seide gearbeitet, was den Zuschnitt des Obermaterials erheblich aufwendiger und teurer gestaltet, als dies bei der heute üblichen dreiteiligen Konstruktion der Fall wäre.
Besonders auffällig ist die erstaunliche Leichtigkeit meiner Krawatte. Die verwendete Seide, ein bedrucktes Leinwandgewebe, ist so dünn und porös, dass man durch sie hindurchsehen kann. Am Hals fällt die Krawatte dank ihres geringen Gewichts nicht auf, Knoten binden sich mit etwas Übung sehr schön und halten den ganzen Tag. Durch ihre zarte Konstruktion ist eine handgefaltete Krawatte immer etwas weniger Stabil als ihr industriell gefertigtes Pendant, was aber nicht weiter schlimm ist – es gibt sicher verschleißanfälligere Accessoires als eine Krawatte. Alles in allem halte ich die Krawatten von Passaggio für empfehlenswert. Sie haben allerdings ihren Preis, was jedoch meine Eingangsthese nur bestätigt. Gute Krawatten wird es weiterhin geben. Passagio ist der lebende Beweis.
Der Artikel Passaggio Cravatte: Seven Fold Extraordinaire ist zuerst auf Stilschreiber erschienen.