Das Christentum hat uns um die Früchte der Antike gebracht.
Friedrich Nietzsche
Unwissende Zeitgenossen der "christlichen Hemisphäre" vertreten die Ansicht, das Christentum hätte die Menschen moralisch erhöht. Theologen behaupten auch derartiges, allerdings wider besseren Wissens. Und selbst im realexistierenden und "atheistischen" Sozialismus ging man gegen diese Lüge nicht an, sondern lehrte sie an den Schulen.
Tatsache ist, dass das Christentum zu keiner Zeit eine Einheit darstellte, nicht friedlich daherkam und der Siegeszug des Christentums eine moralische Erniedrigung des Menschen bedeutete. Kein Weiser (Philosoph), der diesen Namen auch verdient hätte und als solcher in die globale Geschichte einging bzw. als solcher auch zeit- und kulturübergreifend gilt, hat jemals ein gutes Wort über das Christentum verloren.
Das der Normalbürger noch nicht einmal heutzutage Kenntnis von den schärfsten Kritikern der Christenheit und ihrem Werk erlangt, ist der Niedertracht dieser religiös anmutenden und weltbeherrschenden Ideologie und ihren Einflüssen, selbst auf unsere vermeintlich säkularisierte Gesellschaft, zu verdanken. Davor bleibt noch nicht einmal die höhere Ausbildung an staatlichen Eliteuniversitäten verschont.
Wenn Dreiecke einen Gott hätten, würden sie ihn mit drei Ecken ausstatten.
de MontesquieuIn der Antike wurde bereits das Christentum von der Intelligenz, und zwar lange bevor es zur Staatsreligion im Römischen Reich erhoben wurde, abgelehnt, demaskiert und als niedere Religion attackiert. Das Christentum war für die geistige Elite der Antike eine Religion der Armen, Verbrecher und Ungebildeten.
Die Christen versuchten dieses antike Erbe für immer zu vernichten und nur unter mühevoller Rekonstruktion gelang es, dieses Erbe in Teilen zurückzugewinnen.
Als Beleg hierfür möchte ich mit dem römischen Philosophen Kelsos (2. Jhd. n.Chr.) beginnen. Kelsos belegt übrigens, dass die Menschen damals nicht so ungebildet waren, wie uns das gerne eingeimpft wird und dass das Christentum keinen (religiösen) Fortschritt bedeutete. Das Gegenteil ist der Fall, wie dies auch schon Freund Nietzsche bemerkte.
Auch diejenigen, die Bibelkritik als heutige Fehlinterpretation* abtun wollen, weil wir angeblich kein Verständnis für die damalige Sprache haben, werden durch Kelsos eines besseren belehrt. Denn, wenn Kelsos nicht die Sprache der Bibel verstanden haben könnte, dann dürften wir heute, in einer meilenweit schnellebigeren Zeit, noch nicht einmal mehr die Werke von Tucholsky verstehen können. Der zeitliche Abstand zwischen dem Leben Kelsios und der Entstehung der Evangelien ist gleich unserem Abstand zu Tucholsky:
Gott
Ihrem Führer Moses sind die Ziegenhirten und Schafhirten gefolgt und haben sich durch plumpen Trug einreden lassen, es gebe nur einen einzigen Gott. (I,23,6)
Was hat denn ein solches Herabkommen des Gottes für einen Sinn? Etwa, damit er die Zustände bei den Menschen kennenlerne? Weiß er denn nicht alles? Er weiß es also, bessert's aber nicht , und es ist ihm nicht möglich, es mit göttlicher Macht zu bessern? War es ihm nicht möglich, es mit göttlicher Macht zu bessern, außer wenn er leibhaftig jemanden zu diesem Zwecke sandte? (IV,3)
Aber vielleicht war Gott bei den Menschen nicht bekannt und glaubte dementsprechend weniger geehrt zu sein und wünschte deshalb wohl bekannt zu werden und die Gläubigen und Ungläubigen auf die Probe zu stellen, wie die vor kurzem reich gewordenen Menschen, die mit ihrem Reichtum zu prahlen pflegen? Die Christen legen (also) Gott einen recht großen und ganz irdischen Ehrgeiz bei. (IV,6)
Wenn dies aber seine Werke sind, wie konnte denn Gott Böses schaffen? Wie kann er unfähig sein, zu überreden und zurechtzuweisen? Wie kann er, da sie undankbar und schlecht geworden sind, über sie Reue empfinden und seine eigene Kunst tadeln und hassen und drohen und die eigenen Geschöpfe zugrunde richten? Oder wohin wohl entführt er sie aus dieser Welt, die er selbst gemacht hat? (VI,53)
Daß aber sowohl einige von den Christen als auch Juden (sagen), ein Gott oder ein Sohn Gottes sei als Richter der irdischen Dinge entweder schon auf die Erde herabgekommen, dies ist das Schmählichste, und die Widerlegung bedarf auch nicht einmal langer Rede. (IV,2)
Ganz unglaubliche und abgeschmackte Märchen
Die Juden, in irgendeinem Winkel Palästinas zusammengekauert, vollständig ungebildete Leute, ohne die geringste Kenntnis davon, daß von Hesiod und unzähligen andern gottbegeisterten Männern diese Dinge schon längst in ihren Gedichten erzählt worden sind, haben ganz unglaubliche und abgeschmackte Märchen zusammengestellt, nämlich von einem Menschen, den Gott mit seinen Händen gebildet und dem er Atem eingeblasen habe, und von einem Weibe, aus der Seite (des Mannes genommen), von Geboten Gottes und von einer Schlange, die diesen entgegenarbeitet, und von einem Siege der Schlange über die Gebote Gottes; so erzählen sie ein Märchen wie für alte Weiber und stellen in ganz frevelhafter Weise Gott so dar, daß er sofort von Anfang an ohnmächtig und nicht einmal imstande wäre, einen einzigen Menschen, den er selbst gebildet, zum Gehorsam zu bringen. (IV,36)
Dann (erzählen sie) von einer Überschwemmung und von einem wunderlichen Kasten, der alles in sich barg, und von einer Taube und von einer Krähe als Boten, in dem sie die Geschichte von Deukalion verfälschen und leichtfertig behandeln. Denn sie erwarteten wohl nicht, daß diese Dinge ans Licht kommen würden, sondern haben sie geradezu als Märchen für unmündige Kinder erzählt. (IV,41)
Die Auserwählten
(Kelsos vergleicht >>das Geschlecht der Juden und Christen<< mit) >>einem Schwarm von Fledermäusen oder mit Ameisen, die aus ihrem Bau hervorkommen, oder mit Fröschen, die um einen Sumpf herum Sitzung halten, oder mit Regenwürmern, die sich in einem kotigen Winkel versammeln und miteinander streiten, welche von ihnen die größeren Sünder wären, und behaupten: Wir sind es, denen Gott alles zuerst offenbart und verkündigt; die ganze Welt und die Bahn der Himmelskörper läßt er im Stich und kümmert sich auch nicht um die weite Erde, sondern regiert uns allein und begrüßt uns allein durch seine Boten und hört nicht auf, zu senden und zu forschen, damit wir immer mit ihm verbunden bleiben.<< (IV,23)
Die christliche Sittenlehre ist dieselbe wie die der Philosophen
(Kelsos sagt über die >>christliche Sittenlehre<<), >>sie sei dieselbe wie die der anderen Philosophen und keine ehrwürdige noch neue Wissenschaft<<.(1,4)
(Zu den Aussagen der christlichen Schriften bemerkt er, daß) >>diese Dinge besser bei den Griechen ausgedrückt seien und ohne hochfahrendes Wesen und Ankündigungen, wie wenn sie von Gott oder dem Sohne Gottes kämen<<. (VI,1)
(Er sagt weiter, daß) >>der Ausspruch Jesu gegen die Reichen: >Es ist leichter, daß ein Kamel durch ein Nadelöhr gehe, als daß ein Reicher in das Reich Gottes eingehe<, geradezu aus Platon genommen sei, indem Jesus den platonischen Satz: >Unmöglich ist es, daß ein hervorragend guter Mensch zugleich auch hervorragend reich sei<, verfälscht habe<<. (VI,16)
Sie haben auch ein solches Gebot, welches fordert, daß man den Angreifer nicht abwehren solle; und wenn dieser, sagt es, (dich) auf den einen Backen schlägt, so halte du auch den andern hin. Auch diese Mahnung ist sehr alt und gar trefflich schon früher ausgesprochen; von ihnen aber ist sie in bäurischer Form wiedererzählt. Denn nach der Darstellung Platons hat sich Sokrates mit Kriton folgendermaßen unterhalten: >Man darf also unter keinen Umständen Unrecht tun. - Nimmermehr! - Also darf man auch nicht, wenn uns ein Unrecht zugefügt ist, mit Unrecht erwidern, wie die große Menge meint, da man eben durchaus kein Unrecht tun darf. - Offenbar nicht. - Wie aber nun? Darf man, mein Kriton, Böses tun oder nicht? - Man darf es doch wohl nicht, mein Sokrates. - Wie aber? Das Böse, daß man erleidet, mit Bösem zu vergelten, ist das gerecht, wie die große Menge sagt, oder nicht gerecht? - Keineswegs! - Ja, denn den Menschen Böses tun unterscheidet sich wohl gar nicht vom Unrecht tun. - Du hast recht. - Also darf man einem Menschen weder mit Unrecht erwidern noch Böses zufügen, selbst wenn man noch so viel Böses von ihm zu leiden hat.< Dieses sagt Platon und wiederum auch das Folgende: >Erwäge also auch du recht wohl, ob du gemeinschaftliche Sache mit mir machst und einverstanden bist und wir also bei unserer Beratung davon ausgehen können, daß es niemals recht sei, Unrecht zu tun oder mit Unrecht zu erwidern, oder wenn man selbst Böses erleidet, sich dadurch zu wehren, daß man seinerseits Böses tut, - oder ob du davon abstehen und mit diesem ersten Satze nichts gemein haben willst! Denn meine Meinung ist dies schon längst und auch jetzt noch.< Platon billigte also diese Ansicht, sie war aber auch noch früher von göttlichen Männern vertreten worden. Aber hierüber und über all das andere, was sie verfälschen, mag das Gesagte genügen; wer aber Lust hat, noch ausführlicher darüber nachzuforschen, wird es erfahren können. (VII,58)
Wunderglaube
Leuten, die betrogen werden wollen, hätten auch viele andere von der Art, wie Jesus war, erscheinen können. (II,8)
O Licht und Wahrheit! Mit seiner eigenen Stimme spricht er, wie auch ihr aufgezeichnet habt, unverhohlen aus, daß auch andere zu euch kommen werden, die ähnliche Wunder anwenden wie er, schlechte Menschen und Zauberer, und er nennt auch einen gewissen Satanas als Veranstalter solcher Dinge. So leugnet er auch selbst gar nicht, daß diese Wundertaten nichts Göttliches, sondern Werke ruchloser Menschen sind. Genötigt von der Wahrheit, hat er zugleich das Treiben der andern aufgedeckt und seine Taten gerichtet. Ist das nicht ein Frevel, wegen der nämlichen Werke den einen für Gott und die andern für Betrüger zu halten? Warum soll man denn nach diesen Werken die andern mit größerem Rechte für schlechte Menschen ansehen als diesen, indem man ihn selbst zum Zeugen nimmt? Von diesen Wundern hat er ja selbst zugestanden, daß sie nicht die Kennzeichen göttlicher Natur, sondern menschlicher Arglist und Bosheit seien. (II,49)
Eine Lehre für Ungebildete und Sünder
(Kelsos hält die christliche Lehre für >>einfältig<< und sagt,) >>sie habe nur bei einfältigen Leuten Herrschaft gewonnen, da sie selbst einfältig sei und wissenschaftlichen Charakters entbehre<<. (I,27)
(Er sagt weiter über die Christen, sie) >>ergriffen vor den Gebildeteren eiligst die Flucht, da diese für Betrug nicht zugänglich wären, suchten aber die Ungebildeteren zu verlocken<<. (VI,14)
Indem sie solche Leute (nämlich Ungebildete und Ungelehrte) von vornherein als würdig ihres Gottes bezeichnen, wollen sie offenbar nur die einfältigen, gemeinen und stumpfsinnigen Menschen und nur Sklaven, Weiber und Kinder überreden, und vermögen dies auch. (III,44)
Nun laßt uns hören, was für Personen die Christen einladen! Wer ein Sünder ist, sagen sie, wer unverständig, wer unmündig und wer mit einem Wort unglückselig ist, den wird das Reich Gottes aufnehmen. Meint ihr damit nicht den Sünder, nicht den Ungerechten und Dieb und Einbrecher und Giftmischer und Tempelräuber und Grabschänder? Was für andere Leute hätte wohl ein Räuberhauptmann berufen**? (III,59)
Warum aber wurde er nicht zu den Sündlosen gesandt? Ist es denn etwas Böses, keine Sünde begangen zu haben? (III,62)
Leibliche Auferstehung
Töricht ist auch ihr Glaube, daß, wenn Gott einmal wie ein Koch das Feuer herangebracht hätte, das ganze übrige Menschengeschlecht ausgebrannt werden würde, sie dagegen allein fortbestehen würden, und zwar nicht nur die Lebenden, sondern auch die längst schon Gestorbenen; diese würden wieder aus der Erde hervorkommen, bekleidet mit dem nämlichen Fleische wie früher. Es ist das eine Hoffnung, die geradezu für Würmer passend ist. Denn welche menschliche Seele dürfte sich wohl noch nach einem verwesten Leibe sehnen? Ist doch diese Lehre nicht einmal bei einigen von euch (Juden), auch nicht bei den Christen allgemein anerkannt; und wie sie ganz abscheulich und verwerflich ist, so kann sie auch unmöglich bewiesen werden. Denn welcher völlig zerstörte Leib wäre wohl imstande, zu seiner ursprünglichen Beschaffenheit und zu ebenjenem ersten Zustand, aus dem er gelöst wurde, zurückzukehren? Da sie hierauf nichts zu antworten wissen, so behelfen sie sich mit der höchst abgeschmackten Ausflucht, daß für Gott alles möglich wäre. (V,14)
Wer lügt da?
Werden sie nicht noch jenen Punkt erwägen? Wenn die Propheten des Gottes der Juden voraussagten, daß dieser der Sohn jenes Gottes sein werde, wie konnte denn jener Gott durch Moses anordnen, (die Juden) sollten reich sein und herrschen und die Erde erfüllen und ihre Feinde Mann für Mann hinmorden und ohne Unterschied des Geschlechtes töten, was er denn auch selbst nach dem Berichte des Moses vor den Augen der Juden tut, wobei er ihnen dann noch ausdrücklich für den Fall des Ungehorsams dasselbe wie den Feinden anzutun droht? Sein Sohn aber freilich, >>der Nazoräische Mensch<<, ordnet im Gegensatze dazu an, daß, wer reich oder herrschsüchtig sei oder auf Weisheit oder Ruhm Anspruch erhebe, gar keinen Zutritt zum Vater haben solle; man dürfe an Speisen und an seine Vorratskammer ebensowenig denken wie >>die Raben<< und an seine Kleidung noch weniger als >>die Lilien<<, und dem, der einmal geschlagen habe, solle man sich nochmals zum Schlage darbieten. Wer lügt da, Moses oder Jesus? Oder vergaß der Vater, als er diesen sandte, was er mit Moses verabredet hatte? Oder hat er seinen Sinn geändert und seine eigenen Gesetze verdammt und sendet deshalb den Boten mit ganz entgegengesetzten Bestimmungen ab? (VII,18)
*Wobei diejenigen sich zwangsläufig anmaßen, die einzig wahre Interpretation abliefern zu können.
** Diese rhetorische Frage (und III,62) kann als weise Voraussicht darüber angesehen werden, was das Christentum der Menschheit an unermesslichem Leid noch zufügen sollte. Bis zum heutigen Tag hat sich daran nichts geändert. Die Kriminalgeschichte des Christentums wird fortgeschrieben (u.a. durch "gods own country").