Nach Monaten des Wartens haben der Zoowärter und Luise heute endlich ihre Celli bekommen. Eigentlich hätten wir sie ja bereits früher holen wollen, doch dem Instrumentenbauer ist unser Termin vergessen gegangen und so war es eben erst heute soweit. Wie ich so in dem stilvoll eingerichteten, mit wunderschönen Streichinstrumenten vollgestopften Stübchen sass und meinen zwei Kindern dabei zusah, wie sie ihre Instrumente auswählten, dämmerte mir, auf was für ein Wagnis wir uns da einlassen. Zwei majestätische, handgefertigte, teure Instrumente würden heute in unser so gar nicht majestätisches, sondern äusserst chaotisches Zuhause, in dem es in diesen Regentagen nur so von überdrehten Kindern wimmelt, einziehen. Ob das gut gehen kann?
Weil ich nicht die geringste Lust verspüre, in zwei Wochen mit gesenktem Blick und einem zerkratzten Cello beim Instrumentenbauer aufzukreuzen, zwang ich mich dazu, dem Zoowärter eine kleine Moralpredigt zu halten: “Du weisst ja, dass es zwei ganz unterschiedliche Zoowärter gibt”, begann ich mit ernster Pädagoginnenstimme. “Der eine ist wild und kämpferisch, der andere zart und vorsichtig. Der Zarte, Vorsichtige darf Cello spielen, aber der Wilde, Kämpferische muss seine Finger von dem Instrument lassen. Ist dir das klar?” Der Zoowärter sah mich mit grossen Augen an und nickte brav. Trotzdem wiederholte ich meine Predigt noch einmal, schmückte hier noch etwas aus und fügte da noch eine Warnung hinzu, bis ich mir sicher war, dass der Zoowärter auch wirklich verstanden hatte.
“Versprochen, ich lasse den wilden Zoowärter nie in die Nähe des Cellos”, sagte er schliesslich und ich war in grosser Versuchung, mir auf die Schulter zu klopfen, weil es mir für einmal gelungen war, so richtig pädagogisch wertvoll daherzuschwätzen. So, wie das die Mütter machen, die immer erst einen Erziehungsratgeber zu konsultieren scheinen, ehe sie sich liebevoll und geduldig ihrem Kind zuwenden. Vielleicht sollte ich öfter so mit meinen Kindern reden.
Vielleicht aber auch nicht. “Wie redest du denn mit dem Zoowärter, Mama?”, fragte Luise nämlich spöttisch. “Der Junge ist doch nicht blöd. Der versteht dich auch, wenn du normal mit ihm sprichst.”