Österreich: Erwin Pröll, die Kronen Zeitung und Rollenbilder


Hinweise für unsere deutschen Leser vorab:  Die “Neue Kronen Zeitung” ist der offizielle Name. Sie wird allgemein nur “Krone” genannt und ist die auflagenstärkste österreichische Boulevard-Tageszeitung.  Eine einfache Sprache und kurze Artikel ist der Stil der Kronen Zeitung. Wikipedia  schreibt, ihr Stil sei “massenfokussiert”. Der Name der Zeitung ist von ihrem ursprünglichen Preis,
1 Krone, abgeleitet.  Seit 1987 ist die WAZ-Mediengruppe aus Essen hälftige Eigentümerin des Blattes. Es gibt häufig Anschuldigungen, einige Redaktionsmitglieder der Zeitung würden (neo)faschistische oder antisemitische Positionen vertreten, was aber dezidiert nie gerichtlich nachgewiesen werden konnte. (1)
Erwin Pröll (*1946) ist ein österreichischer Politiker der ÖVP und seit 1992 Landeshauptmann von Niederösterreich (entspricht in etwa einem deutschen Ministerpräsidenten). Die Österreichische Volkspartei ÖVP ist als “bürgerlich-konservativ” einzuordnen und eine der beiden großen “Volksparteien” in Österreich.


Erwin Pröll und die Kronen Zeitung

Zwar beteiligte sich die Kronen Zeitung nicht an der Aktion des Frauennetzwerks Medien zum Internationalen Frauentag. Dabei wurden gezielt männliche Interviewpartner zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie, zu ihrem persönlichen Beitrag zuhause gefragt. Doch die Krone lieferte  nach dem Frauentag, in der Sonntagsbeilage am 10. März, einen unfreiwillig erhellenden Beitrag über Erwin Prölls Verhältnis zur Hausarbeit.


Die Lichtgestalt

Zunächst wurde auf einer Doppelseite ein Foto von Pröll am Abend der niederösterreichischen Landtagswahlen interpretiert, Überschrift: “Drängeln um die Lichtgestalt”. Da gab es etwa Staatssekretär Sebastian Kurz als “kleines Licht” oder Innenministerin Johanna Mikl-Leitner als “Marionette”, die nur tut, was Pröll sagt. Als “braver Bube” fungiert Vizekanzler Michael Spindelegger, der “Wendehals” mit im Bild ist Ex-SPÖ-Landesrat Emil Schnabl. Die “Übermutter” Sissi Pröll “trägt tapfer und treu ihren Ehemann durch das Leben als Lichtgestalt – sie ist auch an seiner Seite, wenn es nichts zu feiern gibt”. Eine Frau als Mutter nicht nur ihrer Kinder, sondern auch ihres Mannes? Die Krone gibt ihm auch eine “Tagesmutter” mit Soziallandesrätin Barbara Schwarz, die sich bei Pröll “ganz unauffällig unentbehrlich” mache.

Sissi und der Griff in die Klischeekiste

Zum Dank widmet die Kronen Zeitung Elisabeth Pröll dann ein von Marga Swoboda verfasstes Porträt auf zwei Seiten. In Swobodas etwas eigenwilligem Stil des abgehakten Aneinanderreihens von Sätzen wird wohl noch deutlicher, dass hierbei ganz tief in die Klischeekiste gegriffen wurde. Zunächst fragt sich, ob bei einer Story über einen Mann nicht der vollständige Vorname verwendet werden würde – aber gut, vielleicht mag Elisabeth Pröll es ja, wenn alle Welt sie Sissi nennt.

Sie “stemmt eine Familientafel mit links”, schreibt Swoboda gleich zu Beginn, ohne fremde Hilfe. Die Söhne und Töchter der Familie Pröll seien aber “von der Pike auf haushaltstüchtig erzogen worden. Der Landeshauptmann nicht. Sissi tät sich fürchten, wenn ihr der Erwin zur Hand ginge.” Und so ein Mann will über die Geschicke eines Bundeslandes bestimmen, auf die Bundespolitik immer wieder Einfluss nehmen?

Kluge, starke Mütterlichkeit!

Es sei keine trügerische Idylle, betont Swoboda, sondern “Lebenshaltung”. Frau Pröll erzählte ihr über sich, dass sie Einzelkind war, Familie haben und bei den Kindern sein wollte. Sie wurde Kinderkrankenschwester, übte den Beruf auch noch aus, als sie zwei Kinder hatte, beim dritten und vierten war es dann anders. Als der jüngste 13 war, hat sie wieder gearbeitet, ist heute in Pension und engagiert sich bei der Katastrophenhilfe Österreichischer Frauen.

Österreich: Erwin Pröll, die Kronen Zeitung und Rollenbilder


Laut Swoboda sind Opernball und dergleichen nichts für Frau Pröll, die am liebsten Kraft tankt, indem sie für ein paar Tage allein oder mit einer Freundin verreist. “Kluge, starke Mütterlichkeit hilft der Welt wirklich weiter als der ganze eitle gierige Testosteron-Wahnsinn, der die Welt beherrscht”, schreibt Swoboda. Nun steigt der Testosteronspiegel auch bei Frauen nach Erfolgserlebnissen, was etwa bei Sportlerinnen meßbar ist.

Konsequenterweise müsste man aus Swobodas Worten den Schluss ziehen, dass am besten diese “kluge, starke Mütterlichkeit” das Kommando übernimmt. Statt dass sich Frauen wie Elisabeth Pröll “nur” um Einzelschicksale kümmern, um Frauen, die behinderte Kinder versorgen, die pflegen müssen. Denn es sind Rahmenbedingungen, unter denen Frauen gerade um Vorstellungen von “Mütterlichkeit” zu entsprechen, sehr viel auf sich nehmen und oft kaum abgesichert sind.

Kein neues Kleid bleibt unbemerkt!

Wäre es nicht vielfach noch akzeptiert, Männern die Eignung für Haushalt, Kinderbetreuung, Pflege abzusprechen, brächten Entscheidungsträger mehr Lebensrealität in ihre beruflichen Tätigkeiten ein. Die Kronen Zeitung ist auch bemüht, das archaische Modell Pröll als absoluten Erfolg zu verkaufen: “Wie die Prölls an ihrer Liebe gearbeitet haben, sieht man nach mehr als vierzig Jahren noch, wenn sie einen Wald- und Wiesenweg miteinander gehen. Er bemerkt noch immer, wenn sie ein neues Kleid trägt.”

Warum beweihräuchert die Kronen Zeitung Rollenmodelle von vorgestern? Oder unterstellt sie den Prölls mehr, als real stattfindet? Benutzt sie diese Familie als Projektionsfläche, nachdem Erwin Pröll in der Zeit im Bild 2 am Internationalen Frauentag meinte, es sei gefährlich, ihn auch nur den Geschirrspüler einräumen zu lassen? Hat Elisabeth Pröll den Artikel über sich zufrieden oder achselzuckend gelesen, weil “die Medien” halt so sind?

Österreich: Erwin Pröll, die Kronen Zeitung und Rollenbilder


Eine Familienzeitung ?

Michael Jeanée betont bei seinen Angriffen auf Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek, dass die Krone eine Familienzeitung sei. Zuletzt ging es um die Forderung der Ministerin nach Gratis-Kondomen in Schulen – da verweis der Kolumnist süffisant darauf, dass bereits die frühere Familienministerin Andrea Kdolsky daran scheiterte. Die Krone wird immer gegen solche Bestrebungen sein, denn sie sei eine “Familienzeitung”. Aha, und Familienzeitungen sind also für Teenagerschwangerschaften, verstehen das unter Familie?

Offenbar sind Ministerinnen, die selbst keine Kinder haben, da weitaus vernünftiger als die “Familienzeitung” (davon abgesehen, dass beide wohl schaudern, wenn sie an die Rollenvorstellungen der Kronen Zeitung denken). Erwin Prölls fehlendes Verhältnis zur Hausarbeit zieht natürlich auch in anderen Medien seine Kreise. So verweist “Woman” (15.3.2013) wenig amüsiert auf Aussagen des Landeshauptmannes in Ö3.


“Halbe / halbe ist falsches Getue”
, meinte er nämlich im Radio, denn man “braucht eine Partnerin, die das, was zuhause zu tun ist, auch machen kann”. Oha, wie war das mit der in der Kronen Zeitung glorifizierten grossen Liebe? =Ist gleich Haushälterin? Arbeiten und Aufgaben kann man delegieren – niemand muss heutzutage mehr heiraten, damit jemand da ist, der sie erledigt. Partnerschaft gibt es nur auf Augenhöhe, gleichberechtigt, ganz egal, wer welchen Beruf hat und wie sehr beansprucht ist. Weder übernimmt eine Frau die “Mutterrolle” gegenüber einen Mann, noch dieser ihr gegenüber die “Vaterrolle” – das sollte unter geschlechtsreifen Erwachsenen selbstverständlich sein.

Hausarbeit und Rollenverständnis

Logischerweise wird ein Mensch, ob Mann oder Frau, der lange anstrengende Arbeitstage hat, nicht exakt die Hälfte der Hausarbeit übernehmen. Doch sie/er sollte gerade aus dem eigenen Alltag heraus verstanden haben, dass nicht jede Arbeit nur von einer Person getan werden kann. Meint ein Mann, der Landeshauptmann ist, dass etwa Putzen ebenfalls bloss von einem Menschen erledigt werden kann, nämlich von “seiner” Ehefrau? Ist Putzen etwa im Landhaus etwas substantiell Anderes, sodass es delegiert werden kann? Ist es gerecht. dass mann nicht mal selbst kochen oder Essen bestellen kann, um die Person zu entlasten, die zuhause den Löwenanteil übernimmt? Landeshauptmann sein ist sicher spannender als Hemden zu bügeln – kann man(n), kann auch eine Journalistin das nicht nüchtern feststellen?
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“Das bisschen Haushalt… macht sich von allein”

“Ich kann keinen Kaffee kochen, wenn ich allein zuhause bin, muss meine Frau Sissi immer telefonisch erreichbar sein, um mir die Handgriffe zu erklären”, sagte Pröll im Radio. Marga Swoboda schreibt, auf eine bevorstehende Reise von Frau Pröll nach Marseille anspielend:  “Und der Herr Landeshauptmann, der wird schon wissen, wo die frisch gebügelten Hemden sind.” Oder auch nicht – Frau Pröll wird ja via Handy permanent erreichbar sein müssen, falls der Herr des Hauses einen Kaffee trinken will. Einen Mann wie ein Kind zu behandeln, das nie erwachsen wird, ist offenbar das Krone-kompatible Familienmodell.

Das bischen Haushalt?

WählerInnen müssten sich eigentlich die Frage stellen, wie es Herr Pröll beispielsweise schafft, über das Landesbudget/den Landeshaushalt zu entscheiden – kann er sich da auch kein einziges Detail merken und braucht ständig ReferentInnen um sich, die ihm alles vorsagen? Dies wird man nicht im Ernst annehmen – sodass hier einfach archaische Vorstellungen als “Normfamilie” hingestellt werden. Frau Pröll macht von der Beschreibung her nicht den Eindruck, über ihre vermeintliche häusliche Unentbehrlichkeit Macht ausüben zu wollen. Dennoch unterstützt sie ihren Mann offenbar in dessen Glauben, dass Haushalt, und seien es die allereinfachsten Handgriffe, ein Buch mit sieben Siegeln und Frauensache ist.

Machtgehabe

Apropos “Testosteron”: Im Wahlkampf stellten nicht nur die Medien Erwin Pröll und Frank Stronach als Gegner dar, beide inszenierten sich auch so. Da gab es mehrmals Inserate von Stronach mit dem Vorwurf an Pröll, für die direkte Konfrontation zu feige zu sein. Pröll reagierte nicht direkt, weil dies bedeuten würde, sich auf eine Ebene mit einem Herausforderer zu begeben, sondern wurde schräg nach hinten über die Schulter blickend inseriert und plakatiert. “Versuch’ du es nur, versucht es nur!” vermittelt er so allen, die seine Mehrheit im Landtag brechen wollten.

Gerade Pröll ist sehr schnell bei der Hand mit abwertenden Aussagen über PolitikerInnen anderer Parteien – zwangsläufig trifft dies meist Männer, weil Politikerinnen eine geringere Rolle spielen. Allerdings darf angenommen werden, dass diese Männer einen Geschirrspüler mit links einräumen, einschalten, ausschalten und ausräumen, ebenso wie sie mit der Bedienung einer Kaffeemaschine klaglos zurechtkommen. Und der eine oder andere wird es nur fair finden, mal zu kochen, Essen zu bestellen und Hemden zu bügeln, die er selbst anzieht (oder wäre DIE Aufdeckerstory für unsere JournalistInnen: “Erwin Pröll bügelt heimlich! Alles nur Machogehabe!”? :-)

ein Beitrag von Alexandra Bader, Wien

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Quellen – weiterführende Links

Video: Johanna von Koczian – Das bisschen Haushalt 1977, youtube.com, Uploader: Fritz5143
Der Artikel Erwin Pröll und die Kronen Zeitung erschien am 17.03.2013 auf CeiberWeiber.at

(1) Erläuterungstext inhaltlich und auszugsweise aus wikipedia übernommen.

Links: @ Frauentag:
Das war der Internationale Frauentag
Talk über die Schönheitsindustrie
Fest 20 Jahre Frauenzentrum ega
Zur Aktion Männer und Vereinbarkeit
De Maiziere: Wehrdienst macht männlicher
Erwin Pröll und der gefährliche Geschirrspüler
(Kommentar zu Beitrag in der Zeit im Bild)


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