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Die Zeitschrift Orthopädieschuhtechnik berichtet in ihrer neuesten Ausgabe online über eine äusserst prekäre Entwicklung im Bereich des Gesundheitshandwerks Orthopädieschuhtechnik, die aufgrund der Recherchen der Opta data Abrechnungs GmbH ermittelt werden konnte (Klick):
„Orthopädieschuhtechnik laut Trendbarometer im Soll
Im 4. Quartal 2011 lag die orthopädieschuhtechnische Branche im Soll. Dies belegen die Kennzahlen des GKV-Trendbarometers der Opta data Abrechnungs GmbH.
Der durchschnittliche Umsatz eines Betriebes lag im letzten Quartal des Jahres 2011 mit 109,6 Punkten (Basis: 2006 = 100) knapp einen Punkt über dem Wert des 4. Quartals 2010. Um 3,5 Punkte gestiegen ist die Anzahl der Verordnungen (4. Quartal 2010 zu 2011). Der durchschnittliche Wert einer Verordnung dagegen steht beim Vergleich der vierten Quartale um 1,9 Punkte schlechter dar. Dabei sank dieser Wert im Bereich der Ersatzkassen weit weniger als bei den sogenannten RVO-Kassen (u. a. AOKn, BKKn).
Die Jahresbilanz zeigt ein ähnliches Bild wie die Entwicklung des 4. Quartals 2011. Der Umsatz stieg in den orthopädieschuhtechnischen Betrieben in 2011 gegenüber 2010 um 1,94 Prozent, die Anzahl der Verordnungen steigerte sich um 3,21 Prozent. Der durchschnittlich mit einem Rezept erzielte Umsatz sank im letzten Jahr verglichen mit 2010 um 1,23 Prozent. Bei den RVO-Kassen verzeichnet die Branche im Jahresvergleich ein Minus von rund 1,1 Prozent, während das Preisniveau bei den Ersatzkassen um 1,5 Prozent anstieg.
In das GKV-Trendbarometer der Opta data Abrechnungs GmbH, Essen, fließen Daten von zirka 700 orthopädieschuhtechnischen Betrieben ein.“
Es stellt sich die Frage: wie kommt es zu einer solchen erkennbar nachhaltigen und nicht schnell umkehrbaren Fehlentwicklung? Schliesslich tritt offensichtlich auf der Verordnungsseite genau das ein, was viele Branchenvertreter und nicht zuletzt der Präsident des Zentralverbandes für Orthopädieschuhtechnik, Werner Dierolf, immer wieder prognostiziert haben: durch die Veränderung der Altersstruktur der bundesdeutschen Bevölkerung kommt es zu einer immer höheren Produkt- und Leistungsnachfrage im Bereich der Gesundheitshandwerke, und damit natürlich auch im Bereich der Orthopädieschuhtechnik. Die Verordnungszahlen steigen, und zwar durchaus deutlich und in einem Maße, welches eigentlich auskömmliche Gewinnsteigerungen für die Unternehmen erwarten läßt.
Allerdings kann jedenfalls das Gesundheitshandwerk Orthopädieschuhtechnik diesen Trend zu mehr Verordnungen nicht angemessen in Gewinne umsetzen, die weitaus höherenVerordnungszahlen führen nur zu einer deutlich unterdurchschnittlichen Umsatzsteigerung, der Umsatz pro Rezept reduziert sich deutlich. Über die durch Opta Data gemessenen Kennzahlen hinaus dürfte dabei zu berücksichtigen sein, dass bundesweit eine nicht unerhebliche Inflation eingesetzt hat (man nehme nur die deutlich gestiegenen Energiekosten, die auch und gerade eine Dienstleistungsbranche wie die Orthopädieschuhtechnik mit voller Härte treffen), die die unterdurchschnittliche Umsatzentwicklung „auffrisst“ und Gewinnsteigerungen nicht mehr zulässt.
Man kann also feststellen, dass es nicht die Zahl der Patienten und Verordnungen ist, die das Handwerk bei deutlich steigenden Produktionskosten wirtschaftlich auf der Gewinnseite unter Druck setzt, sondern der Umstand, dass der Preisdruck der Kassen massiv zugenommen haben muss. Oder zusammengefasst: die Preise fallen bei gleichzeitiger Erhöhung der Kosten, und dies ist durch die Zunahme der Verordnungen nicht aufzufangen.
Die Frage ist: wie lange können es insbesondere Kleinbetriebe noch durchhalten, dass die Arbeitsbelastung immer grösser wird (schliesslich bedeuten mehr Verordnungen ja zunächst einmal auch Mehrarbeit für die Unternehmen der Branche), gleichzeitig aber die Rendite immer geringer?
Die Härte der Preisverhandlungen in einigen Gebieten Deutschlands zeigt dabei, dass dort die Schmerzgrenze erreicht sein dürfte; dies mögen zwar derzeit noch kleinere Gebiete sein, in denen die Betriebe traditionell mit hohen Kosten aufgrund der dortigen allgemeinen Lebenshaltungskosten zu kämpfen haben, aber niemand sollte sich in Sicherheit wiegen: kann diese gefährliche Entwicklung der immer niedrigeren Preise für immer mehr Leistung nicht aufgehalten werden, werden auch anderen Gebiete demnächst in ähnlicher Weise mit vertraglichen Preisgestaltungen konfrontiert sein, die kein (und schon gar kein auskömmliches) Einkommen ermöglichen.
Dem Slogan „Geiz ist geil“ liegt eben ein sehr kurzfristiges Denken zugrunde – und Anbieter von hochwertigen Dienstleistungen wie diejenigen der Orthopädieschuhtechnik merken eben sehr schnell, wenn eine solche Mentalität ihnen die Ausübung ihres Handwerks nicht nur erschwert, sondern unter Umständen sehr bald unmöglich macht.