Was sehe ich? Da, an dem Ort? Welcher Ort? Ist da etwas zu sehen?
Woher sollt Ihr wissen, welchen Ort das Bild zeigt? Eine dümmere Fragen kann man echt nicht stellen! Gerade bei dem Bild. Man sieht fast nichts.
Ort sehen – Ort zeigen
Schon wieder bin ich in der Fotografie, obwohl das nicht mehr das Hauptthema für die Zukunft sein soll. Das liegt daran, dass die Fotografie ursprünglich zu rein dokumentarischen Zwecken erfunden wurde. Nicht künstlerisch, dokumentarisch. Bereits der Antrieb zur Erfindung wollte nur ein Mittel zur Dokumentation. Erst spät in der Entwicklung wurde einzelnen Menschen klar, das sie damit mehr als nur tröge dokumentieren können. Ok, manche Leuten haben das bis heute nicht begriffen. Egal, die Spitze war mir ein Vergnügen. Darum geht es hier aber nicht.
Jede Abbildung hat zum Ziel, dem Betrachter einen bestimmten Ort zu zeigen. Zwar sind auch Personen, Tiere und Pflanzen der Zweck einer Abbildungen, aber das ist immer mit einem Ort verbunden. Jede Abbildung ist das Präsentieren einer Örtlichkeit. Basta. Mit Glück können wir noch weitere Informationen erhaschen. Aber dafür sind wir auf die Abbildung selbst angewiesen. Mehrinformationen sind immer im Bild enthalten. Je mehr Detail wir herauslesen können, um so wahrer und klarer erscheint uns die Bildaussage.
Ort ohne Kontur
Ort gesehen, Bild gemacht, gezeigt.
Ergebnis: Fragezeichen.
Oh, in dem Bild liegt schon eine Geschichte. Die ist aber nur ganz schwach zu erkennen. Der Ort war so dunkel, dass man auf dem Negativstreifen die Trennung der einzelnen Bilder nicht erkennen kann. Und zwischen Hell und Dunkel findet auch nicht viel statt. Fast keine Zwischentöne. Alles ist so unklar, dass man wenig erkennen kann. Blöd.
Sehe ich einen Ort, dann sind zum Zeitpunkt des Sehens für mich alle Informationen vorhanden. Diesen Ort kann ich dokumentieren. Fotografie machen, ab in die Kiste, soweit kein Zauberwerk. Gängige Praxis. Der Fotografierende weiß alles über Bild und Ort, der Bildbetrachter nichts. Er kann nicht wissen, wo das Bild aufgenommen wurde … es sei denn, der Eifelturm ist im Hintergrund zu sehen. Viele Bilder leben nur mit und vom Hintergrund. Ich mag die Logik des Erkennens jetzt nicht bis ins Kleinste diskutieren, weil mir eine andere Sache am Herzen liegt. Ich denke über die Veränderung der Realität nach, wenn der Ort nicht erkennbar ist.
Fotografie ??????
Denken wir uns in Portraitaufnahmen hinein. Man erkennt ein Zimmer. Mehr braucht es nicht. Egal ob das Zimmer in Hamburg, Berlin oder Moskau ist. Eventuell erkennt man ein ortstypisches Detail im Zimmer. Dann ist das doppelt gut.
Aktaufnahmen. Da verhält es sich wie mit den Portraits. Als Ortserkennen genügt die Einordnung in Schlafzimmer, Keller, Wald. Wenn mehr Details eine Ortszuweisung erlauben, dann ist es gut. Zumeist jedoch überflüssig.
Straßenbild. Da gibt es so viele Einzelheiten, die auf den Ort schließen lassen. Hauptsache das Bild ist hell genug, um Details zu zeigen. Auch das ist gut.
Tierpark, Zirkus, Standbar oder Einkaufszentrum. Wenn wir auf der Fotografie Details erkennen können, ist der Rückschluss auf den Ort möglich. Oder wie gesagt, Eifelturm, Schiefer Turm von Pisa, Zugspitze oder Watzmann.
Je weiter ich in einer Fotografie die Details reduziere, um so irrealer wird es. Ausnahme Makro-Aufnahmen. Sie wirken durch ihre reale Irrealität und zeigen ein Objekt, wie wir es anders niemals sehen würden. Da ist der Ort dann absolute Nebensache.
Diese Gedanken waren mir wichtig. Da ich so meine Probleme mit dem Fotografieren habe, beginne ich mich jetzt mit anderen Arten von Bildern zu befassen. Da habe ich entdeckt, dass diese Ortsgebundenheit nur in der Fotografie zwingend zu sein scheint. Natürlich, auch in der Malerei gibt es Bilder mit dem schiefen Turm im Hintergrund, aber wir finden auch Bilder ohne erkennbaren Hintergrund schön. Sogar Aktzeichnungen ohne Bezug auf Schlafzimmer, Keller, Wiesenlandschaft haben ihren Reiz. Ortsungebunden sozusagen.
Ganz ehrlich? Mir ist das jetzt erst bewusst geworden. Komisch. War ich so mit den Selbstverständlichkeiten der Fotografie verbunden, dass ich mich ihrem dokumentierenden Diktat ohne Nachzudenken unterworfen habe? Das macht mich sehr nachdenklich.
Schlussbemerkung und Warnhinweis
Die hier geäußerten Gedanken sind nicht 100% schlüssig und auch noch nicht fertig gedacht. Wer hierüber den Kopf schütteln möchte, soll dies tun. Wenn man den Kopf nach oben reckt und dabei die Wirbelsäule streckt, wird die Abnutzung durch Kopfschütteln auf ein minimales Niveau reduziert. Gesundheitliche Gefahren bestehen dann nicht. Wer jedoch zu heftig schüttelt, kann in die Gefahr eines Schleudertraumas geraten.
Wer jedoch durch meine Gedanken zu eigenen Gedanken angeregt wurde, kann gerne einen Kommentar hier hinterlassen.
Tschüss, bis demnächst.