Ornament und Verbrechen
Die Goldenen Zitronen
Haus der Kunst, München, 8. Oktober 2015
Eine Kombination, mit viel Spannung erwartet, weil sie neben vielen Erinnerungen gute Unterhaltung versprach: Auch wenn Schorsch Kamerun und seine Goldies, wie er sie liebevoll nennt, nicht unmittelbar zum handverlesenen Ausstellungskanon der „Genialen Dilletanten“ im Haus der Kunst zählten – sie gemeinsam mit Ornament und Verbrechen, dem legendären experimentellen Bandprojekt der Gebrüder Lippok für die Derniere der kleinen Schau auf die Bühne zu holen, war sicher kein Fehler. Beide Formationen wurden ungefähr zur selben Zeit, also Mitte der Achtziger, gegründet, die Zitronen in Hamburg, O+V in Ostberlin und beide erwiesen sich als originär und auf ihre Art stilbildend und trugen so maßgeblich zur oft gepriesenen Vielfalt der entstandenen Subkultur bei. So gut sie zusammenpaßten, so unpassend schien ihnen offensichtlich selbst der Ort der Veranstaltung. Zugegeben, der sterile Quader im Speer-Bau hat weder den Klang noch den Charme eines lauschigen Kiezclubs – dass Okwui Enwezor, quasi als ‘Haus-Meister‘ seinem erklärten Ziel, das steinerne und verrufene Ungetüm im Laufe seiner Amtszeit in minimaler Höhe zum Schweben zu bringen, durch kluge Ausstellungspolitik und Konzerte wie diese immer näher kommt, das hätte man vielleicht auch mal goutieren können, statt den wohlfeilen Abrißparolen einfach hinterherzugrölen.
Sei’s drum – sie gaben sich Mühe. Die Ornamente zunächst einmal mit Lautstärke und zwar derart gründlich, dass die vorderen Reihen aus Uraltfans sich so schnell wieder lichteten wie sie zuvor erwartungsfroh Aufstellung genommen hatten, im hinteren Teil des ausverkauften Saales war dagegen kein freier Platz mehr zu finden. Technoide Bleeps und Beats für die Magengrube, verzerrte, sich überlagernde Störgeräusche, dazu malträtierte Ronald Lippok sein Schlagwerk und Bruder Robert versuchte derweil, mittels einer Vielzahl blinkender Kästchen, Knöpfe und Regler die eine oder andere zwingende Melodie zu erzeugen. Ohne Zweifel hatten die beiden mitsamt ihrer mobilen Nebelmaschine ausreichend Spaß, wirklich originell oder gar revolutionär wie zu Zeiten ihres Entstehens wirkten die Stücke allerdings selten, was auch daran liegen könnte, dass das Equipment, damals wenigen aus der Not geboren, heute zum Handwerkszeug vieler gehört.
Die Goldenen Zitronen dagegen konnten etwas mehr an Abwechslung und (ihrem Selbstverständnis entsprechend) auch die griffigeren Texte bieten. Deutlich näher dran am Heute – sie haben ja gerade erst ein Album mit englischsprachigen Neubearbeitungen älterer Stücke vorgelegt – hatten sie somit auch etwas mehr zu sagen. Der „Turnschuh”, obschon einige Jahre auf dem Buckel, bietet auch jetzt kaum Platz für Umdeutungen, dafür um so mehr Parallelen und passt deshalb perfekt zu Ort und Zeit. Jazziges Improtheater, bissig-komisches Monologisieren, die Merkel ist jetzt linksradikal, Stimmungshochhalter, Kaufleute, Bert Brecht – man konnte sich schon amüsieren. Und trotzdem hatte man auch hier den Eindruck, die Bindung zum Publikum wollte ihnen nicht so recht gelingen – Ted Gaiers verunglückte und etwas hilflose Brandt-Persiflage war dafür ein passendes Indiz. Beide Bands blieben letztenendes eher glanzlose Exponate einer spannenden, aber eben doch längst vergangenen Zeit, man schaut und hört interessiert zu, um später zögerlich weiterzugehen (schon vor der Zugabe hatten sich viele Zuschauer auf den Heimweg gemacht), am Ende also leider kein Abend für’s private Geschichtsbuch.
Die Goldenen Zitronen
Haus der Kunst, München, 8. Oktober 2015
Eine Kombination, mit viel Spannung erwartet, weil sie neben vielen Erinnerungen gute Unterhaltung versprach: Auch wenn Schorsch Kamerun und seine Goldies, wie er sie liebevoll nennt, nicht unmittelbar zum handverlesenen Ausstellungskanon der „Genialen Dilletanten“ im Haus der Kunst zählten – sie gemeinsam mit Ornament und Verbrechen, dem legendären experimentellen Bandprojekt der Gebrüder Lippok für die Derniere der kleinen Schau auf die Bühne zu holen, war sicher kein Fehler. Beide Formationen wurden ungefähr zur selben Zeit, also Mitte der Achtziger, gegründet, die Zitronen in Hamburg, O+V in Ostberlin und beide erwiesen sich als originär und auf ihre Art stilbildend und trugen so maßgeblich zur oft gepriesenen Vielfalt der entstandenen Subkultur bei. So gut sie zusammenpaßten, so unpassend schien ihnen offensichtlich selbst der Ort der Veranstaltung. Zugegeben, der sterile Quader im Speer-Bau hat weder den Klang noch den Charme eines lauschigen Kiezclubs – dass Okwui Enwezor, quasi als ‘Haus-Meister‘ seinem erklärten Ziel, das steinerne und verrufene Ungetüm im Laufe seiner Amtszeit in minimaler Höhe zum Schweben zu bringen, durch kluge Ausstellungspolitik und Konzerte wie diese immer näher kommt, das hätte man vielleicht auch mal goutieren können, statt den wohlfeilen Abrißparolen einfach hinterherzugrölen.
Sei’s drum – sie gaben sich Mühe. Die Ornamente zunächst einmal mit Lautstärke und zwar derart gründlich, dass die vorderen Reihen aus Uraltfans sich so schnell wieder lichteten wie sie zuvor erwartungsfroh Aufstellung genommen hatten, im hinteren Teil des ausverkauften Saales war dagegen kein freier Platz mehr zu finden. Technoide Bleeps und Beats für die Magengrube, verzerrte, sich überlagernde Störgeräusche, dazu malträtierte Ronald Lippok sein Schlagwerk und Bruder Robert versuchte derweil, mittels einer Vielzahl blinkender Kästchen, Knöpfe und Regler die eine oder andere zwingende Melodie zu erzeugen. Ohne Zweifel hatten die beiden mitsamt ihrer mobilen Nebelmaschine ausreichend Spaß, wirklich originell oder gar revolutionär wie zu Zeiten ihres Entstehens wirkten die Stücke allerdings selten, was auch daran liegen könnte, dass das Equipment, damals wenigen aus der Not geboren, heute zum Handwerkszeug vieler gehört.
Die Goldenen Zitronen dagegen konnten etwas mehr an Abwechslung und (ihrem Selbstverständnis entsprechend) auch die griffigeren Texte bieten. Deutlich näher dran am Heute – sie haben ja gerade erst ein Album mit englischsprachigen Neubearbeitungen älterer Stücke vorgelegt – hatten sie somit auch etwas mehr zu sagen. Der „Turnschuh”, obschon einige Jahre auf dem Buckel, bietet auch jetzt kaum Platz für Umdeutungen, dafür um so mehr Parallelen und passt deshalb perfekt zu Ort und Zeit. Jazziges Improtheater, bissig-komisches Monologisieren, die Merkel ist jetzt linksradikal, Stimmungshochhalter, Kaufleute, Bert Brecht – man konnte sich schon amüsieren. Und trotzdem hatte man auch hier den Eindruck, die Bindung zum Publikum wollte ihnen nicht so recht gelingen – Ted Gaiers verunglückte und etwas hilflose Brandt-Persiflage war dafür ein passendes Indiz. Beide Bands blieben letztenendes eher glanzlose Exponate einer spannenden, aber eben doch längst vergangenen Zeit, man schaut und hört interessiert zu, um später zögerlich weiterzugehen (schon vor der Zugabe hatten sich viele Zuschauer auf den Heimweg gemacht), am Ende also leider kein Abend für’s private Geschichtsbuch.