Der Konzertmeister des OPS Vladlen Chernomor (c) OPS
Das OPS, das Philharmonische Orchester Straßburg, war an diesem Wochenende im Dauereinsatz. Vielmehr oder besser, genauer gesagt, verschiedene Auskoppelungen des großen Klangkörpers. Vom Donnerstag bis Samstag spielten ca. 1/3 der Musikerinnen und Musiker unter dem Dirigenten Martin Fischer-Dieskau an drei verschiedenen Spielorten im Elsass – in Benfeld, Saales und Scherwiller. Am Samstag hatte wiederum ein Teil der Musiker Premiere im Veranstaltungszentrum Illkirch – bei einer Produktion der Opéra national du Rhin und zwar mit „Il matrimonio segreto“ von Domenico Cimarosa und am Sonntag gab es ein Kammerkonzert mit einem Duo, Trio und einem Quintett – allesamt rekrutiert aus dem OPS in Straßburg. Hier war es die junge Garde, die zeigen durfte, wie sie ihre Instrumente beherrscht, oder besser, welche Qualität ihr Spiel vorweisen kann.„Es ist eine Riesenherausforderung für den Solisten, vor seinem eigenen Orchester ein Konzert zu spielen“ kommentierte der Dirigent Martin Fischer-Dieskau kurz und bündig die Rolle Vladlen Chernomors, die er unter seiner Stabführung an drei Abenden hintereinander einnahm. Er spielte den Solopart des Konzertes Nr. 5 von Wolfgang Amadeus Mozart und präsentierte sich damit erstmals nicht nur einem größeren Publikum, sondern auch seinen Kolleginnen und Kollegen als Solist. Chernomor war der Herausforderung gewachsen und gestaltete sein Spiel im Sinne einer Stimmführung des Orchesters. Die technischen Herausforderungen der ersten beiden Sätze, vor allem das Solo des Allegro, meisterte er ohne Fehlgriffe und überzeugte gerade im letzten Satz ganz besonders, der ihm auf den Leib geschrieben schien. Er ließ die Musik tanzen, springen und im türkischen Marsch besonders zornig ihre Stimme erheben, was deutlich machte, dass der Konzertmeister des OPS Feuer im Blut hat, das er auf seine Geigensaiten übertragen kann. Ein Presto von Bach als Zugabe zeigte noch einmal seine technischen Künste. Schade, dass der Saal in Benfeld akustisch nicht optimal ist. So waren Feinheiten seines Spiels zwar im Tempo, aber nur geringfügig in der Lautstärkenmodulierung zu hören. Vielleicht hat Chernomor einmal die Möglichkeit, im Saal Erasme in Straßburg als Solist aufzutreten, die Akustik dort wäre hervorragend.
Martin Fischer-Dieskau hatte dankenswerterweise die Leitung der drei Konzerte übernommen, für die eigentlich Darrell Ang vorgesehen war, der jedoch aufgrund der Aschewolke über Europa nicht anreisen konnte. Neben Mozart stand die Symphonie N. 88 von Joseph Haydn und die 5. Symphonie von Franz Schubert auf dem Programm. Wer Mozarts Cosi fan tutte im Ohr hat, wird sicherlich Haydns Symphonie, die er zwei Jahre vor der Mozartoper schrieb, als schönen Vergleich heranziehen können. Gibt es doch Passagen darin, die sich sehr ähneln und vom selben Belcantogeist getragen sind. Die Musikerinnen und Musiker des OPS zeigten einmal mehr auch ihre solistischen Stärken. Fischer-Dieskau beschränkte seine Zeichensprache auf ein Minimum, dirigierte Mozart und Schubert auswendig und arbeitete mit dem Orchester hauptsächlich durch mimische Verständigung. Der Rhythmus des ersten Schubertsatzes fuhr ihm jedoch sichtbar von den Zehen bis in die Fingerspitzen. Schuberts Tempoangaben folgte er besonders in den schnellen Sätzen, was dazu führte, dass keine Momente aufkamen, in denen Schuberts Musik in klebrige, zuckersüßliche Emotionen abgleiten konnte, was dem Werk eine schöne Spannung verlieh. Im Allegro vivace des vierten Satzes, in dem die Celli und Bässe nur so dahinbrausten, ließ Fischer-Dieskau trotz des hohen Tempos schöne Differenzierungen in der Lautstärke zu.
Das junge Kammermusikensemble des OPS (c) mp
Das Kammerkonzert am Sonntag stand ganz im Zeichen der Musik des 20. Jahrhunderts. Mit den Werken von Bohuslav Martinù, Erwin Schulhoff und Serge Prokofiev war ein Repertoire ausgewählt worden, das dem Publikum Wohlklang aber auch Spannung anbot. Evelina Antcheva (Geige) und Angès Maison (Bratsche) eröffneten mit den „Drei Madrigalen für Geige und Bratsche“ Martinùs das Konzert. In den drei Sätzen der Komposition schaffte es der Komponist, den beiden Instrumenten eine große Bandbreite an Ausdrucksmitteln zur Verfügung zu stellen. Die in Sofia geborene Antcheva lief im ersten Satz aufgeregt vor der Bratsche davon, die sich beruhigend im Hintergrund hielt. Der Stimmunswechsel des zweiten, flirrenden Satzes, an dessen Ende sich die Instrumente versöhnlich melodisch ergänzten und der wiederum ganz anders aufgebaute Schlusssatz , in dem sich die Geige und die Bratsche sinnbildlich gesprochen hintereinander immer wieder kurz die Hand reichen, wie in einem Reigen, in dem es im raschen Tanzschritt von einem zum anderen geht, boten genügend Gelegenheiten, die individuelle Spielweise der Musikerinnen kennenzulernen. Antcheva überträgt ihr Temperament ungebremst direkt auf die Violine, während Maison in den lyrischen Partien am stärksten überzeugt. Gerade diese Stärke prädestiniert sie für die Bratsche.Thomas Kaufman (Kontrabass) Sandrine Poncet (Flöte) sowie abermals Agnès Maison demonstrierten mit dem Concertino für Flöte, Bratsche und Kontrabass von Erwin Schulhoff, dass dieser Komponist zu Unrecht zu den weniger Gespielten gehört. Das bilderreiche Stück, in welchem die Flötistin mehrfach zwischen der Quer- und der Piccoloflöte wechseln muss, weist so viele unterschiedliche Emotionsmomente auf, dass es in keiner Passage auch nur ein klein wenig langweilig wird. Poncets Erfahrung in der Kammermusik zeigte sich überdeutlich, denn die erste Piccolo-Flötistin des OPS wechselte mühelos zwischen Führungs- und Begleitstimme, was großes Einfühlungsvermögen verlangt.
Den Schluss des Konzertes bestritten Kaufmann, Antcheva, Maison sowie der Oboist Sébastian Giot und die Klarinettistin Stéphanie Corre mit Serge Prokofievs Quintett op. 39. Das Werk, das 6 kurze Stücke für Tänzer vereint, ist technisch aufgrund seiner differenzierten Rhythmik eine Herausforderung. Nichtsdestotrotz gelang dem Quintett eine überaus überzeugende Interpretation, in der nicht nur das perfekte Zusammenspiel der Bläser, sondern vor allem die Gesamtstimmigkeit des Musizierens große Freude bereitete. Giot, der in dieser Saison schon zweimal als Solist brillieren konnte, hielt seine Oboe gleichberechtigt allen anderen Instrumenten dagegen. Die Führungsstimmen, die in diesem Stück so häufig wechseln, verlangen von jeder Musikerin und jedem Musiker Präsenz in jeder Sekunde. Diese spezielle Auskoppelung des OPS, in der Stéphanie Corre ihre Klarinette bei diesem Konzert so klar und rein Giots Oboe entgegensetzte, dass es keine Steigerung in der Harmonie der beiden Instrumente gab, diese Zusammensetzung sollte öfter zu hören sein. Die Musikerinnen und Musiker überzeugten mit Präzision und Emotion gleichermaßen – den beiden wichtigsten Ingredienzien für gute Kammermusik.