Die beiden Chef-Filmkritiker der New York Times, Manohla Dargis und A. O. Scott diskutieren in dem wunderbaren Artikel “One Nation Under A Movie Theater? It’s A Myth” über die derzeitige oder vielleicht schon immer anhaltende amerikanische Hollywood-Filmkultur und ob diese wirklich für alle die gleichen Werte und Ansichten vertreten würde (oder könne?!).
Während ein Großteil der Hollywood-Produktionen zwar dazu da sei, eine Fluchtmöglichkeit aus dem Trubel der realen Alltagswelt zu liefern, würden viele Filme aber auch kulturelle oder sozial- und gesellschaftskritische Thematiken behandeln. Hier ginge es dann auf einmal um Verdacht, Misstrauen und Schuldzuweisungen in einem Moment der Geschichte, in der vor allem die USA, aber auch die ganze Welt, nicht unbedingt einig erscheine.
Dementsprechend sprechen Dargis und Scott in „One Nation Under A Movie Theater“ auch darüber, welchen Stellenwert Filme in einer Welt einnehmen können, die sich eher voneinander entfernen zu drohe als sich aufeinander einzulassen.
Wie Dargis hier anmerkt, gab es die Vorstellung des “one nation under a movie theater”-Gedankens schon immer. Das amerikanische Filme aber für jedermann gemacht seien, das sei eher ein eigennütziger Mythos, der vorgeschoben wird, um die weiß-männlich dominierte Filmindustrie zu verschleiern.
Zugleich hätten Hollywood-Filme aber auch nicht mal eben so die Welt erobert, indem man einen Teil der Menschheit ignoriert und erniedrigt hätte. Man wäre sogar gerade deswegen erfolgreich gewesen, weil man gewisse Gefilde außen vor gelassen habe.
Netz-Fundstück, New York Times, Relevanz von Film
" data-orig-size="1000,328" sizes="(max-width: 890px) 100vw, 890px" aperture="aperture" />Ein Problem sehen Scott und Dargis darin, dass die großen Filmstudios inzwischen die Kinokassen und -säle dominieren würden und dadurch weniger Varianz in den erzählten Geschichten zu finden sei. Originelle Ideen und Diversität sei in den Filmen der kleinen unabhängigen Studios zu finden. Zwar gäbe es heutzutage eine weitaus größere Auswahl an Filmen, aber die meisten Amerikaner hätten hauptsächlich Zugang zu einem nahe gelegenen Multiplexkino, als dass man viele Meilen zum nächsten Arthouse-Kino zurücklegen würde.
Manohla Dargis schließt „One Nation Under A Movie Theater“ mit ihren Vorstellungen von Kritikern, die nicht nur von einem Film berichten, sondern auch ihre persönlichen Wünschen und Begehren einfließen lassen sollten. Was wollen wir eigentlich von Filmen? Wonach sehnen wir uns? Dargis beantwortet diese selbst gestellten Fragen mit besseren Filmen, weniger Franchises, mehr Risiken. Ebenso Diversität, vor allem weil die ewig selben Geschichten zu sehen seien, die dieselben Muster verfolgen würden und immer wieder von weißen und männlichen Gesichtern geprägt wären (ob nun vor oder hinter der Kamera), was pure Langeweile und Einheitsbrei darstellen würde.
Das wiederum sei schlecht für die Kunstform des Filmemachens. Es sei als ein Stillstand zu verstehen. Die immer gleiche ethnische Herkunft und die ewig selben Vorstellungen von Geschlechterkonstruktionen vorgeführt zu bekommen, sei so tödlich für die Kunst wie ein nach Formeln ablaufendes Drehbuch.
Man müsse beginnen, sich anders über Filme zu unterhalten als wir es derzeit tun. Man müsse einen Weg finden über Inklusion zu sprechen, der nicht nach Vorschrift abläuft, sondern ungemütliche Diskussionen hervorruft.
Auf jeden Fall ein lesenswertes Think Piece von Manohla Dargis und A. O. Scott zu dieser Thematik, an der ihr euch gerne in den Kommentaren beteiligen dürft. Was glaubt ihr kann oder sollte Film in der modernen Welt thematisieren, um als wichtige Kunstform weiterhin Bestand in real-weltlichen Debatten zu haben?