Ich habe mich lange erfolgreich gegen die Anschaffung eines Sous Vide-Gerätes gewehrt. Nicht, dass ich mich dabei gegen Familien-internen Druck hätte erwehren müssen. Meine Frau ist erfreulich geerdet was das Kochen angeht und hinterfragt grundsätzlich jede technische Anschaffung bezüglich Sinn und Effizienz. Das kann durchaus anstrengend sein, insbesondere wenn man als Kerl mit Jäger-und-Sammler-Gen dem „Haben-wollen“ zulasten des „Wirklich brauchen“ nur zu gerne den Vorzug gibt. Je länger ich mich jedoch mit Kochen und Essen beschäftige, desto sympathischer ist mir Handgemachtes ohne Schnick und Schnack. Stand vor einigen Jahren ein Pacojet noch ganz oben auf meiner persönlichen Wunschliste, so lässt mich dieses Gerät heute so kalt wie das Neueste zum Thema Fidget Spinner. Insofern war meine Frau einfach schon immer etwas weiter als ich – was ja nicht wirklich überraschend ist
Beim Thema Sous Vide habe ich mich in den vergangenen Jahren dennoch überwiegend gegen mich selber gewehrt. Denn: seine volle positive Wirkung entfaltet die Sous Vide-Methode ausschließlich bei rustikalen, sprich: durchwachsenen (Fleisch)-Stücken wie z.B. der hohen Rippe vom Rind oder einem Schweinebauch. Die dafür notwendigen Garzeiten von bis zu 72 Stunden schienen mir allerdings, vorsichtig formuliert, ein wenig übertrieben.
Es ist jedoch unbestritten, dass sie Sous Vide-Methode bei solchen Fleisch-Stücken zu spektakulären Ergebnissen führen kann. Ich erinnere mich an einen privat organisierten Weinabend im Süddeutschen, bei dem es zum Hauptgang eine phänomenale hohe Rippe gab. Die war so gut, dass sich die Runde von einem guten Dutzend Freunden in null-komma-nix darauf einigte, Fleisch nachzubestellen und die Bestände des Restaurants möglichst vollständig zu eliminieren. Man stelle sich das Entsetzen in der Runde vor, als der Koch mit Bedauern mitteilte, die Rippe sei leider Sous Vide-gegart und fertiges Fleisch nicht mehr verfügbar – er könne frühestens in 65 Stunden nachliefern. Sauerstoffzelte mussten aufgestellt werden, noch heute reagieren einiger der Teilnehmer bei der Erinnerung an diesen Abend mit nervösem Zucken.
Abgesehen von der Problematik der langen Garzeiten bei rustikalen Stücken gibt es noch ein zweites „Aber“: ich mag die Textur von Sous Vide-gegarten mageren Fleischstücken nicht. Ein Sous Vide-gegartes Stück Filet oder Entrecote zum Beispiel mag noch so zart und saftig sein – am Ende des Tages ist es für meinen Geschmack zu „labberig“. Dass die Sous Vide-Methode insbesondere in einschlägigen Internet-Foren auch für das Garen von Filet empfohlen wird, kann ich somit genauso wenig nachvollziehen wie die Idee der Roca-Brüder im legendären Celler de Can Roca, sogar die Seezunge Sous Vide zu garen.
So weit – so gut…
Nachdem die Preise für das erforderliche Equipment in den vergangenen Jahren stark gefallen sind, hat sich nun doch die Neugier gegen den Zweifel durchgesetzt. Somit bin ich seit kurzem stolzer, wenn auch weiterhin zweifelnder, Besitzer eines Sous Vide-Stabes sowie eines Vakuumierers. Denn: Versuch macht kluch, und wenn sich die Methode für mich tatsächlich als technisch-motivierter Humbug herausstellen sollte, so basiert das Urteil zumindest auf Erfahrung und nicht auf Hören-Sagen und Vorurteile.
Zur Methode
Sous Vide ist französisch, bedeutet sinngemäß „unter Vakuum“ und meint eine sehr sanfte Garmethode, bei der das zu garende Lebensmittel in einem geeigneten Plastikbeutel vakuumiert und dann bei niedrigen und konstanten Temperaturen gegart wird. Die Temperaturen werden dabei so gewählt, dass a) das Wachstum pathogener Keime ausgeschlossen wird und b) – im Falle von Fleisch – die Umwandlung des „festen“ Collagens im Bindegewebe zu „weicher“ Gelatine ideal unterstützt wird. Ein zweiter sinnvoller Anwendungsfall sind Eiweiß-Knaller wie z.B. Krustentiere. Dort lassen sich die Temperaturen so wählen, dass die Proteine sanft transformiert und nicht denaturiert, sprich: ungünstig verändert, werden.
Ergebnis ist im Idealfall ein einzigartiges safties und zartes Stück Hummer – Rindfleisch – Tintenfisch – was auch immer.
Zum Rezept – Oktopus Sous Vide
Für den ersten Test bot sich der Oktopus an, bietet er doch in Abhängigkeit der richtigen bzw. falschen Kochmethode eine ungewöhnlich große Bandbreite von „himmlisch köstlich“ bis „grauenhaft Kaugummi“. Passend dazu hat mal einer großer Koch (ich habe vergessen wer) sinngemäß gesagt:
„Es ist ganz einfach einen Oktopus zu kochen. Man kocht ihn zusammen mit einem Stein. Wenn der Stein weich ist, ist es der Oktopus auch.“
Grund für das etwas zickige Verhalten des Oktopus sind lange Proteine, die in ihrer Struktur dem Collagen (s.o.) im Bindegewebe von Landtieren ähneln (mehr dazu bei der Süddeutschen). Um den Oktopus weich zu bekommen, ist es deshalb entscheidend, den Kraken zunächst zu blanchieren (oder mit einem Holzhammer zu verprügeln) und anschließend bei möglichst niedriger Temperatur sanft zu garen.
Um das Ergebnis vorweg zu nehmen: der Oktopus war saftig, herrlich zart und dennoch bissfest, in seiner Textur nahezu cremig. Ich habe schon wesentlich schlechtere Varianten gegessen (aber auch einige, wenn auch wenige, bessere). Insofern bin ich mit der Sous Vide-Methode für den Oktopus sehr zufrieden, zum „Sehr gut mit Sternchen“ ist aber noch etwas Luft. Hier ist ggfs. etwas Übung erforderlich.
Nächste Woche gibt es den Oktopus nochmal ganz anders, nämlich als Sommerlich-frisches Carpaccio mit Tomaten.
Oktopus, Bohnen, Chorizo, Kartoffel-Püree
Für den Oktopus
- 1 Oktopus
- 1 EL Olivenöl pro Beutel
- 1 Knoblauchzehe pro Beutel
- 1 Prise Salz pro Beutel
Für den Kartoffelpüree
- 500 g Kartoffel
- 100 ml Milch
- 5 – 7 EL Olivenöl
- 1 Päckchen Tinte
- Salz
- Pfeffer
Für die Vinaigrette
- 1 Anchovis-Filet
- 2 Knoblauch-Zehen
- 4 – 6 EL Olivenöl
- 2 – 3 EL guter, heller Essig
- 1 – 2 Msp. Pimento de la vera
- 1 EL Petersilie, fein geschnitten
- 1 Prise Salz
Und sonst noch…
- 100 g weiße Bohnen, eingeweicht und gekocht
- 8 Scheiben Chorizo
- 1 Handvoll Schwarze Oliven
- Grünzeug zum Garnieren, z.B. Petersilie, Erbse, Bronzefenchel
Für den Oktopus
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Den Oktopus gründlich waschen und in einem großen Topf mit kochendem Wasser ca. 45 Sekunden blanchieren. In Eiswasser abkühlen.
Dann die Tentakel mit einem Messer vom Rumpf trennen (gute Videos mit Anleitung gibt es auf Youtube). Die Tentakel mit Olivenöl, Knoblauch und Salz vakuumieren. Ich habe meinen 2 Kilo-Oktopus auf drei Beutel verteilt, vier wären besser gewesen.
Die Beutel bei 77 Grad für fünf Stunden Sous vide garen. Danach in Eiswasser abkühlen und im Kühlschrank lagern.
Für die Vinaigrette
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Das Anchovis-Filet mit den Knoblauchzehen und etwas Olivenöl in einem Mörser zu einer homogenen Masse mörsern. Dann die anderen Zutaten zugeben und gut durchmischen.
Für den Kartoffel-Püree
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Die Kartoffeln kochen, abschütten und mit den anderen Zutaten stampfen.
Anrichten
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Die Oktopus-Arme bei hoher Hitze kurz und kräftig grillen, alternativ scharf anbraten. Die Chorizo-Scheiben in etwas Olivenöl auslassen, dann aus der Pfanne nehmen und auf etwas Küchenpapier entfetten. In dem Öl die Bohnen und die Oliven erwärmen. Bohnen und Oliven mit der Vinaigrette mischen, dann das Ganze auf einem runden Teller anrichten und mit Fenchel, Erbse und Sauerampfer garnieren.