Durch einen Kommentar von Karin in meinem Blog bin ich auf ein Thema aufmerksam geworden, über das ich zugegebenermaßen noch nicht nachgedacht hatte. Nämlich, dass Öko-Zertifikate wie OEKO-TEX oder GOTS für kleine Hersteller ziemlich teuer sein können.
Karin verkauft selbst Stoffe und Kurzwaren bei Der Rote Faden und Aachen-Stoffe und kennt Hersteller, die sich die Zertifizierung einfach nicht leisten können. Das hat mich auf die Idee gebracht, darüber mit Karin ein kleines Interview zu führen.
Liebe Karin, in einem Kommentar auf unserem Blog schreibst du, es sei wirklich schwer als Betreiber eines Ladens und Online-shops für Stoffe und Nähzubehör an human-ökologisch einwandfrei produzierte Stoffe und Nähzutaten zu kommen. Woran liegt das?
Nun, da sind erst mal die großen Stoffproduzenten und -Importeure, die entsprechende Anstrengungen scheuen, alle Herstellungsschritte ab Anbau der Baumwolle bzw. Tierhaltung der Schafe oder der Seidenraupen zu verfolgen, so lange die Umsätze stabil sind und keine großen Abnehmer ihrer Stoffe oder Nähzutaten mit Abwanderung zur Konkurrenz drohen. Es fehlt also schlichtweg die Notwendigkeit, sich zusätzlich Arbeit aufzubürden.
Auf der anderen Seite gibt es sehr engagierte junge Hersteller, die einige ökologisch vorbildlich produzierte Stoffe anbieten, aber meist sind die nur in einigen wenigen Qualitäten zu bekommen und dann fehlt es auch an einer großen Farbauswahl, weil die Nachfrage bei diesen teureren Materialien nicht so hoch ist wie nach der günstigeren Ware.
Fragen deine Kunden nach nachhaltig produzierten Stoffen und Kurzwaren, oder ist das eher dein eigener Anspruch?
Es gibt die Nachfrage nach nachhaltig produzierten Stoffen und Nähzutaten, aber wir bewegen uns hier mehr im oberen Segment der Trendsetter, die sich entweder ihr ökologisch sauberes Gewissen finanziell leisten können oder mit reduziertem Konsum reagieren müssen. Die meisten Kunden fragen (noch) nicht danach. Ich sehe aber einen zunehmenden Trend von Kunden, bei denen die Entscheidung für einen fair produzierten Stoff fällt, bei gleichzeitigem Angebot mit einem herkömmlichen, wenn er nur unwesentlich teurer ist. Und das freut mich.
Warum ist es für kleine Hersteller schwer, an eine GOTS oder OEKO-TEX-Zertifizierung zu kommen?
Viele kleine Hersteller in Deutschland und der EU können sich einfach das teure Zertifizierungsverfahren für OEKO-TEX oder sogar GOTS leisten, da ihre Kunden den Preisaufschlag nicht tragen würden, der sich ja dann auf viel weniger Stoffmeter verteilen müsste.
Kann es manchmal sogar nachhaltiger sein, Stoffe und Zubehör von kleinen regionalen Anbietern zu kaufen?
Ja, wir verkaufen in unserem Online-Shop z.B. Merino-Strick von einem kleinen deutschen Stricker, der nur wenige Meter pro Tag herstellen kann, dessen Wolle von kleinen Farmen kommt und dem wir vertrauen, auch ohne Zertifikat, ebenso wie unser Hersteller von Walkloden in Italien ein kleiner Garagenbetrieb ist, der seine Wolle von neuseeländischen Schäfchen bezieht.
Wie erfahren deine Kunden, woher die Ware stammt?
In unserem Online-Shop steht - zumindest bei den Standardstoffen und Zutaten - immer die Herkunft dabei. Bei den Modestoffen können wir das nicht immer machen, da wir teilweise auch italienische Designer-Überhänge verkaufen, von denen keiner mehr weiß, wo sie ursprünglich herstammen.
Kannst du bei den Herstellern einen Trend hin zu nachhaltigeren Produktionsweisen erkennen oder hat sich in den vergangenen Jahren eher wenig getan?
Ja, ich kann einen Trend bei einigen Herstellern erkennen, hin zu Zertifizierung ihrer Produkte und ich denke, es werden immer mehr. Es ist ein Umbruchdenken zu verzeichnen, lieber rechtzeitig zu reagieren, bevor man Kunden verliert und mit dem geschäftlichen Umdenken kommt auch die persönliche Einsicht, Gutes zu tun.
Welches sind deine Lieblings-Ökoprodukte im Nähbereich - und was vermisst du noch im Sortiment?
Lieblingsprodukte, die ohne Pestizide und sonst schädliche Chemikalien hergestellt sein sollten: ganz klar die, die man am nächsten auf der Haut trägt, d.h. Jerseys für Shirts, Kleider, Hosen wie etwa unseren schweren Viscose-Jersey, Jogging-/Sweatshirtstoffe und Nicki. Je hautferner die Stoffe getragen werden, desto eher kann ich auch mal aufgrund des Designs auf die korrekte Herstellung (noch) verzichten, also etwa bei Jacken- und Mantelstoffen, zumindest was die Chemikalien anbelangt. Die korrekte Entlohnung der in der Produktionskette beteiligten Arbeiter bleibt ja dann trotzdem ein Problem. Und gerade bei bunten Jacken- und Mantelstoffen tut sich bisher noch recht wenig.
Hier endet das Interview - ich danke Karin! Gleichzeitig bleibt eine Frage offen: Was kostet ein Siegel denn nun eigentlich?
Auf der Website von OEKO-TEX ist von Kosten für Lizenzgebühr, Firmen-Audits, Bearbeitungsgebühr und ein Prüfinstitut (in regelmäßigen Abständen!) die Rede, konkrete Zahlen werden nicht genannt. Bei GOTS (Global Organic Textile Standard) kostet die Lizenzgebühr wohl jährlich 120 Euro pro geprüfter Produktionsstätte, allerdings fallen noch Kosten für die unabhängigen Prüfinstitute an, soweit ich das richtig verstanden habe. Wie hoch die sind, steht nicht da. Wenn jemand Hinweise darauf hat, in welcher Preisklasse wir uns hier bewegen, werde ich dies dankbar ergänzen.
Gelernt habe ich zumindest, dass die Zertifizierung für kleine Hersteller eine große Hürde darstellt. Als Kunde jedoch bin ich froh, mich überhaupt an irgendetwas orientieren zu können. Da schaue ich natürlich nach Siegeln. Eine transparente Kennzeichnung in Online-Shops ist für mich das A und O, am besten eine Rubrik "Nachhaltige Stoffe" / "Faire Stoffe" / "Öko-Stoffe" etc., denn die konventionellen Angebote möchte ich gar nicht sehen (um zu vermeiden, dass mir ein Muster gefällt und ich mich ärgern muss, dass es nicht bio-fair zu haben ist...).
{EiNab}
Dieser Artikel passt ebenfalls zu unserer Linkparty „Einfach. Nachhaltig. Besser. Leben.", die diesen Monat von Grüne Zwerge veranstaltet wird. Wer auch passende Posts zu grünen Themen hat oder kennt, kann diese einfach per Kommentar einreichen.