Ohne Ort

„Papa, ich werde einen Ort zum trauern, brauchen oder zum Gedenken.“

Er lächelt spöttisch. „Davon hab ich dann nichts mehr“, sagt er.

„Aber die jungen Medizinstudentinnen die können dann von mir lernen. Was will man mehr.“

Körperspende.

Über zwanzig Jahre ist das her. Es war einer jener satten Pfälzer Frühlingstage, die sein Ansinnen noch surrealer erscheinen ließen.

„Kind, wenn es mal so weit ist, dann kann ich sagen: Ich habe gelebt. Es gab Höhen und Tiefen, gute und schlechte Tage, aber ich habe gelebt. Ich glaub an keinen Himmel und keinen Gott.“

Er ist bei dem Entschluss geblieben. Keine Formalitäten, keine Beerdigung , kein Grab. Jedenfalls vorerst nicht.

Irgendwann war ich mal in einem Präpkurs im Klinikum in Heidelberg. (Entweder war es im Rahmen meiner Ausbildung zur Krankenschwester , die ich später abbrach, oder mein damaliger Freund, Medizinstudent, hatte mich mit eingeschleust. Es war eine Begehung gewesen. Der Anblick der in Formaldehyd eingelegten Toten, verbunden mit dem beißenden Geruch, ist nun das was auftaucht wenn ich an meinen Vater denke.

Im Schreibtisch fand ich eine Kassette. Er hat sie besprochen mit einem Teil seines Manuskriptes. Ich hatte versprochen es abzutippen und habe es nicht getan.

Um seine Stimme zu hören, brauche ich ein Abspielgerät.

„Ich hätte ihn so gern noch mal gesehen“, sagt Anna. „Jetzt gibt es noch nicht mal ein Grab. “ Beim Mittagessen hatten mich die Kinder vorsichtig gefragt, wann wir denn zur Beerdigung fahren würden. Ich sah ihre geschockten Gesichter, die entsetzten Blicke. „Warum tut man so etwas?“ fragte Julius entgeistert. Ich erzählte dann von dem Präpkurs, der nur eine Begehung war und schaffte es auch noch Leonardo Da Vinci unterzubringen.

Es fällt mir auch nicht leicht, dieses so zu akzeptieren, aber ich sehe den Sinn durchaus.

Das Manuskript, habe ich aus dem Schreibtisch geholt. Ich werde es abtippen.

Meine Sorge, dass ein öffentliches Verbloggen der Trauer pietätlos wirken könnte, zerstreue ich. Er hätte seinen Segen dazu gegeben und mir, mir hilft es, diese scheinbar endlose Traurigkeit hinauszusetzen.


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