© Constantin Film Verleih GmbH / Milla Jovovich als Alice in den Fängen der Umbrella Corporation in “Resident Evil: Retribution”
Natürlich mag eine Schauspielerin wie die texanische Michelle Rodriguez zu einem Franchise zurückkehren, in dem es hauptsächlich um die lebenden Toten geht – oder zumindest einmal gegangen ist. Sie selbst kann davon bekanntlich ein Liedchen trällern, segnet sie doch regelmäßig das Zeitliche in Filmen wie „Avatar“ oder „The Fast and the Furious“, aber auch in der Fernsehserie „Lost“ durfte sie sich röchelnd gurgelnd vom Leben verabschieden. Und auch in „Resident Evil“, dem 2002 von Regisseur Paul W. S. Anderson inszenierten Auftakt einer Reihe von Videospielverfilmungen – obgleich die Filme nun nicht auf den dazugehörigen Spielen basierend sind – mutiert Rodriguez zum entstellten Untoten. So darf sie nun zehn Jahre später noch einmal Rain sein, eine extra für die „Resident Evil“-Filmwelt erschaffene Figur.
Rückkehrerin: Michelle Rodriguez als Rain
In dieser Welt ist dann auch nicht Jill Valentine, die nette junge Dame, die im Videospiel noch durch das fast verlassene Herrenhaus irrt, die Hauptprotagonistin, sondern Andersons Ehefrau Milla Jovovich, aus der Alice wurde, ein wenig Verwandt mit dem holden Mädchen, welches sich einst in ein zauberhaftes Wunderland begab. Dieses Wunderland ist in „Resident Evil“ nun weniger freundlich-verrückt, sondern eher tödlich-gefährlich, eine Red Queen ist aber auch zu finden. Während Lewis Carrolls Alice allerdings dem Wahnsinn entrinnen kann, breitet sich dieser bei Paul W. S. Anderson immer weiter aus, umspannt im Laufe einer nun fünfteiligen Filmreihe die gesamte Welt. „Resident Evil: Retribution“ knüpft nahtlos an den vierten Teil an, Beinamen sind nur Schall und Rauch, haben nichts mit den jeweiligen Filmen zu tun, weswegen die nummerische Betitelung stets einfacher über die Lippen kommt. Schnell erzählt ist die hier folgende Handlung: Eine umgepolte Jill Valentine (Sienna Guillory) konfrontiert Alice und schafft es sie gefangen zu nehmen. Wie so oft erwacht die Protagonistin Krankenhaus-ähnlich, auf jeden Fall halb nackt, in einer Einrichtung der Umbrella Corporation. Diese wird inzwischen von der Red Queen geleitet, vor der selbst der ehemalige Bösewicht Albert Wesker seinen Hut zieht. So verbünden sich die einstigen Feinde um das endgültige Ende der menschlichen Rasse zu verhindern. Hierfür muss Alice in diesem Film nichts weiter tun, als aus der Umbrella-Einrichtung zu entkommen, die aus einer Aneinanderreihung von Echtwelt-Simulationsräumen zu bestehen scheint, wie sie als Holo-Decks aus dem Raumschiff Enterprise bekannt sind.
Das schaut dann natürlich auch recht hübsch aus. Nicht nur die uns bekannten Metropolen oder die wahrlich zur Hölle mutierte Vorstadt, die immens an die ersten Minuten von Zack Snyders Remake-Ausflug „Dawn of the Dead“ erinnern, sondern auch die Innereien des Umbrella Gebäude-Komplexes, wo wieder reichlich Alice-Klone produziert werden: visuell ein Schmankerl irgendwo zwischen menschlichem Erntefeld der Matrix und „Monster AG“-Türverwahrungslager. In den simulierten Städten ist es nun mal wieder dreckig, eine Urbanität wird erzeugt, die natürlich irgendwie cool herüber kommt, nicht minder funktioniert die iPod-Optik – oder sterile Zukunftsvision – wo sich die dreckigen Untoten in hochsauberen, weißen Räumlichkeiten aufhalten um dem spritzenden Blut damit nur umso mehr Kraft zu verleihen. Aber der Ausdruck „visuell stark“ verkommt hier zu einem Formulierungsindiz, welches eigentlich aussagen möchte, dass es hinter diesen hübschen Bildern nicht allzu viel zu entdecken gibt.
Kevin Durand ist Barry Burton
Anderson hat gar so wenig zu erzählen, dass er die ersten zehn Minuten seines Films damit verbringt, auf die vergangenen vier Filme zurückzublicken. Hier darf Alice im coolen Nachrichtenfenster ihre Vergangenheit noch einmal durchleben, damit die Zuschauer auch bloß all die guten Geister kennenlernen, die sie einst begleiteten und nun eigentlich tot sein sollten, in diesem Film aber noch einmal wiederbelebt werden – allen voran natürlich Michelle Rodriguez. Die Red Queen, nach der ersten Episode eigentlich auch kein Thema mehr, muss noch einmal eingeführt werden, bloß alles noch einmal erzählen, damit ja niemand auf den Gedanken kommt, „Resident Evil 5“ wäre eine halb erzählte Geschichte. Nein, den Gedanken kann man auch schnell wieder verwerfen, denn hier wird eigentlich gar keine Geschichte erzählt. Es ist die ewig selbe Leier. Alice scharrt erneut eine Gruppe nichtssagender Gesichter um sich und Kevin Durand („Real Steel“, „Cosmopolis“) darf den Videospielliebling Barry Burton mimen, während sich der Zuschauer so langsam einmal fragen sollte, bei all den Begleitern, die Alice nun schon hatte, ob die Population der Erde tatsächlich so schwindelerregend dünn ausschaut. Vielmehr sollte irgendwo noch ein geheimes Reservoir von potentiellen Alice-Begleitergruppen versteckt sein. Nun haben wir also diese Figuren, die durch die Level der Umbrella-Videospielewelt geschickt werden, mal treffen sie auf zwei gigantische Monster, die sicherlich keine Zombies mehr darstellen sollen, dann aber bekommen wir endlich die Ungetüme zu Gesicht, die schon vor Jahren für den Erfolg der Reihe sorgten: Zombies. Nur tragen sie russische Armeeuniformen, fahren Auto, fahren Motorrad und feuern hoch komplexe Waffen ab. Vorsicht sei geboten, sollten diese Wesen jemals ihr Wissen weiterreichen, könnten sie ihre dummen Brüder und Schwestern, die immer noch mehr stolpernd durch die Gegend dümpeln, in der hohen Kunst des Hirneinsatzes schulen – Alice hätte sicherlich keinen großen Spaß daran. Wie das alles geschehen konnte, nennen wir es Evolution, denn eine filmische Erklärung wird nicht geboten.
Dabei hätte eine solche Erklärung eine Drehbuchzeile mehr für Schauspielerin Bingbing Li bedeutet, die als Ada Wong zwar irgendwie süß daherkommt, aber auch an Lieutenant Uhura erinnert – es sei der weitere Enterprise-Vergleich verziehen – die stets nur das wiederholte, was zuvor schon der Computer zu informieren in der Lage war. Hier nun besteht Wongs Rolle aus eben diesen Zeilen, die bereits bekannte Fakten noch einmal neu auflegen, natürlich passend in eben jener Szene präsentiert, in der sie relevant werden. Damit der Zuschauer sich so richtig einfühlen kann in den Film, Hirn aus, Zombie-Mode an.
Nun muss man Paul W. S. Anderson als Filmemacher gutheißen, denn ganz ohne Fähigkeiten kommt der Mann nun nicht daher, gestalten sich diese nur anders, als bei – nennen wir sie ruhig so – richtigen Regisseuren. Herr Anderson hat wenig zu erzählen, nutzt hier aber sein Talent, dieses Wenige auf Spielfilmlänge auszubreiten. Ob dies dann zermürbend, langweilig oder inhaltslos sei, diese Frage kann mit einem Ja beantwortet werden. Hat das eigene Gehirn dennoch die Spielzeit überstanden, wird es sich spätestens am Ende verabschieden, wenn sie denn dort alle stehen, die Überlebenden des „Resident Evil: Retribution“-Massakers, auf dem Dache des Weißen Hauses, ihnen gegenüber Drachen und sonstige Ungetüme, eine epochale Schlacht vor dem Hause des US-Präsidenten. Es soll die letzte Schlacht der Menschheit werden. Die wenigen, hier noch funktionierenden Hirne müssen sich nun auf Folge Sechs gefasst machen. Paul W. S. Anderson hat offenbar noch eine lange Zeit nichts mehr zu erzählen.
Denis Sasse
“Resident Evil: Retribution“
Originaltitel: Resident Evil: Retribution
Altersfreigabe: ab 16 Jahren
Produktionsland, Jahr: GB / D / USA, 2012
Länge: ca. 96 Minuten
Regie: Paul W. S. Anderson
Darsteller: Milla Jovovich, Sienna Guillory, Michelle Rodriguez, Bingbing Li, Boris Kodje, Johann Urb, Kevin Durand, Oded Fehr, Shawn Roberts
Deutschlandstart: 20. September 2012
Offizielle Homepage: residentevil.de