Musste das sein? Nein, ich meine nicht, dass Du Anfang dieser Woche zuhause bei Deiner kranken Tochter geblieben bist. Das ist doch selbstverständlich! Aber musstest Du es gleich der Presse flüstern um Dich von ihr feiern zu lassen? Feiern wofür? Dafür, dass Du deine Vaterpflichten erfüllst?
Warum sollten wir anderen Eltern Dir applaudieren? Weil Du — ein ausgemachtes Alphamännchen — dich mal um Deine kranke Tochter kümmerst, während Deine Frau ihre Praxis offen hält?
Am Dienstag und am Mittwoch habe ich die Tochter in den Kindergarten gebracht, während meine Frau arbeiten ging. STOP! THE! PRESS!
Deine Babypause damals: ich fand es ziemlich cool, dass Du 2012 drei Monate deinen Job hast ruhen lassen um Dich um dein Kind zu kümmern. Angewidert hat mich das Medienspektakel drum herum. Zumindest aber war es wert mitgeteilt zu werden, dass ein Spitzenpolitiker und Parteivositzender drei Monate Pause für die Familie macht.
Wo aber ist die Nachricht, wenn der Wirtschaftsminister Home-Office wegen seiner kranken Tochter macht? Und dann lässt Du dich mit diesem machohaften Spruch zitieren:
Ich bin in den nächsten Tagen häufiger zu Hause, weil meine Frau den Spruch, dass ich immer ganz Wichtiges zu tun hätte, wenn´s zu Hause mal Probleme gibt, nur begrenzt erträgt.
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Weißt Du, es gibt sicher tausende und abertausende Väter, die ihre Papapflichten gewissenhaft wahrnehmen und dafür keinen Applaus erwarten. Die ihre Vaterrolle in einer gleichberechtigten Partnerschaft als selbstverständlich wahrnehmen und leben. Die natürlich zuhause bleiben, wenn das Kind krank ist und sich im täglichen Klein-Klein nicht mit »was ganz Wichtiges« davon schleichen.
Schuhe, Klamotten, Kindergarten, Schulzeug, Einkaufen, Putzen, … erledigen sie ohne danach von einem Spiegel-Journalisten angerufen zu werden der einen O-Ton abgreifen möchte.
Applaus? Applaudieren möchte ich. Nicht Dir, sondern den Eltern die schier unmögliches für sich und ihre Kinder leisten: den Alleinerziehenden. Vätern wie Müttern. Wenn nicht wenige von denen mit einem Hauch von Nichts im Geldbeutel ihren Kindern versuchen eine schöne Kindheit zu ermöglichen. Die sich das Essen vom Mund absparen, um ihren Kindern einen Schulausflug zu ermöglichen. Die oft genug nicht wissen, wie es weitergehen soll und trotzdem weitermachen! Ganz ohne Headline im Spiegel.
Weißt Du, für nicht wenige dieser Menschen ist ein krankes Kind eine Katastrophe. Nicht alle Arbeitgeber findens dufte wenn ihre Angestellten mal ein paar Tage frei brauchen für ihr krankes Kind.
Du hast die Position, Aufmerksamkeit und Macht dazu, das zu thematisieren. Dich für die Belange dieser Leute einzusetzen. Zusammen mit Manuela Schwesig eine Strategie auszuarbeiten. Was die SPD einst mit Hartz IV und den Arbeitsmarktreformen angerichtet hat, zu korrigieren oder zumindest die Debatte anzustoßen.
Mir scheint aber, das ist zu viel verlangt. Du bist offensichtlich zu beschäftigt damit, Dich als Übervater des Jahres zu präsentieren. Weil Du mal frei genommen hast um bei Deiner kranken Tochter zu sein. Und wenn ich das Zitat richtig interpretiere, noch nichtmal freiwillig.