"October"

Man braucht immer Abstand, um zu verstehen. Man braucht zeitlichen Abstand, um seine Zeit zu verstehen. Geografischen Abstand, um seine Heimat zu verstehen.
Wenn wir mittendrin sind, ist es zu nah um es überhaupt sehen zu können. Deshalb verstehen wir Geschichte immer erst hinterher. Deshalb ist es nicht leicht, eine gegenwärtige Situation einzuschätzen. Ob es einem gerade gut oder schlecht geht. Diese Urteilsfähigkeit kommt erst mit den Jahren, wenn man Muster wieder erkennt.
Und so konnte auch die 80er Jahre nur verstehen, wer zuvor die 60er und die 70er erlebt hatte. Bono erklärt es in dem Video unten: Die 60er Jahre zeigten, wie großartig das Leben sein kann, was Menschen zustande bringen können. Mondlandung, Musik, Fortschritt, Wohlstand. Vor allem wenn man es mit den Zeiten davor vergleicht (die er selbst nicht erlebt hat).
Und dann denkt man, dass es so weitergeht. Rechnet hoch, dass man in 10 oder 20 Jahren auf dem Mars landen müsste. Dass Autos fliegen können. Usw.
Doch was man erlebte war, dass die gleichen Fähigkeiten für bedrohliche Leistungen genutzt wurden. Raketen, Atombomben, Kriegsangst. "Es wurde kälter. Wie im Herbst nach dem Sommer. Und die Bäume verlieren ihre Blätter und durch die kahlen Bäume sieht man plötzlich mehr."
Kälte und Erkenntnis also. Und deshalb nannten sie ihr zweites Studioalbum, das 1983 heraus kam, "October". Gemeint war der andere Oktober, nicht der goldene.
Ich kam darauf, weil wir voriges Wochenende diese RTL Serie "Deutschland 83" zu Ende geschaut hatten. Oh ja, an diese Kriegsangst erinnere ich mich auch. Wie generell ein Grauschleier auf dem Lebensgefühl lag. Zum Ruhrgebiet passte das eh, und auch regnete es viel öfter als heute. Aber weil es so grau war, war man viel empfänglicher für Buntes und Helles. Für die roten Lampen an Allerheiligen zum Beispiel. Für Kerzenlicht. Für Musik. Für Dinge, die die Phantasie anregten. Rückblickend war das Gute an dieser Zeit, dass wir sie heil überstanden haben. Vom Abgrund wieder wegbewegt.
Und dann stießen Gorbatschow, Reagan, Bush und vor allem die DDR Bürger die Mauer ein. Dann kamen die 90er, die Loveparade, Farbenrausch, die Spaßgesellschaft, die keinen Tiefgang mehr hatte.
Eine Generation, die nur Spaß erlebt hat, weiß nicht wovon ich rede. Diese melancholische Grundierung, dieses Wissen, dass gute Zeiten etwas Besonderes sind. Wie der Bürgerrechtler, Stasigefangene und Psychologe Jürgen Fuchs sagte: Die Stasiopfer fragen auch in guten Zeiten: Wann kommt der Hammer?
Ich tanze inzwischen auch wieder "nah an der Tür". Weniger aus einem Grundmisstrauen gegenüber dem Leben. Aber weil ich gelernt habe, Zeichen und Zyklen zu deuten.
Der Herbst hat wie der Frühling mehrere Phasen. Er beginnt als das Ende des Hochsommers. Warm, hell, in den warmen Farben des Laubs. Man feiert und ist dankbar für die Jahresernte. Und dann geht es über in Kälte, Nebel, Silhouetten, mehr Kontur als Farbe.
Interessant auch, wie uns die Angst schon in jungen Jahren in ein politisches Bewusstsein trieb. Mein erstes Bandalbum war "Vun drinne nah drusse" von BAP. Das war 1982, da war ich dreizehn. Wir hörten WDR Hörbar, schauten ARD Scheibenwischer und sprachen am nächsten Morgen darüber in der Schule. Morgens ging mein Radiowecker mit dem WDR Morgenmagazin. Ich erinnere mich an die Telefoninterviews von Gisela Marx, die stets von links fragte und ich erinnere mich, wie mir das auffiel und mich ärgerte. Mit dreizehn.
Inzwischen ist mein Neffe so alt, aber da merke ich noch wenig von einem politischen Bewusstsein.
October and the trees are stripped bare
Of all they wear.
What do I care?
October and kingdoms rise
And kingdoms fall
But you go on
And on.


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