Obamas Job-Rede: Wiedergeburt eines Polit-Zombies

Von Stefan Sasse
In den vergangenen Wochen und Monaten war Obama ein Polit-Zombie: getrieben von der Tea-Party-Totalopposition, geplagt von schlechten Umfragewerten und mit einem veritablen ökonomischen Desaster an der Backe schien es vielen Beobachtern, als ob er seine Wiederwahl schon beerdigen könnte. Die Berichterstattung fokussiere sich folgerichtig auch auf das republikanische Kandidatenfeld, das sich als Kabinett des Grauens positioniert: die ultrarechten Aushängeschilder Bachmann oder Perry oder aber der moderate Milliardärsliebling Romney sind derzeit die Favoriten. Man kann zu Obama stehen, wie man will, aber besser als die Alternative ist er allemal. Nun hat er am 8. September seine lang erwartete "job speech" gehalten, also die Rede, in der er ankündigen sollte wie Jobs geschaffen werden sollte. Nach den rhetorischen Desastern, die er im letzten Jahr abgeliefert hat, und der allgemeinen Schwäche des Weißen Hauses hatte kaum jemand etwas Besonderes erwartet. Das Resultat aber ist überraschend. 

Tatsächlich hat Obama wieder zu seiner alten rhetorischen Größe zurückgefunden. Sie sprüht vor Energie, und aktiv fordert er, mit dem Rhythmus eines "Yes we can" die Abgeordneten auf, seinen American Jobs Act "right away" passieren zu lassen. Doch die Redekunst ist nur das eine, was an der Rede vor der Folie der bisherigen Schwäche Obamas so interessant ist. Das andere ist die Wiederentdeckung des politischen Angriffes. 
Vielleicht steckt hinter der bisherigen Schwäche im letzten Jahr eine clevere Strategie, den Gegner in Sicherheit zu wiegen. Obwohl es eher unwahrscheinlich ist, dürften manche Republikaner im Kongress durchaus dieses Gefühl gehabt haben, denn Obama tut endlich, was er schon längst hätte tun sollen: er geht in die Offensive und versucht, ein Narrativ für seine eigene Politik zu erstellen. Das fängt schon im Kleinen an: statt seiner Initiative einen Namen wie "Affordable Healthcare Act" zu geben, der von seinen Gegnern spielend durch "Obamacare" abgelöst werden konnte, heißt das neue Ding ganz simpel "American Jobs Act" und wird durchgehend als "jobs bill", die dazugehörige Rede als "jobs speech" bezeichnet. Das ist positiv. Und ebenso leicht hätte Obama wieder den Republikanern das Feld überlassen und es als "Deficit Spending Bill" oder "Deficit Act" brandmarken lassen können. 
Obama ist außerdem clever genug, den Republikanern die Ablehnung richtig schwer zu machen, indem er möglichst viele ihrer Forderungen mit in das Paket nimmt. Es ist zwar wirtschaftspolitisch schlecht, Steuererleichterungen statt Konjunkturinvestitionen vorzunehmen; politisch aber ist es clever, besonders da die Steuererleichterungen ausdrücklich die Mittelschicht und das Kleingewerbe treffen, für das die Republikaner sich rhetorisch immer einsetzen. Sich dem Jobs Act zu verweigern dürfte deswegen deutlich schwieriger zu werden als gegen Obamacare zu stimmen. 
Der Auftritt lässt Hoffnung aufkeimen, dass Obama endlich wieder in die Offensive geht, anstatt sich von den Republikanern am Nasenring durch die Manege ziehen zu lassen. Ich persönlich sehe meine Einschätzung vom 20. Juli bestätigt.

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