Vor zwei Wochen kam eine Frau zu mir in die Beratung mit dem Beratungsauftrag vom Arzt: Adipositas also Abnehmen.
In der Anamnese frage ich immer nach dem Familienstand und auch ob es Kinder in der Familie gibt.Diese Frau ist Mitte 40, verheiratet und bevor ich die Frage nach Kindern überhaupt stellen konnte kam die Aussage: „… und fünf Kinder im Alter von 3- 19 Jahren.“
Da war also alles dabei angefangen vom Kitaalter über "Pubertiere" bis hin zu Kind in der Ausbildung.Zu meiner Anamnese gehört auch, dass ich nachfrage, was wann gegessen wird. Mich interessiert die Mahlzeitenfrequenz und das Mahlzeitenmangement, natürlich auch die Lebensmittel, die zum Einsatz kommen.Frühstück fiel aus- keine Zeit, da die Kinder in die Kita bzw. in die Schule gebracht werden müssen. Zwischendurch dann mal ein reingeschobener Keks, weil es schnell gehen muss. Mittagessen war, auf die Bedürfnisse der Kinder zugeschnitten. Zitat:“ Die essen ja nicht alles“
Dann musste Taxi Mama wieder aktiv werden wegen diverser Termine der Kinder. Diese Frau hat sich nicht zu ihren Kindern gesetzt um mit ihnen zu essen, da Hausarbeiten zu erledigen waren.Abends wird dann noch einmal gekocht, weil der Ehemann auf frischem Essen besteht. Auf meine Frage, ob sie sich nicht dazu setzen könne, um hier mal in Ruhe etwas zu essen kam die Antwort:
„ Ich trinke meist nur eine schnelle Tasse Tee, denn die Kleinen müssen ins Bett gebracht werden.“
Auf meine Frage, wann sie denn Zeit hätte in Ruhe zu essen: „ Manchmal esse ich den ganzen Tag nichts oder halt zwischendurch Kleinigkeiten, die schnell gehen. Ich weiß auch nicht, warum ich so dick bin.“ Um ein Ernährungsprotokoll habe ich selbstverständlich gebeten. Es sind ja oft die Snacks zwischendurch, die auf die Hüfte gehen.Aber irgendwann kamen wir an den Punkt, der allen, die ein bisschen über den Tellerrand hinausschauen, zeigt, dass dieses Übergewicht Schutzfunktion bietet.Ihr Mann kann einfach nicht verstehen, warum sie so gestresst und müde ist. Sie ist ja den ganzen Tag nur zuhause. Der Sohn schlägt in die gleiche Kerbe. Die Einzige, die sie verstehen würde, wäre ihre 13jährige Tochter.
Diese Frau hat sich komplett selbst vergessen, richtet sich nur nach der Familie und bekommt irgendwie auch noch Nackenschläge. Sie ist ja „nur Hausfrau“.Hausfrau zu sein, das ist ein Fulltime- Job. Partnerin, Mutter, Chauffeurin, Hausaufgabenbetreuung, Köchin, Krankenschwester, Erzieherin… Erweitert die Liste selbst.
Ich habe vorsichtig nachgefragt, ob eine (Mutter- Kind-) Kur vielleicht eine Lösung wäre.
Das wäre ja so viel Aufwand, da müsste sie ja auch noch zum Arzt. Und dann die Sache mit der Krankenkasse… Infos hatte sie also schon.Wir haben jetzt erst einmal vereinbart, dass sie sich morgens Zeit für ein Frühstück nimmt. Politik der kleinen Schritte.Bei den anderen Baustellen in ihrem Leben kann ich ihr leider nicht helfen. Das ist nicht mein Beruf.Ich bin gespannt, ob ich sie zum Folgetermin wiedersehe und ob sie etwas verändern konnte.
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