Symbolpolitik. Darum geht es doch stets. Symbolpolitik. Und das ist es, was Regierungen in diesem Lande wirklich gut können. Und was die Wähler offenbar dankbar honorieren. Man denke nur mal an die Neuberechnung des Hartz IV-Regelsatzes vor einigen Jahren. Da sollten Alkohol und Zigaretten heraussubtrahiert werden. Sollten nicht nur - wurden auch. Es ging freilich bloß um monatliche Taschengeldsummen. Um 19 Euro. Anders gesagt: Drei Schachteln Marlboro und zwei Bier am Kiosk. Die sparte man sich. Aber nicht nur einfach aus Geiz. Sondern weil man der erwerbstätigen Bevölkerung aufzeigen wollte, dass man das erwerbslose Langzeitpack mit gelben Nikotinfingern und herben Schnapsfahne, nicht einfach gewähren lässt. Man wollte ein Zeichen setzen. Symbolisch klarmachen, dass die Regierung was tut, den Missstand erkannt und nun gebannt hat. Dass man dabei eine ganze Gesellschaftsgruppe stigmatisierte, musste man aushalten können. Symbolpolitik ist halt so.
Sie ist ja keine Sachpolitik, die sich an Zahlen und Fakten orientiert und Für und Wider mit Finanzen und Gestaltungsauftrag abgleicht. Nein, sie kennt ja nur die Umsetzung eines Ziels ohne nach links oder rechts zu blicken. Sie ist das Politikum mit dem moralischen Spießbürgerzeigefinger. Es geht dabei nicht etwa um Verbesserungen oder Optimierungen, sondern um die bloße Zufriedenstellung einer Öffentlichkeit, die sich zuweilen wie eine Meute aufführt. So war es auch bei Florida-Rolf. Der Mann bezog nach einer schweren Krebserkrankung deutsche Sozialhilfe in Miami Beach. Alles war legal, das Sozialamt stimmte seinem Verbleib in den Vereinigten Staaten zu. Dort war er Jahre zuvor aus beruflichen Gründen hingezogen. Er wollte auch als mittellos gewordener Mensch nicht alle Zelte abbrechen müssen. Dort hatte er Freunde und Bekannte. »Ein soziales Umfeld«, wie man das zuweilen nennt. Dann berichtete die »Bildzeitung«, »explosiv« und wie sie alle hießen, diese windigen Vorabendsendungen mit noch windigeren Missgunstagenten als Moderatoren. Was tat die Regierung, nachdem die Meute, die auch ihre Wähler stellte, sich in U-Bahnen und Internetforen über »diesen Sozialschmarotzer« (der nebenher kein geltendes Sozialgesetz gebrochen hat) aufregte? Sie änderte die Gesetzeslage. Fortan hieß es: Kein Miami mehr für Sozialfälle. Wieviele waren davon betroffen? Vier oder acht Menschen? Jedenfalls nicht viele. Man wollte ein Zeichen setzen. »So geht es künftig nicht mehr!«, war die Botschaft. Symbolpolitik eben.
Dazu wirft man einen ganzen Apparat an, lässt Gesetzesexperten Passagen umformulieren, Juristen prüfen, Agenturen nachforschen, Staatskanzleien loslegen, Ministerien in Wallung bringen. Das kostet alles Steuergelder. Aber einerlei, denn Symbolpolitik kann man sich was kosten lassen. Da hätte Florida-Rolf wahrscheinlich 812 Jahre werden müssen, um das an Sozialhilfe zu beziehen, was all die Instanzen, die zu dieser Gesetzesänderung notwendig waren, summa summarum gekostet haben.
Es gibt so viele Beispiele. Jedes Jahr mehrere symbolpolitische Maßnahmen, die nur einem Zweck erfüllen: Zeigen, dass was getan wird. Eine niedere Moral befriedigen, die was gegen Raucher und Biertrinker ohne Job, also gegen Arbeitslose und Sozialhilfeempfänger hat. Und nun halt wieder so ein symbolpolitischer Schlag. Der aktuelle Fall: Sachleistungen für Asylbewerber. Man weiß ganz genau, dass die Versachleistung von menschlichen Bedürfnissen ein großer bürokratischer Aufwand ist. Das ist ja das Schöne am Geld. Man kann es einem in die Hand drücken und auf die Eigenverantwortung hoffen. Die Leute werden sich schon kaufen, was sie benötigen. Aber wenn sie erst einen Bezugsschein, einen Bon oder eine Empfehlung brauchen, um dies oder das zu bekommen, ohne selbst Geld in die Hand nehmen zu dürfen, muss ja jemand diese Zwischenstelle im Austausch einnehmen. Muss ein Papier schreiben und die Antragsteller weiterschicken. Oder sie fortschicken und abwiegeln, ihnen den Kopf waschen und »Das gibt es nicht!« rufen. Und wer macht das? Will die Regierung weiterhin auf all die ehrenamtlichen Helfer bauen? Irgendwann ist auch deren Engagement erschöpft. Diese Leute haben auch ein Privatleben, Freunde und Familie und ganz sicher benötigen sie auch mal Ruhe und Erholung und können nicht Monate für lau das ausbaden, was die Regierung nicht finanzieren will.
Also wer macht es? Das Sozialamt? Sehr wahrscheinlich. Eine Behörde, die jetzt schon überfordert ist wie so viele andere auch. Aber es ist egal. Man lasse es ruhig Geld kosten, extra Arbeit verursachen. Völlig wurscht. Denn es geht ja um die Moral und um das, was wir doch alle angeblich wissen: Diese Fremden flüchten aus ihren Heimatländern nämlich nur, weil sie hier 4,75 Euro abgreifen wollen. Viel Geld für all diese Flüchtlinge, oder nicht? 4,75 Euro sind in Syrien drei Abende voller Wein, Weib und Gesang, ein Satz neuer Alufelgen und zusätzlich noch zwei Handy-Monatsrechnungen. Dumm nur, dass 4,75 Euro hierzulande - und sie sind ja nun mal hier - bloß zwei Laib Brot und ein Laugengebäck ergeben. Aber das Vorurteil, dass es nur das Geld ist, was die Leute herlockt, das reicht schon für einen Akt der Symbolpolitik aus. Auch wenn es sehr viel mehr Geld kostet, den Leuten ihre Brotlaiber per Schein zu verordnen. Das ist doch völlig schnurz, denn Symbolpolitik kostet halt. Sie ist zwar unvernünftig und gar nicht ökonomisch und effizient (was man ansonsten so gerne zu sein vorgibt), aber das ist egal, wenn nur die Leute nachher sagen, dass die Regierung auch was leistet.
Die Sondersteuer für Reiche kommt übrigens nicht. Heute genauso wenig wie vor drei oder fünf oder zehn Jahren. Man entschuldigt seit Jahr und Tag diese ausbleibende Maßnahme von Regierungsseite mit der Erklärung, dass dabei kaum was rumkommt. Sie sei also quasi nur eine Maßnahme, die man unter dem Begriff »Symbolpolitik« verbuchen könnte. Die Regierung möchte nicht, dass es so aussieht, als würde sie in dieser Angelegenheit Maßnahmen ergreifen, die kaum Wirkung haben. Sonst würde am Ende doch nur jemand merken, was eigentlich ganz gut ersichtlich ist: Wir haben nur noch eine symbolische Regierung. Postdemokratie letztlich: Die Symbolik eines intakten Primats der Politik. So tun als ob.
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Sie ist ja keine Sachpolitik, die sich an Zahlen und Fakten orientiert und Für und Wider mit Finanzen und Gestaltungsauftrag abgleicht. Nein, sie kennt ja nur die Umsetzung eines Ziels ohne nach links oder rechts zu blicken. Sie ist das Politikum mit dem moralischen Spießbürgerzeigefinger. Es geht dabei nicht etwa um Verbesserungen oder Optimierungen, sondern um die bloße Zufriedenstellung einer Öffentlichkeit, die sich zuweilen wie eine Meute aufführt. So war es auch bei Florida-Rolf. Der Mann bezog nach einer schweren Krebserkrankung deutsche Sozialhilfe in Miami Beach. Alles war legal, das Sozialamt stimmte seinem Verbleib in den Vereinigten Staaten zu. Dort war er Jahre zuvor aus beruflichen Gründen hingezogen. Er wollte auch als mittellos gewordener Mensch nicht alle Zelte abbrechen müssen. Dort hatte er Freunde und Bekannte. »Ein soziales Umfeld«, wie man das zuweilen nennt. Dann berichtete die »Bildzeitung«, »explosiv« und wie sie alle hießen, diese windigen Vorabendsendungen mit noch windigeren Missgunstagenten als Moderatoren. Was tat die Regierung, nachdem die Meute, die auch ihre Wähler stellte, sich in U-Bahnen und Internetforen über »diesen Sozialschmarotzer« (der nebenher kein geltendes Sozialgesetz gebrochen hat) aufregte? Sie änderte die Gesetzeslage. Fortan hieß es: Kein Miami mehr für Sozialfälle. Wieviele waren davon betroffen? Vier oder acht Menschen? Jedenfalls nicht viele. Man wollte ein Zeichen setzen. »So geht es künftig nicht mehr!«, war die Botschaft. Symbolpolitik eben.
Dazu wirft man einen ganzen Apparat an, lässt Gesetzesexperten Passagen umformulieren, Juristen prüfen, Agenturen nachforschen, Staatskanzleien loslegen, Ministerien in Wallung bringen. Das kostet alles Steuergelder. Aber einerlei, denn Symbolpolitik kann man sich was kosten lassen. Da hätte Florida-Rolf wahrscheinlich 812 Jahre werden müssen, um das an Sozialhilfe zu beziehen, was all die Instanzen, die zu dieser Gesetzesänderung notwendig waren, summa summarum gekostet haben.
Es gibt so viele Beispiele. Jedes Jahr mehrere symbolpolitische Maßnahmen, die nur einem Zweck erfüllen: Zeigen, dass was getan wird. Eine niedere Moral befriedigen, die was gegen Raucher und Biertrinker ohne Job, also gegen Arbeitslose und Sozialhilfeempfänger hat. Und nun halt wieder so ein symbolpolitischer Schlag. Der aktuelle Fall: Sachleistungen für Asylbewerber. Man weiß ganz genau, dass die Versachleistung von menschlichen Bedürfnissen ein großer bürokratischer Aufwand ist. Das ist ja das Schöne am Geld. Man kann es einem in die Hand drücken und auf die Eigenverantwortung hoffen. Die Leute werden sich schon kaufen, was sie benötigen. Aber wenn sie erst einen Bezugsschein, einen Bon oder eine Empfehlung brauchen, um dies oder das zu bekommen, ohne selbst Geld in die Hand nehmen zu dürfen, muss ja jemand diese Zwischenstelle im Austausch einnehmen. Muss ein Papier schreiben und die Antragsteller weiterschicken. Oder sie fortschicken und abwiegeln, ihnen den Kopf waschen und »Das gibt es nicht!« rufen. Und wer macht das? Will die Regierung weiterhin auf all die ehrenamtlichen Helfer bauen? Irgendwann ist auch deren Engagement erschöpft. Diese Leute haben auch ein Privatleben, Freunde und Familie und ganz sicher benötigen sie auch mal Ruhe und Erholung und können nicht Monate für lau das ausbaden, was die Regierung nicht finanzieren will.
Also wer macht es? Das Sozialamt? Sehr wahrscheinlich. Eine Behörde, die jetzt schon überfordert ist wie so viele andere auch. Aber es ist egal. Man lasse es ruhig Geld kosten, extra Arbeit verursachen. Völlig wurscht. Denn es geht ja um die Moral und um das, was wir doch alle angeblich wissen: Diese Fremden flüchten aus ihren Heimatländern nämlich nur, weil sie hier 4,75 Euro abgreifen wollen. Viel Geld für all diese Flüchtlinge, oder nicht? 4,75 Euro sind in Syrien drei Abende voller Wein, Weib und Gesang, ein Satz neuer Alufelgen und zusätzlich noch zwei Handy-Monatsrechnungen. Dumm nur, dass 4,75 Euro hierzulande - und sie sind ja nun mal hier - bloß zwei Laib Brot und ein Laugengebäck ergeben. Aber das Vorurteil, dass es nur das Geld ist, was die Leute herlockt, das reicht schon für einen Akt der Symbolpolitik aus. Auch wenn es sehr viel mehr Geld kostet, den Leuten ihre Brotlaiber per Schein zu verordnen. Das ist doch völlig schnurz, denn Symbolpolitik kostet halt. Sie ist zwar unvernünftig und gar nicht ökonomisch und effizient (was man ansonsten so gerne zu sein vorgibt), aber das ist egal, wenn nur die Leute nachher sagen, dass die Regierung auch was leistet.
Die Sondersteuer für Reiche kommt übrigens nicht. Heute genauso wenig wie vor drei oder fünf oder zehn Jahren. Man entschuldigt seit Jahr und Tag diese ausbleibende Maßnahme von Regierungsseite mit der Erklärung, dass dabei kaum was rumkommt. Sie sei also quasi nur eine Maßnahme, die man unter dem Begriff »Symbolpolitik« verbuchen könnte. Die Regierung möchte nicht, dass es so aussieht, als würde sie in dieser Angelegenheit Maßnahmen ergreifen, die kaum Wirkung haben. Sonst würde am Ende doch nur jemand merken, was eigentlich ganz gut ersichtlich ist: Wir haben nur noch eine symbolische Regierung. Postdemokratie letztlich: Die Symbolik eines intakten Primats der Politik. So tun als ob.
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