Nomen non est omen

Heute: "Realpolitik"
"Deutschland braucht Realpolitiker statt Moralapostel"
- Schlagzeile von Welt-Online vom 17. April 2011 -
Die Realpolitik bezeichnet eine Form der Politik, die sich nach pragmatischen, umsetzbaren und nach vorhandenen real existierenden Gegebenheiten richtet. Sie grenzt sich damit von einer Politik und Sichtweise ab, die normativ und werteorientiert entscheidet. Politische Entscheidungen im Sinne der Realpolitik werden zu einer verhandelbaren Masse erklärt. Alle Gesetze, Entscheidungen, Vorhaben und Ideen sollen sich nach pragmatischen Rahmenbedingungen richten. Alles was sich in diesem Spielraum bewegt, ist verhandelbar, der Spielraum selbst jedoch nicht. Der politische und wirtschaftliche Rahmen wird als gottgegeben und naturwüchsig erachtet und ist somit der Überbau des TINA-Prinzips.

Es ist schon bezeichnend, dass der Machtpolitiker Niccolo Machiavelli als einer der bedeutendsten Verfechter der Realpolitik gilt. Ethische, normative oder religiöse Überlegungen sind nur insofern in politische Entscheidungen einzubeziehen, sofern sie dem Machterhalt dienlich sind. Die Aufrechterhaltung der Macht ist, nach Machiavelli, die oberste Prämisse der Regierung. Wenn sich nun in einer parlamentarischen Demokratie Volksvertreter auf die Fahnen schreiben, sie würden in erster Linie realpolitisch agieren, dann wird die parlamentarische Verantwortung im Sinne der Bevölkerung und des Gemeinwohls zu handeln, vernachlässigt.

Realpolitik ist somit immer eine Politik der Mächtigen und Herrschenden, eine Politik die den status quo aufrecht erhalten will. Denn wenn Banken und Konzerne die Welt regieren, geben sie auch den Spielraum vor, in der sich eine pragmatisch orientierte Politik bewegen darf. Wer aus diesem eindimensionalen Kreis der Macht ausbrechen will, der wird von Realpolitikern als Spinner, Träumer oder Ewiggestriger diffamiert. Auch wenn sich Realpolitiker gerne als ideologiefrei sehen, so sind sie doch an die herrschende Ideologie gebunden.
"Welche Nöte der Realpolitik auch immer ins Spiel gebracht werden - gegen die Lesereise-Liturgin Margot Käßmann ist kein Stich zu machen."
- Meldung auf Spiegel Online vom 20. Juni 2011 -
Eine Politik, die ein klares gesellschaftliches Bild und eine Vorstellung vom gesellschaftlichen Zusammenleben formuliert, wäre dringend geboten, wenn man die Politik(er)verdrossenheit ernsthaft bekämpfen will. Zudem sind politische Entscheidungen immer menschliche Entscheidungen, denen bestimmte Wertvorstellungen und Interessen stets zugrunde liegen. Eine rein pragmatisch orientierte Politik kann es insofern nur in der Theorie geben, meist ist sie wohl eher ein Euphemismus für Machtpolitik im Sinne des Machterhalts der Herrschenden.

Realpolitik bedeutet: there is no alternative (TINA). Realpolitik bedeutet, Macht- und Eigentumsverhältnisse nicht anzutasten. Realpolitik bedeutet, im Sinne der Mächtigen und Herrschenden zu handeln. Realpolitik bedeutet, keine Vision, keine Idee und keine Vorstellung von einer besseren Welt zu haben.

Dies ist ein Gastbeitrag von Markus Vollack aka Epikur

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