Nomen non est omen

Heute: "Unpolitisch"
"Angepasst, gleichgültig, konzeptlos, beliebig, unpolitisch, unsolidarisch – so sind die Studenten von heute. Dieses düstere Bild zeichnet die Studie der Arbeitsgruppe Hochschulforschung der Universität Konstanz, die im Auftrag des Bundesforschungsministeriums knapp 9000 Studenten befragte."
- Der Westen am 20. Februar 2009 -
Das Adjektiv "unpolitisch" bezeichnet eine vermeintliche Haltung und Einstellung, nach der man wenig bis gar nicht, an politischen Vorgängen, Geschichte, Parteien und Politikern interessiert sei. Der Unpolitische gibt sich undogmatisch, objektiv, hedonistisch, politikverdrossen, meinungs– und ideologiefrei. Er geht dem Thema Politik am liebsten aus dem Weg und glaubt, es könne ein Leben ohne Politik geben. Da das Wesen der Politik allumfassend ist und Bereiche wie Macht, Gesellschaftsordnung, Ökonomie, Gesetz, Ethik, Weltanschauung und vieles mehr betrifft, ist die Behauptung, man sei unpolitisch, Illusion und Selbstlüge.

Der Mensch ist ein Individuum und somit Subjekt. Er ist eingebettet in zwischenmenschliche, kulturelle und gesellschaftliche Rahmenbedingungen. Diese bestimmen, beeinflussen und prägen das individuelle Verhalten, die Einstellung und die Weltanschauung. Dennoch ist der Einzelne nicht nur das Opfer gesellschaftlicher Strukturen, er ist auch der Schöpfer seiner selbst. Erklärungsversuche, die nur die Eigenverantwortung oder nur die Struktur betonen, sind somit einseitig und wenig hilfreich. Da der Mensch ein soziales Lebewesen ist, der Gemeinschaften gründet, ist es unmöglich unpolitisch zu sein. Dies dürften nur Mogli oder Caspar Hauser schaffen.
Der vermeintlich Unpolitische ist in höchstem Maße politisch, denn er ist an der Aufrechterhaltung der herrschenden Verhältnisse interessiert. Es ist ein Irrtum anzunehmen, dass nur derjenige politisch (aktiv) sei, der die gesellschaftliche Ordnung verändern will. Jeder, der sich nicht politisch engagiert oder sich politisch interessiert, sorgt für das Weiterbestehen des status quo. Insofern macht sich der Unpolitische unfreiwillig zum Helfer und Verteidiger bestehender Verhältnisse. Veränderungen, welcher Art auch immer, sind dem Unpolitischen zuwider und verunsichern ihn. Statt unpolitisch müsste es also vielmehr heißen: politisch im Sinne der aktuellen Herrschaftsverhältnisse.
"Wer will, dass die Welt so bleibt wie sie ist, der will nicht, dass sie bleibt."
- Erich Fried -
Dies ist ein Gastbeitrag von Markus Vollack aka Epikur.

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