Nikolai Tokarev – Ich möchte nie aufhören Klavier zu spielen!

Nikolai Tokarev – Ich möchte nie aufhören Klavier zu spielen!

Nikolai Tokarev (c) Uwe Arens

Sie sind gerade auf Tour mit dem OPS und Marc Albrecht. Vor vier Tagen traten Sie in Straßburg auf, gestern in Maribor und heute war Zagreb an der Reihe. Keine Zeit, zwischen den Stationen sich lang vorzubereiten. In einem Interview erklärten Sie einmal, Sie müssten nicht wirklich viel üben, denn das hätten Sie schon hinter sich – jetzt aber dafür alles in Ihren Fingern. Heißt das, dass Sie kein neues Repertoire mehr erarbeiten müssen?

Nein, natürlich nicht. Ich habe damit gemeint, dass ich ja als Kind und Jugendlicher tatsächlich 8 Stunden und mehr am Tag geübt habe – und das täglich. Jetzt aber ist es so, dass die Stücke, die ich auswendig kann, so sitzen, dass ich sie nur auffrischen muss. Ich habe mit ihnen sozusagen viel Gepäck auf dem Rücken, das ich jederzeit aufmachen kann. Und natürlich erarbeite ich mir ständig ein größeres Repertoire, vor allem immer für die nächste Saison.

Sie spielten heute das 1. Konzert für Klavier und Orchester von Rachmaninow, aber Sie spielen auch schon lange den „Gaspard de la nuit“ von Ravel – zwei Stücke, die zum schwierigsten Klavierrepertoire gehören. Warum spielen Sie so jung schon diese schwierigen Werke?

Für mich sind sie nicht schwierig. Ich spiele ja schon sehr lange und es ist für mich ganz natürlich, sie zu spielen. Ich kann alles spielen, was immer ich will und möchte!

Sie haben bis jetzt insgesamt drei CDs aufgenommen. Wie kam das Repertoire dieser Cds zustande, waren es Ihre Wunschstücke, oder jene von Sony, dem Produzenten?

Die erste CD die ich gemacht habe waren meine Wunschstücke, meine Wahl. Die zweite CD die auf den Markt kam, die wir allerdings als dritte aufgenommen haben, kam durch eine Entscheidung von Sony zustande, die ein Konzert in Luzern hörten und dieses Konzert darauf hin live in Rom mitschnitten. Bei der dritten CD wiederum war es eine Mischung aus den Wünschen von Sony und mir.

Haben Sie selbst einen bestimmten Komponisten, den sie bevorzugen, den Sie gerne öfter spielen würden?

Nein, eigentlich nicht. Ich habe viele Komponisten, die ich gerne spiele und ich möchte auch noch sehr viele spielen, die ich bis jetzt nicht bearbeitet habe.

Arbeiten Sie auch mit zeitgenössischen Komponisten zusammen?

Früher habe ich etwas zeitgenössische Musik gespielt, heute aber allerdings eigentlich nur Bearbeitungen von zeitgenössischen Künstlern, die Stücke speziell für mich transkribieren, wie zum Beispiel die Paganinivariationen. Ich arbeite hier mit Alexander Rosenblatt, einem zeitgenössischen Komponisten zusammen, der auch eigene Kompositionen macht. Er ist heute ungefähr 60 Jahre alt und wir werden noch mehr gemeinsam miteinander machen. In ein paar Wochen wird die Transkription im Schottverlag erscheinen – und auf dem Cover wird mein Name stehen! Ich bin sehr stolz darauf.

Im Rachmaninowkonzert müssen Sie extrem konzentriert arbeiten. Wie schaffen Sie es, so konzentriert auf die Bühne zu kommen, haben Sie da eine eigene Technik entwickelt und ist es für Sie da überhaupt möglich, einen Unterschied in der Interpretation verschiedener Orchester wahrzunehmen?

Ich habe, was die Konzentration betrifft, eine große Erfahrung. Ich verwende hier keine spezielle Technik, sondern die Konzentration kommt ganz von alleine. Ich gebe schon so lange Konzerte, dass ich hier ganz automatisch reagiere. Was das Orchester betrifft, so habe ich hier leider noch keine Vergleichsmöglichkeiten. Ich spiele den Rachmaninow mit diesem Orchester zum allerersten Mal.

Das ist sehr interessant!

Was ich sagen kann ist, dass das Orchester extrem gut ist und dass ich gerne mit dem OPS und Marc Albrecht zusammen gearbeitet habe. Heute in Zagreb war es die beste Aufführung, die wir in dieser Serie hatten.

Wie verläuft der kreative Prozess, wenn Sie mit einem Dirigenten das erste Mal arbeiten?

Ich spiele, wie ich es mir vorstelle und wir reden dann anschließend darüber. Ich stelle meine Ideen vor, der Dirigent dann seine. Mit Marc Albrecht hat das sehr gut funktioniert.

Merken Sie vom Publikum her Unterschiede?

Oh ja, sehr große sogar. In manchen Gesellschaften  ist es nicht üblich, laut zu klatschen, wie z.B. in Japan. Wenn dort laut geklatscht wird und Bravo gerufen wird, dann hat man schon etwas ganz Besonderes gemacht.

Sie sind in Japan sehr bekannt, ist Ihnen das dort schon passiert?

Ja, natürlich!

Dann haben Sie einen guten Job abgeliefert!

Ja, ich denke schon. Aber es gibt auch Publikum, das klatscht andauernd und fordert wieder und wieder und wieder Zugaben. Das ist tatsächlich ganz unterschiedlich. Es ist schön, wenn die Leute klatschen, denn auf diese Art geben mir die Leute die Energie zurück, die ich ihnen zuvor mit meinem Spiel gegeben habe.

Was haben Sie für mittelfristige Ziele?

Ich möchte mehr Barockmusik spielen. Ich beschäftige mich mit Scarlatti und auch mit Haydn, weil ich in der kommenden Saison mehr davon spielen werde.

Sie leben jetzt in Moskau und in Düsseldorf.

Ja, in beiden Städten. Ich habe in Düsseldorf mein reguläres Studium bei Barbara Szcepanska an der Robert Schumann Hochschule abgeschlossen, aber ich belege noch spezielle Kurse.

Wie erarbeiten Sie sich ein neues Stück, hören Sie sich Kollegen an?

Nein, überhaupt nicht. Ich erarbeite mir zuerst das Stück alleine, lerne es auswendig, interpretiere es völlig auf meine eigene Art. Dann erst frage ich um Rat bei Professoren, aber auch dann spiele ich auf meine eigene Art und Weise.

Deswegen haben Sie auch einen ganz eigenen Stil entwickelt.

Ja, klar.

Sie spielen mit enorm viel Kraft, präferieren Sie eine bestimmte Klaviermarke?

Ja, ich spiele am liebsten auf Steinway. Ich bin der Meinung, dass andere Klaviere die Stimmung nicht so gut halten, aber das kann auch ganz von den Stimmern im jeweiligen Konzertsaal abhängen.

Sie sollten ihren eigenen Stimmer mit auf Tournee nehmen!

Ja, in Zukunft vielleicht!

Gibt es Orchester oder Dirigenten, mit denen Sie gerne zusammenspielen würden?

Es gibt unglaublich viele gute! Ich reise sehr gerne und möchte am liebsten mit allen einmal zusammenspielen – je mehr, umso besser. Ich möchte nie aufhören zu spielen, denn Musik ist mein Leben, ich hoffe, dass man das auch sieht und spürt, wenn ich spiele. Ich höre ja auch sehr viel Musik, wenn ich unterwegs bin, oder zuhause. Ohne Musik ginge es nicht, könnte ich mir mein Leben gar nicht vorstellen.

Was glauben Sie, was Sie dem Publikum geben?

Musik! Was sonst!

Das Interview führte Dr. Michaela Preiner mit Nikolai Tokarev nach seinem Auftritt in Zagreb am 14.3.2010

–öößäüüä–üßüüäü–äüäüüäößüäü Datum der Veröffentlichung: 17 März 2010
Verfasser: Michaela Preiner
In folgenden Kategorien veröffentlicht: Melange

Schlagwörter: Interview, Konzert, Nikolai Tokarev, ops. Strasbourg, Rachmaninow

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