Niedersächsische Musiktage 2012 - gestern zu Ende gegangen, Rückblick Westerstede und Emden
Gestern sind sie zu Ende gegangen, die Niedersächsischen Musiktage 2012 zum Thema "Freiheit", über die ich hier mehrfach berichtet, zuletzt hier ...
Hannover zum Abschluss, Westerstede und Emden zwischendurch, das ist mein persönlicher Blickwinkel (alle Veranstaltungen in ganz Niedersachsen zu besuchen könnte zwar ein Traum sein, wäre aber schwierig zu realisieren - insofern wird es immer einen persönlichen Blickwinkel geben).
Zuletzt, am 30. September, gab es ein Abschlusskonzert im NDR Landesfunkhaus Hannover mit den Bremer Philharmonikern unter Markus Poschner unter der Überschrift "Narrenfreiheit" - kombiniert mit politischer Satire von und mit Dietmar Wischmeyer.
Aus dem Pressetext:
Das letzte Wort soll denen gehören, die gerne und zum allgemeinen Vergnügen – außer vielleicht für diejenigen, die von ihnen auf die Schippe genommen werden – über die Stränge schlagen. Die Musiktage schenken sich und dem Publikum zum Festivalabschluss eine Portion Narrenfreiheit: Im großen Sendesaal des NDR gibt Kabarettist Dietmar Wischmeyer, bekannt als Frühstyxradio-Komiker und Mitglied der Heute-Show, eine hintersinnige Solo-Einlage mit politischer Satire.
Als rauschhaftes Finale eines Musiktage-Monats voller Freiheitsgefühle lassen die Bremer Philharmoniker Till Eulenspiegels Unverschämtheiten in der sinfonischen Dichtung von Richard Strauss erklingen und der finnische Bassbariton Jukka Rasilainen gibt die Narrenlieder von Dmitri Schostakowtisch zum Besten. Mit dieser und anderer ulkiger Narrenmusik wird das Ideal der Freiheit zum Schluss noch einmal lustvoll hör- und fühlbar.
Doch nun zu zwei Veranstaltungen in Ostfriesland, die ich miterlebt habe. Vielleicht mag das für den einen oder anderen - für 2013! - eine Anregung sein: solche Konzerte, die nahe beieinander und im selben Landschaftsraum liegen mit einem kleinen Urlaub zu verbinden!
Am 20. September ging es um "Freiheitssymphonien" in der Aula des Gymnasiums Westerstede - zweimal Beethoven: erst das Klavierkonzert Nr. 5 Es-Dur, dann die Sinfonie Nr. 3 Es-Dur op. 55, "Eroica". Es spielte die NDR Radiophilharmonie unter der Leitung des israelischen Dirigenten Omer Meir Wellber; Solistin beim Klavierkonzert: die aus Japan stammende Yoko Kikuchi.
Aus dem Pressetext:
"Eben noch glorifiziert, im nächsten Moment verdammt: Beethoven hat sich schnell vom glühenden Verehrer Napoleons zu einem scharfen Kritiker gewandelt. Unter der Leitung von Omer Meir Wellber spielt die NDR Radiophilharmonie zwei Werke, die Beethovens anfängliche Faszination und spätere bodenlose Enttäuschung mit dem vermeintlichen Befreier in mitreißende Musik überführen.
Seine dritte Sinfonie, die ausladende »Eroica«, hat Beethoven dem französischen Eroberer anfänglich gewidmet, später jedoch nichts mehr von dieser Zuschreibung wissen wollen. Und in seinem fünften Klavierkonzert spiegelt sich die Erfahrung des von Napoleons Truppen besetzten Wiens: »Welch zerstörendes, wütendes Leben um mich her«, resümierte der Komponist damals und schrieb ein Stück, dem die Engländer den Beinamen »The Emperor« gaben, und das vor allem die patriotische Hoffnung auf Überwindung der Fremdherrschaft ausdrückt. Dies wird hier von der mehrfach preisgekrönten Solistin Yoko Kikuchi zum aufregenden Klangerlebnis gemacht: Der Held mag sich gewandelt haben, das Ideal der Freiheit aber besteht."
"Die NDR Radiophilharmonie wird von Omer Meir Wellber durch die
auftrumpfenden Spannungsbögen der „Eroica“-Sinfonie geführt. Der 1981
geborene israelische Dirigent, der 2009 von Daniel Barenboim zu dessen
Assistent an der Berliner Staatsoper ernannt wurde, hat sich bereits
einen Namen als Neudeuter großer Klassiker gemacht. Für das fünfte
Klavierkonzert gesellt sich dann die 1977 in Japan geborene Solistin
Yoko Kikuchi hinzu, die unter anderem 2002 den ersten Preis des
Internationalen Mozart Wettbewerbs in Salzburg gewann. Gemeinsam stürzen
sie sich für das Publikum in den großen Klang der musikalischen
Revolutionen."
Für meine Ohren klang das Orchester in diesem Raum eher trocken-hölzern, aber insgesamt wurde dem vollen Saal hier ein großartiges Erlebnis beschert. Schön war auch wahrzunehmen, dass viele HelferInnen, offensichtlich auch SchülerInnen, an dem festlichen Abend mitgewirkt haben. Das Herz des Ganzen dürfte der rührige Kulturverein "KulturGenuss" sein, der sich "Vortragsvereinigung" nennt, aber eben auch für vieles andere wie Konzerte tätig ist. Schön, wahrzunehmen, dass es so etwas gibt!
Wenige Tage später dann - am 22. September - in Emden ein Konzert ganz anderen Charakters, an einem besonderen Ort: in der Johannes a Lasco Bibliothek. Das Concerto Köln - seit mehr als 25 Jahren eines der führenden Ensembles der historischen Aufführungspraxis - spielte Werke von Johann Sebastian Bach und Georg Friedrich Händel. Gesang: die aus Katalonien stammende Nuria Rial (Sopran).
Aus dem Pressetext:
"Dass sich das Spitzenorchester und die Ausnahme-Sopranistin ausgerechnet bei einer ECHO Klassik-Verleihung zum ersten Mal begegnet sind, ist nun wirklich kein Wunder – schließlich konnten beide in der Vergangenheit bereits mehrfach mit dem begehrten Preis nach Hause gehen. So lag es dann auch nahe, dass Concerto Köln und Nuria Rial eine Zusammenarbeit beschlossen ... Mit dem Titel „Freiheit zu lieben“ und den so romantischen wie Konventionen sprengenden Werken von Händel und Bach, die hierfür ausgewählt wurden, ist das Konzert maßgeschneidert für das Festival, das sich in seinem 26. Jahr ganz der Freiheit verschreibt. ... Am 22. September um 20.00 Uhr kommen die katalonische Sängerin, die an den großen Opernhäusern Europas zu Hause ist und insbesondere für ihre Barockinterpretationen gerühmt wird, und das weltweit für seine historische Aufführungspraxis bewunderte Concerto Köln (das inzwischen über 50 CD-Einspielungen vorzuweisen hat) in der Johannes a Lasco Bibliothek in Emden zusammen, um eine Musik zu entfalten, in der die Liebe alle Grenzen sprengt – und bisweilen bis zum Wahnsinn führt. Arien aus Händels leidenschaftlichen Opern „Amadigi“ und „Berenice“ ebenso wie seine Kantate „Delirio Amoroso“ sind dafür effektvolle Beispiele – und damit der Aufruhr der Gefühle auch in wahrhaft beglückende Gefilde gesteuert werden kann, werden nicht nur zwei Brandenburgische Konzerte, sondern auch Bachs Hochzeitskantate „Weichet nur, betrübte Schatten“ zu einer festlich frohlockenden Liebeserklärung an die befreiende Kraft der Musik."
Mir persönlich wird - außer dem wunderbar geschmeidigen oder dramatischen Gesang - das Oboenspiel (Martin Stadler) besonders in Erinnerung bleiben.
Text: Helge Mücke, hannover; Bilder (Pressefotos, nicht frei verfügbar) von oben nach unten:Bremer Philharmoniker (kein Fotograf genannt), Marco Borggreve, Paolo Genovesi und Mercè Rial. Bremer Philharmoniker,
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