Die Wahl in Hamburg bestätigt Trends. Ein Trend zur politischen Profillosigkeit und einen ungebrochenen Trend zur Wahlenthaltung. Statt über Erfolge sollte die Politik über ihr Scheitern diskutieren.
Die Wahl in Hamburg ist vorbei und es gibt wieder nur Gewinner. Allen voran die FDP, von der 99 Prozent ihrer Wähler meinen, sie stünde klar für Marktwirtschaft. Tut sie aber nicht. Bei den Liberalen stand nur Spitzenkandidatin Katja Suding im Rampenlicht, nicht die Marktwirtschaft. Sie ist eine PR-Fachfrau, die weiß, wie man ein Image formt. Nicht umsonst lag Suding in der Zufriedenheitsabfrage, die nicht mehr als die Präsenz in der Öffentlichkeit misst, auf Platz zwei hinter Olaf Scholz. Es ist weniger die Marktwirtschaft als eine toll bebilderte Boulevard Kampagne gewesen, die der FDP in Hamburg wieder auf die „Beine“ half.
Heikle Trends
Auf der anderen Seite soll auch Olaf Scholz gewonnen haben, einer, der landauf landab als Ableger eines neuen Politiker Typus beschrieben wird, den offenbar Angela Merkel schuf. Heribert Prantl schreibt von einem Triumph des Fleißigen, der durch auffällige Unauffälligkeit besticht. Ein Trend in der Politik, wie Prantl meint. Aber auch er übersieht das Wesentliche. Dem Triumph steht eine abermals gesunkene Wahlbeteiligung gegenüber. Nur noch 56,6 Prozent der Wahlberechtigten gaben ihre „Stimmen“ ab. Erstmals durften auch Jugendliche ab 16 an die Urne. Rund 1,3 Millionen Hamburger waren zur Wahl aufgerufen und damit rund 40.500 Wahlberechtigte mehr als 2011. Vor diesem Hintergrund wirkt der Rückgang der Wahlbeteiligung noch einmal dramatischer.
Die Nürnberger Nachrichten kommentieren treffend: „Die SPD in Hamburg bleibt stark, sehr stark - aber sie ist nicht die stärkste Kraft in der Hansestadt: Das sind jene Bürger, die von ihrem Wahlrecht gar nicht Gebrauch gemacht haben. Immer mehr Menschen zweifeln an ihrem Einfluss auf die Politik, glauben, sie könnten ohnehin nichts erreichen. Oft sind das weniger gut Gebildete, sozial Schwache, Arbeitslose in Problemvierteln, die es auch in Hamburg gibt. Das Wahlrecht dort macht es gerade ihnen schwer. Es ist kompliziert und demokratisch durchaus reiz-, aber eben auch anspruchsvoll. Deshalb geben zusehends die mittleren und oberen Schichten ihre Stimme ab, die unteren ziehen sich zurück - und sind deshalb tatsächlich schlechter repräsentiert als andere. Ein heikler Trend.“
Ungeachtet dieses Trends zur Wahlenthaltung wird Olaf Scholz schon als künftiger Kanzlerkandidat ins Gespräch gebracht, obwohl er mit dafür verantwortlich ist, dass die SPD im Bund keine Volkspartei mehr ist. Scholz war ja nicht immer Erster Bürgermeister Hamburgs, sondern davor gescheiterter Bundesminister für Arbeit und Soziales. In dieser Funktion prägte er den Satz: „Alles, was an Effekten durch arbeitsmarktpolitische Maßnahmen entsteht, wird jedes Mal zusammen mit der Arbeitsmarktstatistik veröffentlicht. ... Ich glaube, dass man sich auf die Seriosität dieses Prozesses verlassen kann. Wer anders rechnen wolle, könne ja seine Zahl veröffentlichen – und dazu ein Flugblatt drucken.“
Scholz steht für den Niedergang der SPD
Der Niedergang der SPD ist untrennbar auch mit dem Namen Olaf Scholz verknüpft. Er gehört zu den Agenda-Befürwortern und war gewissermaßen einer der Totengräber der alten Sozialdemokratie, wie das Neue Deutschland heute richtig analysiert. Vor diesem Hintergrund wirkt es geradezu grotesk, Scholz als neuen Heilsbringer der Sozialdemokratie auch nur in Erwägung zu ziehen.
Zur Diskussion um den Ausgang der Hamburg-Wahl gehört natürlich auch die Spekulation um mögliche Koalitionen. Da spielt dann plötzlich ein Bündnis mit der FDP wieder eine Rolle. Auch das passt irgendwie zur Zeit, deren Beobachter einen sozialliberalen Kurs von Scholz erkannt haben wollen. Es ist immer wieder erstaunlich wie schnell nach einem Wahlerfolg Erklärungen verkündet werden. Scholz habe gewonnen, weil er für Verlässlichkeit stünde und Versprechungen eingehalten habe.
Die Verlierer müssen hingegen das Wahlergebnis immer erst genau analysieren, bevor sie einen Grund für ihr Scheitern nennen können, was freilich nie geschieht. Doch diese genaue Analyse täte auch den vermeintlichen Gewinnern einmal gut, die schon wieder über Inhalte diskutieren und darüber, was gut für die Hamburger sei, die zu einem großen Teil kein Interesse an der Wahl zeigten. Eine Gemeinsamkeit hat die SPD mit der FDP auf jeden Fall. Zwei Männer an der Spitze. Olaf Scholz und Katja Suding.
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