Da die Vermittlung von Arbeitslosen in Zeitarbeitsgelegenheiten zunimmt, so meldet die taz, will die Bundesagentur für Arbeit die Zusammenarbeit mit dieser Branche prüfen. Was sich wie späte Einsicht und Hoffnungsschimmer liest, ist doch nichts anderes als grobe Verlogenheit. Denn diese Inaussichtstellung ist dem Menschen- und Gesellschaftsbild, das im SGB II vermittelt wird, diametral entgegengesetzt.
Die Arbeitsmarkt- und Sozialreformen des letzten Jahrzehnts kamen ja nicht aus dem Nichts. Sie waren tatsächtlich auf die Schaffung eines Niedriglohnsektors zugeschnitten worden. Der tat angeblich not. Die rot-grüne Koalition wollte dem Missstand von zu teurer Arbeit entgegenwirken und einen Niedriglohnsektor schaffen, in dem unqualifizierte Arbeitskräfte Beschäftigung finden konnten ohne einen Anspruch darauf zu haben, von getaner Arbeit auch leben zu können. Auf Existenzminimum könne immer noch die öffentliche Hand aufstocken und die so sozialisierte und subventionierte Arbeitskraft wäre für Arbeitgeber somit besonders attraktiv. Der damalige Kanzler vertrat nachdrücklich die Ansicht, dass ein Niedriglohnsektor dringlich sei, schielte dabei auch zu seinem britischen Alter Ego, das den Niedriglohnsektor in seinem Land nicht trockenlegte, sondern gedeihen ließ. Freilich auch mit der Begründung der herrschenden Ökonomie, wonach Arbeit zu teuer sei und Unqualifizierte nur auf niedrigem Lohnniveau beschäftigt sein sollten.
"Wir haben einen der besten Niedriglohnsektoren aufgebaut", lobte sich Schröder in Davos 2005 selbst. Das war das Vorhaben, das unter dem Applaus der damaligen Opposition, der heutigen Regierung, vollbracht wurde. Die Hartz-Reformen zielten genau darauf ab. Sie montierten an prekär machende Sozialgesetze auch noch prekäre Arbeitsgelegenheiten. Das Wechselspiel zwischen Sozialhilfe und gelegentlicher Arbeit auf Niedriglohnniveau für einen Teil der Gesellschaft war somit fest eingeplant. Es war nicht so, dass die Zeitarbeit über diesen prekär gemachten und deregulierten Arbeitsmarkt herfiel. Nein, es war eher so, dass diese schöne neue Arbeitswelt auf die Anforderungen von Zeit- und Leiharbeit zugeschnitten, dafür regelrecht entworfen wurde. Und die flankierenden Sozialgesetze noch viel mehr. Sie sollten die Reservearmee bilden, die dann dankbar und motiviert in Arbeitsgelegenheiten malocht, die kaum Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, Kündigungsschutz oder Unbefristung kennt - und das alles auch noch zu einem Lohn, der nicht ausreicht, um sich vom Jobcenter zu emanzipieren.
Wenn nun mehr in Zeitarbeit vermittelt wird, wie es die Bundesagentur bestätigt, dann ist das kein Missstand nach Lesart der Reformbeabsichtigungen, den man nun prüfen und vielleicht sogar abzustellen habe, sondern die Bestätigung dafür, dass die damaligen Reformen nun doch endlich mal Erfolge zeitigten. Erfolge nach gängiger Ökonomie und dem doktrinären Menschen- und Gesellschaftsbild darin. Die Bundesagentur kann auch nicht so tun, als wäre sie nun bass erstaunt über diese Entwicklung, denn sie hat die Reformen umgesetzt und vorher an ihnen mitgestrickt - und sie hat sie stets rigide ausgelegt. Und nun tut sie so, als habe sie mit der Sache wenig zu tun, als müsse sie vielleicht bereinigen, was ausschließlich die Politik verpasst hat. Das ist verlogen und geschichtsvergessen und entspricht den Absichten der letzten Arbeitsmarkt- und Sozialgesetze in keiner Weise.