New Yorker Schulbusfahrer üben Klassenkampf

Klassenkampf ist ein Begriff, der in den vergangenen Jahrzehnten extrem aus der Mode gekommen ist. Schließlich gibt es angeblich keine Klassen mehr, laut Grundgesetz haben alle Menschen die gleichen Rechte und jeder, der sich nur genug Mühe gibt, kann aufsteigen und sich ein schönes Leben machen. Genau wie inzwischen jede noch so vielversprechende Karriere schnell zu Ende sein kann: Pleite, Entlassung, ein Jahr Arbeitslosengeld und dann Hartz IV. Da sind dann auch wieder alle gleich. Es sein denn sie hatten schon vorher so viel Kohle, dass sie sich auch ohne Job ein schönes Leben machen können.

Praktisch ist es selbstverständlich so, dass es sehr wohl Klassen gibt, nur dass die heute “Schichten” genannt werden. Von “Schichtenkampf” spricht niemand, Schichten liegen schließlich ganz natürlich aufeinander, ganz anders als Klassen, die sich auch mal unversöhnlich gegenüber stehen können. Und die allermeisten Leute sehen sich ohnehin irgendwie in der Mittelschicht. Wobei gerade die Mittelschicht derzeit extrem gefährdet ist, wie derzeit immer wieder zu lesen ist: Wer seinen Job verliert, verliert auch sein Mittelschichtdasein. Und immer mehr, die einen Job haben – im Versand bei Amazon oder Discount-Brötchenbäcker beispielsweise – schaffen es auch mit harter Arbeit nicht mehr in die Mittelschicht. Das ist auch in anderen Ländern so, Spanien, Portugal, Griechenland, und natürlich in den USA.

Stop-Schild

Genug ist genug. Die New Yorker Schulbusfahrer kämpfen gegen Sparmaßnahmen.

In den USA ist es ja schon vor der Finanzkrise so gewesen, dass Menschen sich nicht auf eine Grundsicherung verlassen konnten, sondern in die allerletzten Jobs gezwungen wurden, um überhaupt so etwas wie Sozialhilfe zu bekommen. Ich kann mich erinnern, schon vor Jahren Reportagen gesehen zu haben, in denen alleinerziehende Mütter gezwungen wurden, zwei bis drei Jobs gleichzeitig anzunehmen, um über die Runden zu kommen, während die Kinder entweder in Rund-um-die-Uhr-Verwahrungsanstalten, bei der Oma, Nachbarn oder halt unbeaufsichtigt allein zu Hause irgendwelchen Unsinn anstellten.

Und ich habe mich gefragt, warum die Amis das mit sich machen lassen. Ausgerechnet in diesem freiheitsbesessenen Land lassen sich die Leute dermaßen viel gefallen – wo Griechen, Franzosen oder Spanier einfach mal einen Generalstreik ausrufen würden, machen die Amis halt noch einen dritten oder vierten Job, um über die Runden zu kommen. Nicht zu fassen!

Insofern ist es sehr interessant, dass die News Yorker Schulbusfahrer jetzt ein Basiskomitee gegründet haben. Die Schulbusfahrer sollen nämlich (Sparmaßnahmen!) zu schlecht bezahlten Leiharbeitern degradiert werden. Die einschlägigen – in den USA traditionell schwachen – Gewerkschaften hatten auch erstmal gestreikt, der Streik wurde aber dann ohne Mitgliederbefragung abgebrochen – natürlich ohne dass irgendeine Forderung erfüllt worden wäre. In diesem Fall war es vor allem die ATU, die Amalgamated Transit Union, die versucht hat, den Bürgermeister Michael Bloomberg (Milliardär) und seine Freunde vom Großkapital davon zu überzeugen, dass die Gewerkschaft die angeblich nötigen Kostensenkungen viel bequemer durchsetzen kann, als die Leute von der Stadt. Allerdings es ist ja keineswegs so, dass sich die deutschen Gewerkschaften nicht auch vor allem als Dienstleister am Standort Deutschland und somit am Kapital verstünden.

Dass die New Yorker Schulbusfahrer mittlerweile erkennen, dass auf die Gewerkschaften kein Verlass ist und sie selbst die Sache in die Hand nehmen müssen, ist zumindest ein Anfang.



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