Net mit uns!

Wer sich fest vorgenommen hat, im neuen Jahr öfter “Nein” zu sagen, bekommt jetzt Nachhilfe aus dem Belser-Verlag: der schwäbische Wutbürger ist nämlich keine Erscheinung des 21. Jahrhunderts, Widerstand und bürgerlicher Ungehorsam haben in Baden-Württemberger eine lange Tradition. In ihrem Buch “Net mit uns” Helden und Rebellen aus Baden-Württemberg” sind die Autoren Felix Huby und Hartwin Gromes engagierten Freiheitskämpfern, Rebellen, Outlaws und rabiaten Bürgeriniativen auf die Spur gekommen und veröffentlichten elf lesenswerte (Gruppen-)Portraits.

produktbild_9783763026807.jpg Der zeitliche Bogen spannt sich von den Bundschuhzeiten im 15. Jahrhundert bis zum Widerstand im Nationalsozialismus. Dabei zieht sich eine Frage wie in roter Faden durch die Geschichten: Gibt es denn ein auch durch den Gang der Geschichte legitimiertes Recht auf gewaltsamen Widerstand gegen das Unrecht, das von der Obrigkeit ausgeht”, fragen die Autoren im Vorwort. “Wo beginnt dieses Recht und wo hört es auf? Wann also ist der Rebell ein Held und wann ein Verbrecher? Oder entscheidet am Ende doch die Geschichte, ob ein Aufruhr heldenhaft oder verbrecherisch ist?

Oder anders gefragt: kann man pragmatisch ein Recht auf Widerstand daran festmachen, dass es keinen anderen Weg als den der Gewalt gibt, die von der Obrigkeit ausgeht, Gerechtigkeit entgegenzusetzen?” Und während sich die Autoren klar gegen Gewalt aussprechen, sehen gerade dieser Tage viele Menschen und Gruppierungen offenbar keinen anderen Weg, das was sie als Recht ansehen buchstäblich auf eigene Faust durchzusetzen.

Auch Petitionen, Bürgerinitiativen und Massendemonstrationen haben – unbeachtet von den großen Medien – großen Zulauf und es wäre geradezu naiv, angesichts zunehmenden Lobbyismus, massiver Beschneidung bürgerlicher Rechte und teilweise willkürlicher Justiz, davon auszugehen, dass bürgerlicher Widerstand in unserer demokratisch angelegten Gesellschaft nicht mehr notwendig seien. Ich wage sogar zu behaupten, Zivilcourage wird in Zeiten von aufflammendem religiösen Fanatismus, Bankenrettungen, Kriegstreiberei, Monsanto & Co. mindestens genau so wichtig wie in früheren Zeiten.

Doch zurück zum Armen Konrad, zu den Weibern von Schorndorf, die sich der Französischen Besatzung durch Napoleons Truppen entgegen stellten, zurück zum vogelfreien Hannikel, der kaum eine Chance hatte, als sich kriminell durchs Leben zu schlagen und zu Eugen Bolz, bis 1933 Staatspräsident des Landes Baden-Württemberg und aufrechter, unerschrockener Gegner des Nazi-Regimes. Von den einen bewundert, von den anderen gefürchtet, folgten sie alle ihrem eigenen Gewissen, ein Weg, der für viele mit dem staatlich verordneten Tod endete.

Die spannenden, prosaisch erzählten Geschichten geben schlaglichtartige Einblicke in die Biografien und ins zeitliche Umfeld der Unbeugsamen und wenn die Erzählungen von den Helden und Rebellen aus Baden-Württemberg mit Widerstandszeugnissen aus der Nazizeit enden, “ist damit auch die Hoffnung verbunden, dass das Land nie mehr so unglücklich sein wird, Helden nötig zu haben”, schließen die Autoren. “Eine halbwegs funktionierende Demokratie, die natürlich auch nicht ohne Gewalt auskommen kann, ist eine vergleichsweise langweilige und dem von Rebellen ausgeübten Heldentum abträgliche Gesellschaftsordnung. Möge es bei allen Kontroversen noch lange so bleiben!”

Egal wie leidenschaftlich oder verzweifelt einzelne Leser die staatliche Herrschaft wahrnehmen – dieses Buch kommt zur richtigen Zeit.

Felix Huby, Hartwin Gromes “Net mit uns! Helden und Rebellen aus Baden-Württemberg”, 208 Seiten, gebunden, Belser Verlag



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