Die NSU jetzt auch in Frankreich? Neonazi-Zellen, die nach jahrelangen Wohnwagenreisen durch den Untergrund beginnen, französische Soldaten "nordafrikanischer Abstammung" (dpa) hinzurichten? Die schließlich dazu übergehen, Kinder zu erschießen, um Sympathien für ihre menschenverachtende Sache zu gewinnen?
Es hätte so schön sein können. Zwei Tage lang witterten die führenden deutschen Medienarbeiter eine vielversprechende Spur nach rechts hinter den Anschlägen eines Unbekannten auf Militärangehörige und Schüler. Möglicherweise könne ein rechtsextremer Ex-Soldat sowohl die Tat an der jüdischen Schule als auch zuvor die Angriffe auf französische Soldaten mit Migrationshintergrund verübt haben, zitterte etwa die Online-Ausgabe der Tagesschau vor kaum verhohlener Vorfreude. Die jüdische Gemeinde in Frankreich bewerte "den Anschlag auf die Schule in Toulouse als antisemitischen Akt", hieß es weiter, auch die Polizei ermittele "in diese Richtung", was jetzt nicht weiter verwundert, weil nach der Ermordung eines Feuerwehrmannes sicherlich in Feuerwehrkreisen, nach der Ermordung von vier Weinköniginnen hingegen mit größerer Wahrscheinlichkeit in Winzerkreisen ermittelt würde.
Hier passte der vielversprechende rechtsradikale Hintergrund allerdings von Anfang an nur mit Mühe ins Bild. Aiman A. Mazyek, Chef des Zentralrats der Muslime, hatte zwar wunschgemäß gleich "nicht den Eindruck, dass muslimische Einrichtungen in Deutschland ausreichend geschützt sind." Trittbrettfahrer könnten so, ähnlich wie die NSU, Taten wie in Frankreich ausführen, verriet er "Zeit Online".
Bei genauerer Betrachtung aber verwies das Opferprofil von Anfang an auf einen islamistischen Täter: Schüler einer jüdischen Schule und französische Nato-Soldaten? Und so kommt es denn auch: Der 24-jährige Mohammed Merah ist "Franzose algerischer Abstammung" (Tagesschau), er fühlt sich Al Kaida zugehörig und tötete, um "palästinensische Kinder zu rächen".
Das aber ist nun gar nicht mehr unser Terror, wie zuletzt schon beim Mordfeldzug des Nordafrikaner Nordine Amrani einmal quer durch Lüttich auf verblüffende Weise zu beobachten war. Amrani erschoss fünf Menschen und verletzte mehr als 70. Dennoch unterschied sich die Rezeption seiner Tat hierzulande grundlegend von der Rezeption etwa der Morde des Norwegers Anders Breivik: Während der sofort in einen größeren Zusammenhang eines von rechten Drahtziehern und "geistigen Brandtsiftern" beherrschten europaweiten Krypto-Faschisten-Netzwerkes gestellt wurde, bekam Amrani umgehend bescheinigt, bei ihm handele es sich um einen "vorbestraften Waffennarr und Drogenhändler", der "als Einzeltäter ohne politische Motivation" gehandelt habe.
Mohammed Merah droht nun dasselbe Schicksal, zumindest in Deutschland. Hierzulande wird islamistischer Terror traditionell als bedrohlich empfunden, so lange Innenminister kurz vor Weihnachten ihre alljährlich Terrordrohung veröffentlichen. Passiert dann wirklich etwas, wie in Frankfurt am Main, wo ein Jung-Islamist US-amerikanische Soldaten hinrichtete, oder eben in Lüttich, folgt noch eine überschaubar kurze Endaufwallung. Und nie ward irgendwo mehr etwas über den Vorfall zu vernehmen.
Ungleich größer ist die mediale Wertschätzung für Terroranschläge, die von Rechtsextremen begangen werden. Hier funktionieren die Reflexe noch, sogar über Bande: Kein Mensch käme auf den Gedanken, die Firma Armani aufzufordern, sich wegen ihrere Namensähnlichkeit mit dem Lütticher Mehrfachmörder Amrani umzubenennen. Die Idee eines Lokalredaktuers der Chemnitzer "Bild"-Zeitung aber, dass ein Naziladen im ehemaligen Karl-Marx-Stadt mit seiner Benennung nach der norwegischen Stadt "Brevik" Assoziationen zum Namen des Mörders Breivik wecken und somit die Hinterbliebenen beleidigen wolle, führt dagegen umgehend zu Demonstrationen, einer überaus engagierten überregionalen Protestberichterstattung und letztlich zur unausweichlichen Namensänderung.
Die panikschaffende Kraft medialer Bemühungen erzeugt einen Strudel aus sich gegenseitig verstärkendem Humbug, in dem die Fakten nichts mehr zur Sache tun. Widersprechen sie dann den obskuren Arbeitsannahmen, kehrt Schweigen ein im Walde wie im Falle Nordine Amrani.
"Eine Katastrophe für die Medien! Kein Nazi! Keine Verbindung nach Deutschland zur NPD!", heißt es in einem in seiner Schlichtheit erhellenden Kommentar bei der Taz. Wo soll das hinführen? Wenn selbst deren Leser schon Lunte wittern?
Der weitere Ablauf steht fest: Der Täter ist ein verwirrter Einzeltäter, die Tat hat nicht mit dem Islam zu tun, die meisten Muslime sind auch in Frankreich integrationsbereit und friedlich, die Bedrohung kommt von rechts, Islamkritik ist Rassismus, Terror ist braun und dringend muss das “10-Punkte-Papier zur Bekämpfung von Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und rechtsextremer Gewalt”, das der “Bundesbeirat für Integration” beschlossen hat, umgesetzt werden, denn nur die dort geforderte konsequente Verschärfung des Volksverhetzungsparagrafen 130 StGB kann dafür sorgen, dass Islamkritikern und anderen Rassisten endlich das menschenverachtende Handwerk gelegt wird.
Zettel zum Fall
Es hätte so schön sein können. Zwei Tage lang witterten die führenden deutschen Medienarbeiter eine vielversprechende Spur nach rechts hinter den Anschlägen eines Unbekannten auf Militärangehörige und Schüler. Möglicherweise könne ein rechtsextremer Ex-Soldat sowohl die Tat an der jüdischen Schule als auch zuvor die Angriffe auf französische Soldaten mit Migrationshintergrund verübt haben, zitterte etwa die Online-Ausgabe der Tagesschau vor kaum verhohlener Vorfreude. Die jüdische Gemeinde in Frankreich bewerte "den Anschlag auf die Schule in Toulouse als antisemitischen Akt", hieß es weiter, auch die Polizei ermittele "in diese Richtung", was jetzt nicht weiter verwundert, weil nach der Ermordung eines Feuerwehrmannes sicherlich in Feuerwehrkreisen, nach der Ermordung von vier Weinköniginnen hingegen mit größerer Wahrscheinlichkeit in Winzerkreisen ermittelt würde.
Hier passte der vielversprechende rechtsradikale Hintergrund allerdings von Anfang an nur mit Mühe ins Bild. Aiman A. Mazyek, Chef des Zentralrats der Muslime, hatte zwar wunschgemäß gleich "nicht den Eindruck, dass muslimische Einrichtungen in Deutschland ausreichend geschützt sind." Trittbrettfahrer könnten so, ähnlich wie die NSU, Taten wie in Frankreich ausführen, verriet er "Zeit Online".
Bei genauerer Betrachtung aber verwies das Opferprofil von Anfang an auf einen islamistischen Täter: Schüler einer jüdischen Schule und französische Nato-Soldaten? Und so kommt es denn auch: Der 24-jährige Mohammed Merah ist "Franzose algerischer Abstammung" (Tagesschau), er fühlt sich Al Kaida zugehörig und tötete, um "palästinensische Kinder zu rächen".
Das aber ist nun gar nicht mehr unser Terror, wie zuletzt schon beim Mordfeldzug des Nordafrikaner Nordine Amrani einmal quer durch Lüttich auf verblüffende Weise zu beobachten war. Amrani erschoss fünf Menschen und verletzte mehr als 70. Dennoch unterschied sich die Rezeption seiner Tat hierzulande grundlegend von der Rezeption etwa der Morde des Norwegers Anders Breivik: Während der sofort in einen größeren Zusammenhang eines von rechten Drahtziehern und "geistigen Brandtsiftern" beherrschten europaweiten Krypto-Faschisten-Netzwerkes gestellt wurde, bekam Amrani umgehend bescheinigt, bei ihm handele es sich um einen "vorbestraften Waffennarr und Drogenhändler", der "als Einzeltäter ohne politische Motivation" gehandelt habe.
Mohammed Merah droht nun dasselbe Schicksal, zumindest in Deutschland. Hierzulande wird islamistischer Terror traditionell als bedrohlich empfunden, so lange Innenminister kurz vor Weihnachten ihre alljährlich Terrordrohung veröffentlichen. Passiert dann wirklich etwas, wie in Frankfurt am Main, wo ein Jung-Islamist US-amerikanische Soldaten hinrichtete, oder eben in Lüttich, folgt noch eine überschaubar kurze Endaufwallung. Und nie ward irgendwo mehr etwas über den Vorfall zu vernehmen.
Ungleich größer ist die mediale Wertschätzung für Terroranschläge, die von Rechtsextremen begangen werden. Hier funktionieren die Reflexe noch, sogar über Bande: Kein Mensch käme auf den Gedanken, die Firma Armani aufzufordern, sich wegen ihrere Namensähnlichkeit mit dem Lütticher Mehrfachmörder Amrani umzubenennen. Die Idee eines Lokalredaktuers der Chemnitzer "Bild"-Zeitung aber, dass ein Naziladen im ehemaligen Karl-Marx-Stadt mit seiner Benennung nach der norwegischen Stadt "Brevik" Assoziationen zum Namen des Mörders Breivik wecken und somit die Hinterbliebenen beleidigen wolle, führt dagegen umgehend zu Demonstrationen, einer überaus engagierten überregionalen Protestberichterstattung und letztlich zur unausweichlichen Namensänderung.
Die panikschaffende Kraft medialer Bemühungen erzeugt einen Strudel aus sich gegenseitig verstärkendem Humbug, in dem die Fakten nichts mehr zur Sache tun. Widersprechen sie dann den obskuren Arbeitsannahmen, kehrt Schweigen ein im Walde wie im Falle Nordine Amrani.
"Eine Katastrophe für die Medien! Kein Nazi! Keine Verbindung nach Deutschland zur NPD!", heißt es in einem in seiner Schlichtheit erhellenden Kommentar bei der Taz. Wo soll das hinführen? Wenn selbst deren Leser schon Lunte wittern?
Der weitere Ablauf steht fest: Der Täter ist ein verwirrter Einzeltäter, die Tat hat nicht mit dem Islam zu tun, die meisten Muslime sind auch in Frankreich integrationsbereit und friedlich, die Bedrohung kommt von rechts, Islamkritik ist Rassismus, Terror ist braun und dringend muss das “10-Punkte-Papier zur Bekämpfung von Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und rechtsextremer Gewalt”, das der “Bundesbeirat für Integration” beschlossen hat, umgesetzt werden, denn nur die dort geforderte konsequente Verschärfung des Volksverhetzungsparagrafen 130 StGB kann dafür sorgen, dass Islamkritikern und anderen Rassisten endlich das menschenverachtende Handwerk gelegt wird.
Zettel zum Fall