Neidisch auf die DDR

Die DDR macht dieses Land, ehemals "der Westen" genannt, jetzt ein Land, das den Osten gefressen hat, zu einem besseren Ort. Sie macht, dass dieses Land jetzt, aber auch früher, ein Platz ist oder war, an dem sich das Gute tummelt oder tummelte. Die DDR wurde nie geschätzt - bis jetzt, da sie als Korrektiv fungieren darf. Als Schattenreich, das die Schatten innerhalb dieses Westens, der lange alleine stand und der seit zwanzig Jahren auf den Osten gekommen ist, beseitigt, es in den Sonnenschein rückt.
Nicht dass man immer explizit Mauertote präsentiert, um von denjenigen, die hierzulande vor jener Mauer stehen gelassen werden, hinter der die soziale Teilhabe wartet, abzulenken. So dick muß man gar nicht auftragen! Es reicht schon, mit der DDR zu diskreditieren - es langt, wenn man Stasi-Verdächtigungen ins Land ruft. Wenn man Verdientes mit der DDR überbrüht. Dann wird aus dem, das kein Ruhmesblatt für dieses Land ist, aus dem was anrüchig ist, eine klassenfeindliche Inszenierung, eine ideologisch verbrämte Erfindung. Am Ende ist Wallraffs "Ganz unten" gar keine verdiente Dokumentation aus dem bundesrepublikanischen (Arbeits-)Alltag jener und bedingt auch unserer aktuellen Jahre, sondern ein erfundenes Szenario, eine Karl-Eduard-Wirklichkeit.
Wenn die Stasi mitgeschrieben hat, wer kann dann noch ausschließen, dass der Türke Ali, den Wallraff spielte, auch wirklich so ehrabschneidend behandelt wurde? Vielleicht ist die Perversität, die Wallraff erlebte und niederschrieb, einfach nur den hetzerischen Gehirnen der Staatssicherheit, des Klassenfeindes aus der Zone entsprungen und diesem irgendwie kommunistischen Journalisten eingeflüstert worden. Vielleicht war die Bundesrepublik nie so widerlich rassistisch, so Adolf nachweinend, wie Wallraff das damals schrieb. Der ganze Hype um sein Buch seinerzeit: Nichts als von der Stasi in die Welt gesetzte Lügen über die kapitalistische Lebenswirklichkeit? Und wenn es damals schon nicht so schlimm zuging, wie es "Ganz unten", dieser Schwarze Kanal auf Papier, weismachen will, dann wird es heute vermutlich auch nicht so sein. Die BRD ist halt doch nicht so schlimm, wie es manche Nestbeschmutzer in ihrer ideologischen Verblendung zuweilen niederschreiben...
Ja, die DDR, sie müsste erfunden werden, falls es sie nicht gäbe. Man fragt ja oft, warum sich in Deutschland die Menschen so viel gefallen lassen. Die Antworten sind meist unbefriedigend. Geschichtlich bedingt muß das nicht gänzlich sein - und eine Mentalitätsfrage wohl auch nicht. In den letzten Jahren war es vielleicht die DDR, die die BRD immer dann beruhigte, wenn die kapitalistische Wirklichkeit brutal zuschlug. Der Verweis auf ein Deutschland, das so viel gemeiner und hinterlistiger war, als es das amtierende Deutschland ist: das befriedet. Um was Deutschland von den Regierungen in der Welt beneidet wird ist die DDR - Frankreich zum Beispiel hätte auch gerne eine, wenn mal wieder Bürger die Straßen füllen und ihre Wut formulieren. Eine französische DDR freilich - eine, auf die man deuten könnte, die einen klarmachte, dass man froh sein könne, im jetzigen, in diesem Frankreich zu leben - eine, die eine noch beschissenere Alternative zu Sarkozy oder zu Le Pen wäre - eine eben, die wie in Deutschland, die herrschenden fatalen Zustände als "immer noch besser als damals in der DDR" markiert.
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