An und für sich wundert es nicht, dass auch die SZ die Ankündigung der EZB nicht versteht und einmal mehr auf “betriebswirtschaftliche Aspekte” hereinfällt.
Das Weglassen der volkswirtschaftlichen Aspekte unter der Überschrift
Märkte zittern vor möglichem Negativzins der EZB
wirkt schon beinahe peinlich, weil bereits John Maynard Keynes anlässlich der Weltwirtschaftskrise um 1929 der US-amerikanischen Regierung empfahl, zur Belebung der Wirtschaft negative Zinsen für nicht produktiv angelegtes GELD zu verordnen. Damit sollte der Problematik der Liquiditätsfalle (liquidity trap) begegnet werden, damit gehortetes bzw. spekulatives GELD wieder real investiert wird und der wesentliche Zweck des Geldes, neben seiner Tauschfunktion, erfüllt wird.
Denn bekanntlich haben es insbesondere “mittelständische Unternehmen” schwer, GELD für investive Zwecke von Banken zu erhalten, die das zum Teil aus dem Nichts entstandene Geld lieber in den Spielcasinos der Welt einsetzen und kursieren lassen.
Vor diesem Hintergrund erscheint es geradezu lachhaft, wenn die SZ von einem “Strafzins” schreibt ohne gleichzeitig auf den oben skizzierten volkswirtschaftlichen Zweck negativer Zinsen einzugehen.
Der Autor des Artikel kommt auch nicht auf die Idee Auswege vorzuschlagen, wenn die Banken sich weiterhin weigern, Unternehmen GELD für Investitionen bereitzustellen und vielmehr als Reaktion auf den negativen Zins das bestehende Kreditvolumen höher mit Zinsen einzupreisen.
Solch eine Politik sollte vielmehr Anlass sein, erneut über zusätzliche Aufgaben der KfW und der Landesbanken nachzudenken, wenn die Privatbanken lieber spekulieren, als die reale Wirtschaft zu finanzieren.
Aber so weit reicht der ökonomische Verstand nicht; bejammert werden die “(Geld-)Märkte bzw. die Börsenreaktion auf die Ankündigung des negativen Zinses.
Unerwähnt blieb nach “neoliberalem Eliten-Denkmuster” auch, dass die kleinen Anleger und Sparer längst “negative Zinsen” zahlen, weil z.B. der Zins für Spareinlagen deutlich niedriger ist, als die Inflationsrate (Stichwort: zu erwartender anhaltender Kaufkraftverlust).
Merke: Nicht die volkswirtschaftliche Fragestellung der Bereitstellung von Finanzmitteln für reale Investitionen interessiert die SZ, sondern die Befindlichkeiten von Banken und Finanzmärkten. Das zeigt einmal mehr auf, dass die Finanzkrise erst dann überwunden ist, wenn der volkswirtschaftliche Zweck des Einsatzes von GELD im Vordergrund steht und nicht die leistungslose Bereicherung von Geldeliten, die das GELD c.p. pervertiert hatten, auch durch die beinahe unendliche Geldschöpfung aus dem Nichts zu Spekulationszwecken.
Es ist aber auch denkbar, dass die neoliberale Dekadenz so fortgeschritten ist, dass selbst einfachere und naheliegende volkswirtschaftliche Zusammenhänge nicht mehr verstanden werden und es nur noch darum geht, leistungslose Geldeliten zu schützen.
Es ist nicht nur eine Euro- oder Schulden- und Geldkrise, sondern vielmehr die erneute Huldigung des Götzen GELD im Sinne des “Goldenen Kalbes”, die Dominanz der niederen Instinkte wie Gier und die Erlangung leistungsloser Einkommen. Ludwig Poullain, der ehemalige Chef der Landesbank in NRW, unterschied einmal in einem veröffentlichten FAZ-Artikel zwischen “Banker” und “Bankier”. Die verhinderte Rede vor Bankenvertretern hob unter Anderem folgendes hervor:
“Diese Pflicht eines Verwalters fremder Vermögen hat eine andere Maxime als etwa die Pflicht eines Vorstandes eines Büromaschinenherstellers. Mich dünkt, daß an die Stelle der Pflicht, seine eigene Person, oder, falls vorhanden, seine Persönlichkeit, sich selbst mit Geist und Haut und Haaren in seine Aufgabe einzubringen, die Unverbindlichkeit gerückt ist. An die Stelle des sich auch dem Wohle dieses Landes verpflichtet fühlenden „Bankiers“ ist der „Banker“ getreten.”
Wohl dem, der den Unterschied zwischen “Banker und Bankier” versteht und die richtigen Schlussfolgerungen daraus zieht.