Negative Scanner
„Nose Picker“
(Trouble In Mind Records)
Den „Post“ kann man bei dem Quartett aus Chicago problemlos streichen, denn was, wenn nicht Punk, sollte das sein, was Negative Scanner da in einem Dutzend Songs herunterbrettern? Nick Beaudoin, Tom Cassling, Matthew Revers und allen voran Rebecca Valeriano-Flores, die sich auf dem selbstentworfenen Cover auch so wunderbar in der Nase bohrt, halten sich nicht mit Auschmückungen oder Einleitungen auf – kurz zu Beginn die Rückversicherung der ungeteilten Aufmerksamheit („Seid ihr alle da?“), dann legen sie los: Grobkörnige Gitarren, Schlagzeuggeböller, Valeriano-Flores‘ Gesang mal betont tief angelegt, im nächsten Moment überschlägt er sich zu wildem Schreien – allein das ist schon ein Erlebnis. Ganz ähnlich gehen Bands wie Ganser (gleiche Stadt um die Ecke), Perfect Pussy, die Screaming Females oder Downtown Boys zu Werke, einfache Strukturen, klare Ansagen, schnell zum Punkt. Die Texte, so hat man den Eindruck, sammeln Negative Scanner im Rinnstein vor der eigenen Haustür, Ausgrenzung wegen Andersartigkeit, Leben als Kampf, selten was zu lachen und Hoffnung als Mangelware.
Die Welt kann keine gute sein, wenn „10 Million Kids“ in Krieg, Zerstörung und Zukunftslosigkeit leben. Viele Worte brauchen sie nicht, wenn die wenigen so treffsicher sich wie hier: „Waiting. Wanting. I’ll be there with tea cups clinking. Paper notes and turtle shells. Is there anything? No, there’s nothing. Across an ocean wide, the black lake I’ll swim reflects the clouds and sky. Swim across. Across. A cross. A cross“, heißt es in „A Cross“ und es braucht nicht viel Fantasie, um den Hilferuf, den Zynismus herauszuhören, den Valeriano-Flores ins Mikrophon spuckt. Nicht anders, nur noch direkter bei „Health Insurance“: „I’m sick! I’m sick and I eat shit. My guts! My guts. Gag ‘til I spit. My throat! My throat. Pus filled sores. Broken teeth. Blood in mouth tastes so sour. I don’t wanna be sick. I itch. Hives they stick. Shit and blood. Blood and shit. I don’t wanna be sick. Am I my sick? I don’t wanna be sick.“ Das schmerzt beim lesen und das ist der Deal. Negative Scanner sind Straßenkinder, deren Musik so drecking klingt wie die Gegend, aus der sie stammen, die für modische Attitüde und falsches Mitgefühl nur Verachtung übrig haben: „You deserve the contempt that wolves have for dogs.“ Ganz zum Schluß die Toilettenspülung, alles ist gesagt. Und wer’s bis hierher nicht kapiert hat, dem ist nicht mehr zu helfen.
„Nose Picker“
(Trouble In Mind Records)
Den „Post“ kann man bei dem Quartett aus Chicago problemlos streichen, denn was, wenn nicht Punk, sollte das sein, was Negative Scanner da in einem Dutzend Songs herunterbrettern? Nick Beaudoin, Tom Cassling, Matthew Revers und allen voran Rebecca Valeriano-Flores, die sich auf dem selbstentworfenen Cover auch so wunderbar in der Nase bohrt, halten sich nicht mit Auschmückungen oder Einleitungen auf – kurz zu Beginn die Rückversicherung der ungeteilten Aufmerksamheit („Seid ihr alle da?“), dann legen sie los: Grobkörnige Gitarren, Schlagzeuggeböller, Valeriano-Flores‘ Gesang mal betont tief angelegt, im nächsten Moment überschlägt er sich zu wildem Schreien – allein das ist schon ein Erlebnis. Ganz ähnlich gehen Bands wie Ganser (gleiche Stadt um die Ecke), Perfect Pussy, die Screaming Females oder Downtown Boys zu Werke, einfache Strukturen, klare Ansagen, schnell zum Punkt. Die Texte, so hat man den Eindruck, sammeln Negative Scanner im Rinnstein vor der eigenen Haustür, Ausgrenzung wegen Andersartigkeit, Leben als Kampf, selten was zu lachen und Hoffnung als Mangelware.
Die Welt kann keine gute sein, wenn „10 Million Kids“ in Krieg, Zerstörung und Zukunftslosigkeit leben. Viele Worte brauchen sie nicht, wenn die wenigen so treffsicher sich wie hier: „Waiting. Wanting. I’ll be there with tea cups clinking. Paper notes and turtle shells. Is there anything? No, there’s nothing. Across an ocean wide, the black lake I’ll swim reflects the clouds and sky. Swim across. Across. A cross. A cross“, heißt es in „A Cross“ und es braucht nicht viel Fantasie, um den Hilferuf, den Zynismus herauszuhören, den Valeriano-Flores ins Mikrophon spuckt. Nicht anders, nur noch direkter bei „Health Insurance“: „I’m sick! I’m sick and I eat shit. My guts! My guts. Gag ‘til I spit. My throat! My throat. Pus filled sores. Broken teeth. Blood in mouth tastes so sour. I don’t wanna be sick. I itch. Hives they stick. Shit and blood. Blood and shit. I don’t wanna be sick. Am I my sick? I don’t wanna be sick.“ Das schmerzt beim lesen und das ist der Deal. Negative Scanner sind Straßenkinder, deren Musik so drecking klingt wie die Gegend, aus der sie stammen, die für modische Attitüde und falsches Mitgefühl nur Verachtung übrig haben: „You deserve the contempt that wolves have for dogs.“ Ganz zum Schluß die Toilettenspülung, alles ist gesagt. Und wer’s bis hierher nicht kapiert hat, dem ist nicht mehr zu helfen.