Necla Kelek: „Akt der Unterwerfung“

Necla Kelek

Necla Kelek (Foto: Medienmagazin pro, Wikipedia)

“Ein archai­sches Ritual, das Unterwerfung, Identitätsfindung und Abgrenzung gegen die ‘Ungläubigen‘ sym­bo­li­siert”, so bezeich­net die bekannte Autorin Necla Kelek in einem SPIEGEL-Essay die Vorhautbeschneidung min­der­jäh­ri­ger Knaben in der mus­li­mi­schen Community.

Necla Kelek, nennt nicht nur (tra­di­tio­nelle) Ursachen der Beschneidungspraxis, son­dern weist nach­drück­lich dar­auf hin, dass unter Muslimen erheb­li­cher sozia­ler Druck aus­ge­übt werde, wenn mus­li­mi­sche Eltern ihre Söhne nicht mehr beschnei­den las­sen wol­len. Solche Eltern wer­den sozial aus­ge­grenzt und ver­lie­ren jeg­li­che Achtung in ihrer Gemeinde. Sie wer­den geäch­tet und ver­ach­tet.

Der israe­li­sche Jude Eran Sadeh hat dies für die jüdi­sche Community glei­cher­ma­ßen beschrie­ben. Enormer Gruppendruck zu kon­for­mem Verhalten, Nötigung gewis­ser­ma­ßen, wird in den Kreisen der Traditionalisten und der Religiösen uner­bitt­lich und starr­sin­nig aus­ge­übt, wenn sich Mitglieder ihrer Gruppe dem blu­ti­gen Ritual ver­wei­gern und die Söhne nach moder­nen, nach huma­nis­ti­schen Werten erzie­hen wol­len. Geächtet wird, wer akzep­tiert, dass sein Sohn ein Mensch mit eige­ner Würde ist, und zwar schon als Minderjähriger.

Bereits vor Wochen hat der jüdi­sche Historiker Michael Wolfssohn die jüdi­schen Gemeinden in Deutschland  kri­ti­siert und ihnen vor­ge­wor­fen, den Willen zur Erneuerung, den not­wen­di­gen Willen zum Über­den­ken ihrer Standpunkte und ihrer Rituale in der Gesellschaft des 21. Jahrhunderts nicht zu haben und auch die mit dem Kölner Landgerichtsurteil sich eröff­nen­den Chancen zu einer Neubestimmung der Positionen jüdi­schen Lebens in Deutschland nicht zu nut­zen.

Die Beschneidungsdebatte hat gezeigt, dass diese Kritik zutref­fend war, denn durch­ge­setzt haben sich zunächst ein­mal (was die Gesetzesebene angeht) die­je­ni­gen, die als ideo­lo­gi­sche Hardliner ohne­hin am Kompromiss, man muss sagen, an einer Verständigung inner­halb der plu­ra­lis­ti­schen Gesellschaft, kein Interesse haben. Für sie sind erklär­ter­ma­ßen die Werte einer frei­heit­li­chen Gesellschaft nicht beach­tens­wert. Sie stel­len sich über das Gesetz, sie stel­len sich über die Menschenrechte, für die sie nur Hohn und Spott übrig haben, und letzt­lich stel­len sie sich über alle ande­ren Gesellschaftsmitglieder, deren Auffassungen von ihnen als mora­lisch min­der­wer­tig ange­se­hen wer­den.

Kelek beklagt die­selbe reli­giöse Intoleranz in ihrer, der mus­li­mi­schen Community, die nicht nach den Rechten von Kindern fragt, der es um Rechthaberei und soziale Kontrolle – letzt­lich um Macht über Menschen – gehe.

Der Essay von Necla Kelek, einer Muslima, die das Beten nicht ver­lernt hat, ist ein lei­den­schaft­li­ches Plädoyer für die unbe­dingte  Beachtung der Menschenrechte – unab­hän­gig von der Herkunft des jewei­li­gen Individuums, unab­hän­gig von sei­nem Alter und von sei­nem Geschlecht – und ein Plädoyer für Toleranz; einer Toleranz, die den Beschneidungsbefürwortern fremd ist.

Es lohnt sich, die Ausführungen von Necla Kelek im Zusammenhang zu lesen.

Walter Otte


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