Nebenerwerbsbetriebe in der Landwirtschaft (1)
Es ist wieder mal Zeit für ein Thema aus der Landwirtschaftsstatistik. Genauer gesagt geht es Nebenerwerbslandwirte, die sogenannten Mondscheinbauern. Meine Ausgangsthese ist, dass man die vor allem in Baden-Württemberg, Hessen, Rheinland-Pfalz und dem Saarland viele Nebenerwerbslandwirte finden müsste, in Schleswig-Holstein und Niedersachsen dagegen eher wenige. Der Grund: Im Süden und Westen herrschte durch den Einfluss der römischen Kultur die Realteilung vor, bei der der Hof unter allen Söhnen (und teilweise auch den Töchtern) aufgeteilt wurde, im germanisch geprägten Norden und Osten dagegen das Anerbrecht, wo meist der älteste Sohn den Hof alleine erbte.
Realteilung vor allem im Süden
In Nordrhein-Westfalen und Bayern gibt es beide Formen, wobei in NRW das Anerbrecht bei weitem überwiegt. Bayern ist ebenfalls ein Sonderfall, denn hier ist ausgerechnet im Süden das Anerbrecht verbreitet, im nördlichen Franken dagegen die Realteilung. Außerdem ist Bayern neben dem Saarland das einzige alte Bundesland, das heute ein Anerbrecht im Landesrecht mehr kennt, während es im traditionell real teilenden Baden-Württemberg sogar zwei Höfeordnungen mit Anerbrecht gibt (das Badisches Hofgütergesetz und das auslaufende Württembergisches Anerbengesetz). Die neuen Bundesländer sind ohnehin ein Sonderfall, traditionell gab es dort besonders große Höfe.
Die Frage nach dem Erbrecht ist nicht so belanglos, wie sie sich anhört. Vielmehr bestimmte sie die Siedlungsgeschichte. In den Gegenden mit Realteilung gibt es traditionell Bauerndörfer, in denen mit Anerbrecht dagegen oft große, alleine liegende Höfe (gut kann man das noch in Niederbayern sehen). Gegenden mit Realteilung wie Franken und Württemberg waren oft früh industrialisiert, weil viele Bauern sich Geld hinzuverdienen mussten. Die SPD hatte hier trotzdem nie eine Chance, denn weil viele Arbeiter noch ein kleines Stück Land besaßen hielten sie von Verstaatlichung nicht viel.
In früher real teilenden Gegenden Höfe noch immer kleiner
Tatsächlich sind die Höfe in Baden-Württemberg beispielsweise deutlich kleiner als in Niedersachsen. Im Südwesten bewirtschaften nur 1,3 Prozent der Betriebe 500.000 Hektar oder mehr und bewirtschaften 4,6 Prozent der Fläche, in Niedersachsen sind es 8,7 Prozent, die 22,6 Prozent der Fläche bewirtschaften.
Anteil der Nebenerwerbsbetriebe an allen landwirtschaftlichen Einzelunternehmen
Bei den Nebenerwerbsbetrieben spiegelt sich das ebenfalls wieder, allerdings nicht ganz so deutlich. Deutschlandweit werden 50,4 Prozent der Einzelbetriebe im Nebenerwerb bewirtschaftet. Die Zahl wird allerdings dadurch etwas verzerrt, dass rund acht Prozent Kapitalgesellschaften oder Einzelunternehmen sind, für die keine Unterscheidung vorliegt, die aber überwiegend Haupterwerbsbetriebe sein dürften. Weil der Anteil in Ostdeutschland deutlich höher liegt, ist ein Vergleich zwischen ost- und westdeutschen Bundesländern kaum möglich.
Viel Nebenerwerb in Baden-Württemberg
In Baden-Württemberg gibt es tatsächlich auch besonders viele Nebenerwerbsbetriebe (62,5 Prozent). In Hessen sind es sogar 68,3 Prozent. In Niedersachsen und Schleswig-Holstein sind es dagegen mit 37,7 Prozent und 35,4 Prozent besonders wenig. Da in allen Ländern mehr als 90 Prozent der Betriebe Einzelunternehmen sind, lassen sich die Zahlen ganz gut vergleichen.
Bayern, Bremen und Nordrhein-Westfalen liegen ziemlich im Schnitt der westdeutschen Bundesländer. Bei Bayern ist das wenig erstaunlich, in dem Bundesland gibt es nämlich tradtionell beide Erbformen. Bremen ist aufgrund des Status als Stadtstaat ein Sonderfall, bei Nordrhein-Westfalen hätte ich einen niedrigeren Anteil von Nebenerwerbsbetrieben erwartet, immerhin gilt in den meisten Regionen traditionell das Anerbrecht. Aber das tradtionelle Erbrecht ist ohnehin nicht der einzige Einflussfaktor, auch wenn der Zusammenhang zwischen dem früher geltenden Erbrecht und dem Anteil der Nebenerwerbsbetriebe noch immer erstaunlich groß ist.
Nicht vergleichbar sind dagegen die Zahlen für die neuen Bundesländer. Dort liegt der Anteil der Nebenerwerbsbetriebe sehr hoch, das liegt aber daran, dass viele Haupterwerbsbetriebe Kapitalgesellschaften oder juristische Personen sind.
Ob dem Nebenerwerbsbetrieb die Zukunft gehört oder ob er ausstirbt, steht im nächsten Beitrag.