Narrative außer Kontrolle

Von Stefan Sasse
In seiner aktuellen Kolumne fürchtet Wolfgang Münchau den großen Zusammenbruch der Euro-Zone und schließt mit den Worten: 
Die Narrative dieser Krise sind völlig außer Kontrolle geraten, und die Politik weiß nicht, wie sie sie wieder einfängt. Das geht Merkel nicht anders. Vielleicht kommt die politische Union. Vielleicht kommt der Zusammenbruch. Eines von beiden wird aber kommen, und Deutschland hat sich auf keines der beiden Szenarien vorbereitet.
Recht hat der Mann; das Narrativ der Euro-Krise bereitet auf keines dieser beiden Extremszenarien vor. Der Grund dafür ist leicht zu verstehen: praktisch niemand weiß etwas Definitives über die Euro-Krise. Das gleichzeitig debattierte Betreuungsgeld, das derzeit so viel Aufmerksamkeit in Beschlag nimmt, ist dagegen leicht verständlich. Befürworter und Gegner können ihre Positionen in wenigen markigen Sätzen erklären. Die Euro-Krise? Da gibt es noch nicht mal Befürworter oder Gegner, geschweige denn Leute, die das überhaupt erklären können, von markigen Sätzen mal abgesehen. Angela Merkel muss das von Anfang an klar gewesen sein. Sie hat bereits 2010 im NRW-Wahlkampf mit dem Wahlkampfschlager von den "faulen Griechen" die Richtung vorgegeben und seither nicht mehr geändert. Bei uns ist alles klar, die fiesen, faulen Südländer sind schuld, Glück auf.
Dieses Narrativ kann Merkel selbst nicht mehr ändern, wenn sie wöllte, und dass dazu ein Wille besteht ist mehr als zweifelhaft. Denn wenn die Regierung tatsächlich plötzlich reinen Wein einschenken würde, der politischen Union das Wort reden oder dem Zusammenbruch, wenn sie erklären würde, dass das Ganze teuer und ohne Steuererhöhungen nicht zu machen sein wird, dann bürdet sie sich auch die Verantwortung auf. Im Augenblick ist niemand schuld, und alle. Deutschland ist nach wirtschaftlichen Kernzahlen der Musterknabe, Agenda2010-modernisiert. Wir können ja gar nicht schuld sein. Griechische Politiker können auf die böse EU verweisen. Versucht man den toten Hund den Banken vor die Türe zu legen können diese darauf verweisen, dass sie nur ihren Job gemacht haben und im Übrigen die staatlichen Kontrolleure versagt hätten, was perverserweise auch noch stimmt. Die EU selbst kann sich mit der Blockadehaltung einiger Staaten herausreden (je nachdem wen man fragt wird der ein Beispiel bringen können). Und alle können das ominöse "Wir" beschwören, das dann am Ende doch - irgendwie - über seine Verhältnisse gelebt hat. 
Das Problem ist: man kann es ihnen nicht einmal verübeln. Denn das Echo auf ein Narrativ zur politischen Union ("Geldverschwendung") oder dem Zusammenbruch ("alles eure Schuld") wäre verheerend und würde nicht überlebt werden. Eine rationale Reaktion kann darauf kaum erwartet werden, und auch das ist verständlich. Wer will sich bitte freiwillig mit dem Gedanken an ein Ende seines bisherigen Lebensstils auseinandersetzen, wenn er es vermeiden kann? Noch dazu, wenn es ohnehin kaum verständlich ist? Erklärt mal eben bitte das Problem der deutschen Target-2-Salden jemandem, der sich mit dem Thema noch nie beschäftigt hat! Argumentiert mit internationalem Lastenausgleich oder argumentiert gegen den Geist von 1923, wenn die EZB die Inflationserwartung auf 2,1% hebt! Die Narrative sind außer Kontrolle, aber es gibt auch keine, die irgendwie attraktiv wären. Entweder man arbeitet sich wirklich tief in die Materie ein - und braucht dann kein Narrativ mehr - oder man schimpft auf die faulen Griechen oder die bösen Banken. Ich gebe gerne und offen zu, in Sachen Euro-Krise den Durchblick längst verloren zu haben. Das Einzige, zu was ich mich noch kompetent glaube äußern zu können, sind die politischen Implikationen. Bei den ökonomischen Fakten bleibt mit nur noch die weiße Fahne. Politisch aber, so viel ist sicher, wirkt das Narrativ der faulen Griechen verheerend, und es wird uns noch teuer zu stehen kommen. Ganz egal, welches andere Narrativ sich am Ende bewahrheiten wird.

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